Süddeutsche Zeitung

Biathlon in Oberhof:Es geht noch was

Die deutschen Biathleten zeigen in Oberhof, dass mit ihnen noch zu rechnen ist. Franziska Preuß wird mit letzten Kräften Zweite im Massenstart.

Von Saskia Aleythe

Für das Maskottchen in Oberhof hatte Franziska Preuß nun endlich mal genügend Zeit. Der Schneemann mit grüner Mütze winkte ihr eifrig entgegen, Preuß winkte zurück, sie war da noch im Zielkorridor des Staffelrennens und konnte schon alles um sich herum auf sich wirken lassen. "Das war total schön, dass man das mal genießen konnte und auch mal nach links und rechts schauen", sagte die 26-Jährige. Gut, in früheren Jahren hätten ihr Tausende Zuschauer von den Tribünen zugejubelt, so musste sich ihr Blick an die heften, die da sein durften: Kameramänner, Trainer, Funktionäre, Maskottchen. Und natürlich die Teamkolleginnen: Die rannten jubelnd auf sie zu.

Schlussläuferin Preuß konnte schon Tempo rausnehmen als Führende des Staffelrennens am Samstagnachmittag, diesmal gab es kein Abrackern bis zum Schluss, keine verzweifelten Erklärungsversuche, kein Hadern mit dem eigenen Abschneiden. Und auch im Massenstart am Sonntag verschaffte sich Preuß mit einem zweiten Rang weitere Glücksgefühle, auf der Schlussrunde musste sie sich nur der Französin Julia Simon geschlagen geben. "In meinem Körper hat es sich sehr dramatisch angefühlt", sagte die Deutsche in der ARD über den Zweikampf, "ich bin aber wirklich froh jetzt." Ein lachendes Gesicht nach zwei Wochen Oberhof, viel besser hätte es im Thüringer Wald kaum enden können.

Das Strahlen der deutschen Biathletinnen war am Samstag selbst durch die FFP2-Masken zu erkennen, nur fünf Nachlader hatten sich Vanessa Hinz, Janina Hettich, Denise Herrmann und Preuß geleistet - ein Erfolg, der ihnen Mut machte, allzu oft war dieser ihnen zuletzt schon abhanden gekommen. "Das tut echt so gut, dass einfach mal alles gut gegangen ist", sagte Preuß, "das saugt jeder jetzt auf." Das Gefühl, ganz oben zu stehen, kannten sie aus diesem Winter noch gar nicht. Und wer will, kann in diesem Staffelsieg eine kleine Emanzipation sehen.

Franziska Preuß profitiert auch von wertvollen Tipps von ihrem Freund Simon Schempp

Der Erfolg von Oberhof ist der erste einer deutschen Frauenstaffel nach dem Rücktritt von Laura Dahlmeier, zuletzt hatte es vor fast zwei Jahren für den Podestplatz ganz oben gereicht, 2019 beim Weltcup in Canmore. "Früher war das fast normal, dass wir auf dem Podium stehen. Mittlerweile ist es eine richtige Ehre, weil alle anderen so stark geworden sind", sagte Vanessa Hinz, die allein fünf WM-Medaillen von Staffelrennen zu Hause hängen hat. Wie groß die Konkurrenz international geworden ist, ließ sich am Treppchen ablesen: Da landeten die Frauen aus Weißrussland auf dem zweiten Platz vor den Schwedinnen; Norwegen und Frankreich hatten sich mit je zwei Strafrunden selbst alle Chancen vermasselt. Wenn die Seriensiegerinnen aus Norwegen straucheln - und das tun sie hin und wieder -, haben auch viele andere Chancen.

Startläuferin Hinz hatte bisher einen Winter zum Vergessen erlebt, die WM-Zweite vom Einzel in Antholz ist wegen läuferischer Defizite noch nicht über einen 18. Rang hinaus gekommen. Doch sie meisterte ihre Sache in der Staffel nun gewohnt souverän, übergab als Dritte auf Janina Hettich. Die 24-Jährige brauchte stehend drei Nachlader, Denise Herrmann machte von Rang fünf aus Plätze gut und übergab als Zweite an Schlussläuferin Preuß. Schlussläuferin Preuß? Ja, die Kräfteverhältnisse im deutschen Team haben sich geändert.

Die Nummer eins im Team heißt gerade Preuß, nicht Herrmann. Acht Mal ist sie in diesem Winter unter die besten Zehn gelaufen, zweimal davon aufs Podium. An der Waffe ist sie sicherer als Herrmann, geborene Schnellschützin sowieso. Vor allem aber konnte sie ihre Laufzeiten verbessern, im Sommer hat Preuß die Arbeit mit ihrem früheren Trainer Tobias Reiter wieder aufgenommen. Ein bisschen Vorbereitung auf die neue Position in der Staffel hat sie von Freund Simon Schempp bekommen, der in früheren Jahren oft die Männerrennen siegreich ins Ziel brachte.

"Ich habe ja einen heißen Draht zu einem Profi-Schlussläufer, der hat mir noch mal den ein oder anderen Tipp gegeben", sagte Preuß, "der hat mir gesagt, dass ich es mir absolut verdient habe, heute der Schlussläufer zu sein, durch meine Leistungen. Das hat mir brutal gut getan. So bin ich dann an die Sache rangegangen." Stabile Nerven zeigte sie beim letzten Besuch am Schießstand: Während neben ihr die Weißrussin Elena Kruchinkina zwei Nachlader benötigte, versenkte Preuß alle Scheiben. "Da fällt schon sehr vieles ab", sagte Disziplin-Trainer Florian Steirer nach dem Erfolg erleichtert: "Der Sieg ist Balsam für die Seele."

Am Birxsteig ackerte sich Preuß sogar noch an die Spitze - doch Julia Simon kontert

Die erste Woche in Oberhof war für den Deutschen Skiverband noch mit Platzierungen jenseits des Podiums verstrichen, in der zweiten nun präsentierte man sich konkurrenzfähiger: Platz drei von Arnd Peiffer im Sprint sowie Rang vier von Erik Lesser; im Massenstart am Sonntag schob sich Lesser noch mal auf einen achten Platz, nachdem ihm eine Strafrunde beim letzten Schießen ein besseres Ergebnis verhagelt hatte. Schließlich waren es die Frauen, die sich ein letztes Mal in ihrem Massenstart den Birxsteig hochquälen mussten. Trotz zweier Strafrunden lief Preuß um den Sieg mit, ackerte sich an dem berüchtigten Anstieg sogar an Simon vorbei - doch die Französin schlug zurück. "Es war trotzdem ein schönes Rennen, auch wenn es wirklich hart war", sagte Preuß. Der Ausblick auf die WM im Februar in Pokljuka in Slowenien hat sich aufgehellt.

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