Biathlon: Männer:Der vielleicht größte Unglücksrabe

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Johannes Kühn ist in dieser Saison fester Bestandteil des Weltcup-Kaders der deutschen Biathleten. (Foto: Alexander Hassenstein/Getty Images)

Johannes Kühn kämpft um die Olympia-Nominierung des Deutschen Skiverbands.

Von Joachim Mölter, Ruhpolding

Man darf gespannt sein, mit welcher Gemeinheit das Schicksal an diesem Sonntag den Biathleten Johannes Kühn quält, wenn der beim Weltcup in Ruhpolding zum Massenstart antritt (12.15 Uhr/ZDF und Eurosport). Der 26-Jährige ist ein Pechvogel, vielleicht der größte Unglücksrabe, den das deutsche Team je gesehen hat. Bereits 2012 debütierte er im Weltcup, und immer, wenn man denkt, jetzt habe er den Anschluss geschafft, passiert ihm ein Missgeschick, das ihn zurückwirft, bis in den zweitklassigen IBU-Cup, es ist ein Drama.

Vor zwei Jahren durfte Johannes Kühn in der Staffel mitlaufen beim Heim-Weltcup in Ruhpolding, der für ihn noch ein bisschen heimeliger ist als für die anderen Deutschen. Der Zollwachtmeister startet für den benachbarten WSV Reit im Winkl, er trainiert die meiste Zeit in Ruhpolding, er kennt dort jede Schneeflocke beim Vornamen. Kühn lief damals als Erster in den Schießstand hinein - und als 16. heraus. Der 1,87 Meter große Athlet hatte im Stehendanschlag alle fünf Schuss daneben gesetzt und auch beim Nachladen nur mit zwei von drei Kugeln getroffen. Nach dem ersten Malheur sei er unsicher geworden, erzählte er damals, "und dann hat das Unglück seinen Lauf genommen." Er drehte drei Strafrunden, die Siegchance war weg.

In der vergangenen Saison kam Johannes Kühn dann gar nicht im Weltcup zum Einsatz, "da war dann schon eine Unsicherheit da", als er zu Beginn dieses Winters wieder ins A-Team berufen wurde, erzählte er. Als er sich nach ordentlichen Ergebnissen wieder einigermaßen sicher fühlte, bekam er vorige Woche in Oberhof eine weitere Chance in der deutschen Staffel. Man ahnt, dass es nicht gut ausging.

Die Weltcup-Woche fing verheißungsvoll an und war doch wieder eine gemeine Quälerei des Schicksals

Der ohnehin dichte Nebel am Oberhofer Grenzadler verdichtete sich just in den Momenten, als er auf seine Etappe ging, und als Kühn zum Schießstand kam, war alles blickdicht. "Ich habe durch den Diopter geschaut und nichts gesehen. Ich habe über den Diopter geschaut und nichts gesehen. Keine Scheibe, keinen Schusskasten, gar nichts", erzählte er: "Und wenn ich nix sehe, weiß ich auch nicht, auf was ich schießen soll."

Er wartete einen Moment, so wie die Konkurrenten neben ihm auch, aber irgendwann musste es ja weitergehen. "Ich habe auf Verdacht geschossen", gibt er zu, und dass er "schon ein bisschen verzweifelt gewesen" sei in dieser Situation: "Es ist nicht so cool, wenn man weiß, man muss jetzt gleich fünf Strafrunden drehen." Insgesamt waren es dann neun Extraschleifen, weil er bei den beiden Schießeinlagen ja doch einmal getroffen hatte. "Das war Zufall", sagt er, und dass es "nicht schön war, neun Strafrunden bei einem Heim-Weltcup zu drehen". Dass alle Athleten und Trainer das Rennen für irregulär hielten, war kein Trost.

Nun ist Johannes Kühn also wieder daheim in Ruhpolding im Einsatz, die Weltcup-Woche hat verheißungsvoll angefangen für ihn im Einzelrennen über 20 Kilometer am Mittwoch und war doch wieder nur eine gemeine Quälerei des Schicksals: Er belegte Platz 16.

Kühn macht sich weiter auf die Suche nach seinem Glück

Dazu muss man wissen, was der Deutsche Skiverband (DSV) für die Olympia-Nominierung verlangt: entweder einen Platz unter den besten Acht oder zwei Ränge unter den Top 15 bei den Weltcups. Beim Saisonauftakt in Östersund/Schweden ist Kühn im Sprint, seiner besten Disziplin, Neunter geworden - 0,7 Sekunden hinter dem Achten. Die geforderte zweite Platzierung unter den ersten 15 verpasste Kühn am Mittwoch nun um 1,9 Sekunden.

Das war freilich noch nicht genug an Drama: Erst der wirklich letzte der 107 Läufer hatte Kühn aus den Top 15 verdrängt - und das war zu allem Übel sein Zimmergenosse Roman Rees gewesen. Der Schwarzwälder wurde letztlich Vierter und sicherte sich damit seinen Olympia-Platz. Rees' Freud war Kühns Leid. "Was hätte er machen sollen", fragt der Pechvogel, "hätte er 17. werden sollen?"

Johannes Kühn macht sich also weiter auf die Suche nach seinem Glück, er ahnt, dass er es nicht im Massenstart am Sonntag finden wird. "Das wird schwierig, das wird immer ein hektisches Rennen", glaubt er. Aber es gibt ja nächste Woche noch eine Qualifikationschance, beim Weltcup in Antholz/Italien. Da steht dann auch wieder ein Sprint auf dem Programm, seine Lieblingsdisziplin. Man darf gespannt sein, welche Gemeinheit das Schicksal noch für Johannes Kühn bereithält.

© SZ vom 14.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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