Biathlon in Oberhof:Der Ex-Doper gewinnt zwei Rennen

Biathlon Oberhof 11 01 2019 IBU World Cup Biathlon 10 km Sprint Herren Männer Men LOGINOV Alexander

In Oberhof zweimal siegreich: Alexander Loginow.

(Foto: Eberhard Thonfeld/imago/Camera 4)
  • Der Russe Alexander Loginow gewinnt in Oberhof den Sprint und mit dem russischen Team die Staffel.
  • Loginow saß eine Sperre wegen Epo-Dopings ab. Die Konkurrenz, vor allem Martin Fourcade, attackiert ihn dafür immer noch.
  • Die österreichische Staatsanwaltschaft ermittelt zudem aktuell gegen zehn Russen - darunter Loginow.

Von Thomas Kistner

Auch für Thomas Bach gibt es gebrauchte Tage. Am Freitag weilte der Chef des Internationalen Olympischen Komitees beim Biathlon-Weltcup in Oberhof, dort war im Schnellgang zu besichtigen, wie der Spitzensport aus den Fugen gerät. Erst musste der hohe Gast peinliche Fragen zum Dauerthema Korruption in seinem IOC umkurven. "Ich möchte jetzt Sport sehen", wehrte er Fragesteller vom Sportinformationsdienst ab, die ihn gern zu jüngsten Strafermittlungen um die Tokio-Spiele 2020 und gegen ein IOC-Mitglied befragt hätten. Dann setzte auch der Sport, unter Bachs Augen, ein starkes Fragezeichen: Es gewann ein als Doper vorbestrafter, erneut in Verdacht geratener Athlet aus Russland.

Alexander Loginow symbolisiert den kriselnden Olympiasport. Die Kollegen gingen dem Oberhof-Sieger aus dem Weg, Branchen-Primus Martin Fourcade aus Frankreich betrachtet Loginows Triumph gar als "Schande". Diplomatischer drückte sich DSV-Läufer Erik Lesser aus. Er fände das auch nicht schön, sagte er den Medien, und gab sich ahnungsvoll: Nach abgebüßter Betrugssperre sei Loginows Mitwirken hinzunehmen - sofern "keine positive Doping-Probe in nächster Zeit kommt".

Das zielt auf Ermittlungen, die es wieder mal um das russische Biathlon-Team gibt. Beim Weltcup Mitte Dezember im österreichischen Hochfilzen wurden Loginow und Co. vor dem ersten Rennen im Teamquartier von der Polizei besucht. "Einige Sportler und Spezialisten wurden von Vertretern der Polizei befragt", teilten die Russen dazu mit. Vorher hatte die österreichische Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie wegen Dopingverdachts bei der WM 2017 in eben jenem Hochfilzen nun gegen zehn Mitglieder des russischen Teams ermittelt. Im Fokus stünden fünf Sportler wegen "schweren Betruges im Zusammenhang mit Doping"; plus fünf Betreuer wegen "Anwendung verbotener Substanzen bzw. Methoden zum Zweck des Dopings". Loginow zählt ebenso dazu wie Anton Schipulin, der jedes Fehlverhalten bestreitet.

Das kann Loginow nur bedingt von sich behaupten. Bei jener WM 2017 in Hochfilzen gewann er, zwei Monate nach Ablauf einer zweijährigen Dopingsperre, Bronze mit der Mixed-Staffel. Dass Österreichs Bundespolizei tags zuvor das Teamquartier von Kasachstan durchsucht und zahlreiche medizinische Produkte sichergestellt hatte, warf damals nicht den einzigen Schatten: Bei der Siegerehrung verließ Fourcade, Zweiter mit Frankreichs Mixed-Staffel, demonstrativ das Podest, als es die Russen samt Loginow erklommen hatten.

Dieser war 2014 als Blutdoper mit Epo aufgeflogen. Seine Probe datierte von 2013, erst verfeinerte Testverfahren deckten den Betrug auf. Der Weltverband IBU sperrte den Russen zwei Jahre; schweren Herzens, wie spätere Ermittlungen zeigten. Seit Ende 2017 hat die Wiener Staatsanwaltschaft ja auch den Weltverband im Visier, die langjährige Spitze um den Norweger Anders Besseberg musste abtreten. Aus diesen Ermittlungen gibt es nun also neue Erkenntnisse zu den Russen. Die ohnehin in schweren Turbulenzen stecken.

Die IBU selbst steht im Verdacht, russische Doper gedeckt zu haben

Nicht nur wegen der Staatsdoping-Affäre, die von der Welt-Anti-Doping-Agentur Wada und dem im Hintergrund steuernden IOC äußerst halbherzig abgehandelt wird - die IBU selbst steht im Verdacht, russische Doper gedeckt und Positivproben vertuscht zu haben. Ende November hat die IBU unter dem neu gewählten Schweden Olle Dahlin neun WM-Fahrer Kasachstans gesperrt; die russischen Olympiasieger Jewgeni Ustjugow und Swetlana Slepzowa wurden wegen Dopings angeklagt. Überdies ist Russlands Verband kein vollwertiges IBU-Mitglied mehr und müsste zwölf Kriterien erfüllen, um das zu ändern. Bis 2022 dürfen dort auch keine Biathlon-Wettkämpfe stattfinden. Hinzu kommt nun Hochfilzen, diese Affäre strahlt auch auf Oberhof-Sieger Loginow ab.

All das lässt Bachs IOC immer tiefer in die Glaubwürdigkeitskrise trudeln. Während mit den Korruptionsermittlungen um den Japaner Tsunekazu Takeda das nächste hohe IOC-Mitglied ins Zwielicht rückt und die Tokio-Spiele 2020 verdüstert, wird aus den USA die laxe Dopingbekämpfung des Ringe-Clans attackiert. Antidoping-Chef Travis Tygart greift den deutschen Wirtschaftsanwalt an. Bach habe in der Staatsdoping-Affäre "Nulltoleranz und harte Konsequenzen" gepredigt, sagte Tygart dem britischen Senderverbund ITV, aber vier Jahre später gebe es noch immer keine harten Sanktionen, schon gar keine Nulltoleranz: "So eine Führung haben die Sportler nicht verdient!"

Hintergrund: Die Wada unter dem britischen IOC-Mitglied Craig Reedie hat die russische Anti-Doping-Agentur Rusada trotz weltweiter Proteste jüngst wieder als regelkonform eingestuft -und dafür die Übergabe aller Datensätze aus dem Moskauer Labor zur Bedingung gemacht. Doch die Russen ließen das Ultimatum bis Jahresende verstreichen; die Wada sanktionierte es nicht. Zwar lässt Moskau nun die Inspektoren, als Reaktion auf massive globale Kritik, erneut einreisen. Längst ist aber zu befürchten, dass die zahnlosen Wada-Fahnder wieder nur hereinlegt werden. Deshalb fordert Tygart, die Rusada so lange zu sperren, bis alle Daten übermittelt, ausgewertet und sich als wirklich umfassend und authentisch erwiesen haben.

Bach und Reedie sieht Tygart als Problemfälle. "Die Olympische Bewegung braucht dringender denn je inspirierende Anführer, die über der Tagespolitik stehen." Nur sind solche Leute nicht in Sicht, der Sportbetrieb reguliert sich selbst. Und Loginow? Der siegte am Sonntag auch mit Russlands Staffel.

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Der Russe und Ex-Epo-Doper Alexander Loginow gewinnt den Sprint von Oberhof. Der Franzose Martin Fourcade attackiert ihn danach heftig und spricht von einer "Schande".

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