Biathlon in MünchenLiegendschießen am Olympiasee

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Ein Oktoberfest der anderen Art:  Mitte Oktober duellieren sich die besten Biathleten der Welt im Olympiapark. Es soll um den See gelaufen – und über den See geschossen werden.
Ein Oktoberfest der anderen Art:  Mitte Oktober duellieren sich die besten Biathleten der Welt im Olympiapark. Es soll um den See gelaufen – und über den See geschossen werden. (Foto: Internationale Biathlon Union)

Erstmals in der Biathlon-Geschichte findet 2025 ein Wettbewerb in München statt - im Oktober, im Olympiapark, auf Skirollern. Der Weltverband will Familien anziehen, die Athleten denken an „Party und Bier“ - und sehen darin „die Zukunft des Sports“.

Von Korbinian Eisenberger, Ruhpolding

Vor einem halben Jahrhundert zogen Männer mit Gewehren und Langlaufskiern los, sie machten sich auf zum Lödensee in Ruhpolding, der damals noch viel mehr Wasser hatte, und dann legten sie los. Das heißt, sie legten die Schießgewehre an und feuerten über den See hinweg auf runde Scheiben. 150 Meter waren die Ziele damals entfernt, zwölf Männer traten 1972 zur Ausscheidung für die Olympischen Winterspiele in Sapporo an. Würde man ihnen ein Lied dichten, es wäre eine Hymne an zwölf einsame Jäger, an einen See – und einen einzigen Zuschauer.

In Ruhpolding wird inzwischen etwas weiter südöstlich auf Scheiben geschossen. Fünf Kilometer vom Lödensee entfernt steht die Chiemgau Arena, wohin in diesen Tagen Zehntausende strömen, die neu komponierte Ruhpolding-Hymne („Mia san des beste Biathlonteam“) dröhnt bis zur Hörndlwand hinauf. Und der Zeitzeuge von einst gehört heute zu den prominentesten aller Gäste: Wolfgang Pichler ist inzwischen als Trainingsberater tätig, die Scheiben sind verglichen mit 1972 kleiner geworden und hundert Meter näher an die Schützen gerückt. Und am Mittwoch, da waren nicht mehr zwölf Athleten unterwegs, sondern 103.

Der Auftakt der deutschen Skijäger in Ruhpolding verläuft durchwachsen

Die Treffsicherheit der deutschen Skijägerschaft beim Auftaktrennen in Ruhpolding erwies sich als ausbaufähig. Justus Strelow gelangen im Einzel drei perfekte Serien, ehe er sich beim letzten Schießen stehend eine Strafminute einhandelte und Elfter wurde. Johannes Kühn (zwei Fehler) wurde 17., Philipp Nawrath (drei Fehler) kam auf Rang 22 ins Ziel. Es gewann der Norweger Vebjörn Sörum vor dem Franzosen Emilien Claude (beide null) und Andrejs Rastorgujevs aus Lettland (ein Fehler).

Über den Lödensee zu Ruhpolding ist indes schon lang keine Gewehrkugel mehr geflogen. Bis heute eignen sich Seen aber zu diesem Zweck, zumindest so lange dort der Bootsverkehr ruht. Zu diesem Schluss jedenfalls ist der Biathlon-Weltverband (IBU) gekommen, der am Mittwoch eine Neuerung präsentierte.

Zukunft des Wintersports
:"Man sollte Biathlon mit Radfahren oder Laufen verbinden"

Als Biathlon-Trainer genießt Wolfgang Pichler international Legendenstatus. Mit 68 Jahren kämpft er nun um die Zukunft des Weltcups in Ruhpolding - und angesichts der Erderwärmung auch um die Zukunft einer ganzen Sportart.

SZ PlusVon Korbinian Eisenberger

Biathlon wird erstmals in seiner Geschichte nach München kommen. In diesem Jahr und dann 2027 soll die Saisoneröffnung in der Großstadt stattfinden. Am Wochenende vom 18. bis 19. Oktober 2025 „werden die besten Biathleten der Welt“ im Olympiapark antreten, erklärte IBU-Generalsekretär Max Cobb in Ruhpolding. Die 1,7 bis 1,8 Kilometer lange Schleife soll um den Olympiasee führen – und die Schießbahnen verlaufen über den See, wie eine Animation zeigt. Dreimal geht es in die Schleife, je einmal wird stehend und liegend geschossen. Wer danebentrifft, muss nicht wie sonst in die Strafrunde, also keine Extrameter laufen. „Wahrscheinlich wird es eine Strafbox geben“, teilt die IBU mit. Eine Art modernen Karzer, wo Sünden am Schießstand verbüßt werden.

Der zweitägige Wettbewerb kommt einem Oktoberfest der anderen Art gleich. Er solle Familien aus der Stadt den Zugang zum Biathlonsport erleichtern, so die Intention der IBU. 5000 bis 7000 Zuschauer sollen im Amphitheater Platz finden, „oben drüber wird noch eine Tribüne aufgebaut“. Im sogenannten Supersprintformat starten insgesamt 60 Biathleten im Vorlauf, aufgeteilt in vier 15er-Gruppen. Vorstellbar sei, dass sich die drei Schnellsten jedes Vorlaufs direkt fürs Finale qualifizieren – sowie drei Lucky Loser. Gelaufen wird auf Skirollern, also ohne Kunstschnee. Weltcuppunkte werden nicht verteilt, dennoch hätten sämtliche Verbände zugestimmt, so die IBU, dass ihre besten Athleten teilnehmen – sofern gesund.

Sause mit Strafbox gefällig? Mit München verbinde sie vor allem „Party und Bier“, erklärt die frühere Weltmeisterin Dorothea Wierer aus Italien. „Das ist die Zukunft des Sports“, sagt der Deutsche Danilo Riethmüller, der am Mittwoch so oft daneben schoss, dass den Rehen am Zirnberg bange werden musste. Es sei aber erwähnt, dass der 25-Jährige die zweitschnellste Laufzeit aller 103 Athleten aufwies und ohne seine sieben Fehler gewonnen hätte. Franziska Preuß aus Ruhpolding, die an diesem Donnerstag im Einzel im gelben Leibchen der Weltcupersten zum Heimspiel antreten wird, erklärt, dass sie den Olympiapark bisher als Konzert-Location kenne. Ihr gefällt die Vorstellung, dort Runden zu drehen – und wie einst in Ruhpolding über einen See zu schießen.

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