Süddeutsche Zeitung

Biathlon:Herrmann sticht aus dem Nebel hervor

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Von Saskia Aleythe, Oberhof/München

Oberhof ist kein Ort für Schönwettersportler. Man wird oft nass und sieht meist wenig, am schlimmsten traf es vor zwei Jahren Johannes Kühn: Im dichten Nebel schoss der Staffelläufer neun Strafrunden (bei zehn Scheiben und sechs Nachladern) und sagte danach den schönen Satz: "Gesehen hab ich nix. Und wenn ich nix sehe, weiß ich auch nicht, auf was ich schießen soll."

Gesehen hat Denise Herrmann am Donnerstag-Nachmittag ein bisschen mehr, auch wenn wie immer dichte Nebelschwaden durch die Arena zogen. Genug jedenfalls, um mit neun Treffern durch den Sprint zu kommen, was am Ende Platz zwei bedeutete - und das beste Resultat einer Deutschen in diesem Winter. Nur Marte Olsbu Roeiseland aus Norwegen war mit fehlerfreiem Schießen nicht zu bezwingen, Frankreichs Julia Simon belegte Platz drei. Den zuletzt arg gebeutelten Deutschen implantierte Herrmann damit neue Hoffnung. Der Erfolg jetzt sei "ganz wichtig", sagte die Verfolgungs-Weltmeisterin in der ARD, "ich war total verunsichert, auch im Training". Und da konnte man dann schon fragen: War das schon der Aufschwung vor der WM?

In einem Monat geht es in Antholz in Südtirol erneut um Medaillen, und wo man steht, das wusste vor der Weihnachtspause beim Deutschen Skiverband (DSV) niemand. So einiges Verbesserungspotenzial hatte sich bei den Biathletinnen offenbart, im Sprint von Hochfilzen schaffte es keine in die Top 40. Ein vierter Platz von Franziska Preuß war bis dato die Glanzleistung im deutschen Team gewesen neben zwei fünften Plätzen von Herrmann, doch vor allem der historisch schlechte zwölfte Platz der Staffel beim zweiten Weltcup in Hochfilzen hatte ernsten Grund zur Besorgnis gegeben. Und das ist dann schon eine Besonderheit: Waren die Biathlon-Fans in der ersten Januarwoche in Oberhof doch stets berauscht durch deutsche Erfolge in die Arena gestürmt. Zu Laura Dahlmeiers Zeiten.

Herrmann profitiert von ihren Extraschichten

Untätig sind sie im deutschen Team nach den ersten trüben Ergebnissen nicht geblieben: Franziska Hildebrand legte eine Wettkampfpause ein und trainierte im heimischen Köthen; Denise Herrmann begab sich nach Weihnachten ins Höhenlager in Davos, absolvierte ein extra Schießtraining in Ruhpolding. Vor allem diese Teildisziplin hatte ihr bisher den Winter vermiest; im Staffelrennen von Hochfilzen musste sie gleich drei Mal in die Strafrunde. "Das hätte sogar meine Oma besser gemacht", sagte sie danach.

Wer weiß, woran er arbeiten muss, kann davon profitieren und für Herrmann erwiesen sich die Sonderschichten nach Neujahr als richtige Strategie: Nach fehlerfreiem Auftakt leistete sie sich nun in Oberhof stehend nur einen Fehler. Sie kämpfte mit der letzten Scheibe und einer weiteren Strafrunde, die Zeit lief ungnädig herunter - doch die 31-Jährige ließ sich davon nicht hetzen, harrte aus und landete schließlich einen Treffer. Auf der Schlussrunde spielte Herrmann ihre größte Stärke aus und spurtete mit den schnellsten Beinen des Tages ins Ziel. Vanessa Hinz wurde mit einem Fehler Fünfzehnte und gab die Tendenz des Rennens in ihren Worten wieder: "Wir nehmen nicht den Lift, sondern Stufe für Stufe die Treppe." Die Richtung ist klar: nach oben. Für alle galt das in Oberhof aber nicht: Janina Hettich, Maren Hammerschmidt, Franziska Hildebrand und Marion Deigentesch verpassten die Top 30 zum Teil deutlich.

Abseits der Strecke war eine Diskussion um die Umweltverträglichkeit der Veranstaltung entbrannt: 31 LKW-Ladungen Schnee wurden vom Show-Event auf Schalke nach Oberhof verfrachtet, weil weder Natur noch eigene Anlagen zur künstlichen Produktion für genügend Schnee für die Austragung des Weltcups sorgen konnten. Kritik am Schnee-Transport wiegelte Bundestrainer Mark Kirchner dünnhäutig ab: "Wenn man Weltmeisterschaften und andere Veranstaltungen ausrichten möchte in Regionen, wo es eher dünn mit Schnee ist, und dann diese Klimathematik in den Vordergrund schiebt, müssen wir sagen: Dann machen wir komplett zu."

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SZ vom 10.01.2020
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