Deutsche BiathletinnenEine lächelt immer

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Neunte im Sprint von Oberhof: Julia Tannheimer aus Ulm während des Rennens am Donnerstag.
Neunte im Sprint von Oberhof: Julia Tannheimer aus Ulm während des Rennens am Donnerstag. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Biathlonrennen der Frauen sind in diesem Winter unvorhersehbar geworden. Das deutsche Team nutzte bislang die Schwächen der anderen – was aber, wenn die Konkurrenz zurückkommt?

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Die gute Laune zu bewahren, das war an diesem Nachmittag eine große Aufgabe. Nicht nur eine Pfütze, sondern gleich ein kleiner See hatte sich mitten der Biathlonarena in Oberhof gebildet, und auf der Loipe: Matsch. Wie man da noch Spaß am Sport haben kann? Der Weltcupführenden Franziska Preuß war er mit Rang 28 jedenfalls vergangen, durch „nasse Pampe“ habe man sie stapfen lassen, schimpfte die 30-Jährige. Doch dann standen da auch zwei Deutsche, die sich freuten, der Nässe zum Trotz: Julia Tannheimer und Selina Grotian. Und das war dann schon ein Abbild dieser Saison. Eine lächelt immer, mindestens.

Man muss lange in den Biathlonstatistiken wühlen, um einen ähnlich erfolgreichen Saisonstart des Deutschen Skiverbands (DSV) ausfindig zu machen: In Preuß, Vanessa Voigt und Grotian starteten gleich drei Deutsche in der Gesamtwertung in den Top Ten ins neue Jahr, ein ähnliches Abschneiden stand zuletzt 2015 zu Buche. Dazwischen liegen viele Jahre, in denen Athletinnen wie Laura Dahlmeier und Denise Herrmann-Wick mit ihren Erfolgen vorangingen, dahinter aber: viel Verunsicherung, viel aufzuholen. Kann das deutsche Biathlon jetzt aufatmen?

Die große Frage ist: Was sind die Ergebnisse für die WM wert?

Nun, zumindest gibt es selbst an trüben Tagen wie jenem in Oberhof Lichtblicke. An Tagen, an denen die Erfahrenen wie Preuß und Voigt Probleme haben. Julia Tannheimer, 19 Jahre alt, absolvierte den Sprint in Oberhof mit Rang neun als beste Deutsche vor Selina Grotian, 20, und Tannheimer ließ durchblicken, dass sie zuletzt Selbstvertrauen tanken konnte. „Am Schießstand habe ich mir schon gedacht, dass es gut läuft, da hat es die ganzen letzten Wochen eigentlich immer gut geklappt“, sagte sie.

Das ist vielleicht sogar die größte Errungenschaft dieses überraschenden Saisonstarts, bei dem Tannheimer schon Rang sechs und fünf belegt hatte. Für die jungen Athletinnen im Team sei es extrem wichtig gewesen, sagte Sportdirektor Felix Bitterling, „dass sie einfach wissen, sie können das“. Also in Bereiche vordringen, in denen die Besten geehrt werden. „Das ist auch wichtiger als irgendein Sieg“, sagte er. So vieles ist Kopfsache auch in ihrem Sport.

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Für die Deutschen gilt es nun, dieses Gefühl so lange wie möglich zu konservieren, im Idealfall bis zur Weltmeisterschaft in einem Monat. Die Verortung in der Weltspitze ist in diesem Jahr allerdings ungewöhnlich schwierig: Die internationale Konkurrenz schwächelt so sehr, dass es gerade keine Favoritinnen gibt.

Eine Riege prominenter Siegerinnen kämpft in dieser Saison mit Problemen: Lisa Vittozzi, die Gesamtsiegerin des Vorwinters aus Italien, plagen so schwere Rückenschmerzen, dass sie ihre Saison schon beendet hat; auch im Hinblick auf Heim-Olympia 2026. Norwegens Ingrid Landmark Tandrevold, mit zehn WM-Medaillen dekoriert und Weltcup-Gesamtdritte des Vorjahres, musste gar eine Herz-OP über sich ergehen lassen und absolvierte in Oberhof ihr erstes Rennen nach langer Pause, sie schaffte es auf Platz 15. Auch andere Durchstarterinnen der vergangenen Jahre wie Elvira Öberg aus Schweden und Lena Häcki-Groß aus der Schweiz strauchelten zuletzt. Eine Lücke, in die nun die deutschen Frauen gestoßen sind. Und natürlich wollen sie sich auch mit den Besten messen. „Wir freuen uns, dass Ingrid hier ist, weil sie eine starke Konkurrentin ist“, sagte Vanessa Voigt, und auch mit Blick auf Vittozzi: „Es ist nicht schön, wenn die Gesamtsiegerin des Vorjahres nicht dabei ist.“

Preuß hat genügend Vorsprung, um im Gelben Trikot nach Ruhpolding zu fahren

Oft war auch Franziska Preuß nicht dabei, wenn es um Zählbares ging, ihre große Anfälligkeit für Infekte scheint sie mit einer Operation an den Nasennebenhöhlen überwunden zu haben. Perfektes Timing, um sich vorn abzusetzen: Mit so großem Vorsprung wie Preuß ist seit ein paar Jährchen keine mehr ins neue Jahr gestartet. Selbst nach ihrem vermaledeiten Sprint am Donnerstag sorgen 185 Punkte vor der Zweitplatzierten Lou Jeanmonnot aus Frankreich für den Luxus, dass Preuß im Gelben Trikot zu ihrem Heim-Weltcup nach Ruhpolding fahren wird, unabhängig vom Ausgang des Verfolgungsrennens am Samstag. Dass sie ihren Vorsprung nicht schmelzen sehen will, spricht auch für ihr Selbstbewusstsein und ihren Wunsch, an der Spitze zu verbleiben.

„Es war heute kein guter Tag“, sagte Preuß nach dem Sprint enttäuscht, am Schießstand: drei Fehler, Böen plagten sie. Und auf der Loipe eben: mehr Matsch als Schnee, unangenehm fürs Gleiten der Skier. „Es weiß jedes Kind, es wird immer tiefer, wenn es regnet“, sagte sie, deswegen hätte sie sich ein Eingreifen der Jury gewünscht, um früher starten zu können. Seit dieser Saison teilt die Internationale Biathlon-Union (IBU) die besten Athleten in die dritte statt in die erste Startgruppe ein, um die Aufmerksamkeit der Zuschauer länger aufrechtzuerhalten. Bei widrigen Bedingungen können so Nachteile entstehen, wenn die Strecke wie in Oberhof mit zunehmenden Regen immer mehr aufweicht. Genau für solche Fälle sind Ausnahmen möglich – eine Beratung der Jury vor dem Rennen hatte eine solche aber nicht nach sich gezogen. „Das verstehe ich nicht“, sagte Preuß. Aber allein darin wollte sie ihren 28. Platz nicht begründet sehen.

Aufrappeln für den Verfolger war also angesagt für Preuß, und da hilft es manchmal, ein paar lachende Gesichter im eigenen Team zu sehen. Die Erfolge der Frauen zum Saisonstart hätten eine „sehr positive Stimmung in die ganze Mannschaft reinholt“, sagte Bitterling, so mancher hätte sich dadurch „angeschoben“ gefühlt. Und das ist dann schon: ein lange vermisster Zustand im deutschen Biathlon.

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