Biathlon:Kommt Laura Dahlmeier überhaupt zurück?

Laura Dahlmeier

Biathletin Laura Dahlmeier blickt angesichts ihrer gesundheitlichen Probleme etwas skeptisch in die Zukunft.

(Foto: Michael Kappeler/dpa)
  • Die angekündigte Pause von Laura Dahlmeier sorgt in der Biathlon-Szene für Aufregung.
  • Neben der Sorge um den Gesundheitszustand der besten deutschen Biathletin bleibt die Frage: Wie lange will Dahlmeier überhaupt Leistungssport betreiben?
  • Schon einmal, bei Magdalena Neuner, wurde der Biathlon-Verband von einem Rücktritt überrascht.

Von Volker Kreisl

Es könnte mit Pyeongchang in Südkorea zu tun haben. Oder vielleicht auch mit dem Olympiaort Vancouver in Kanada. Womöglich liegen die Ursachen aber auch in Garmisch-Partenkirchen, der Marktgemeinde in Oberbayern, die umgeben ist von hohen Bergen und Kletterwänden. Oder doch in Uschguli?

Auch das am höchsten gelegene georgische Kaukasusdorf könnte indirekt zu tun haben mit der Aufregung, die plötzlich um Doppel-Olympiasiegerin Laura Dahlmeier aufgekommen ist. Die deutsche Biathletin, mit Abstand die Weltbeste ihres Sports, hat eine Trainingspause angekündigt und wird mit großer Wahrscheinlichkeit den Saisonauftakt Ende November verpassen. Der Grund dafür liegt in einer allgemeinen Schwächung nach einer stressigen Saison mit den Olympischen Spielen in Pyeongchang. Dem Winterstress folgte eine nicht planmäßig verheilte Verletzung beim Radeln, eine lästige Weisheitszahn-Entnahme und ein längerer Infekt.

Diese Serie stellt zunächst noch nichts Besonderes dar für Winter-Ausdauersportler, deren Welt nicht nur von Schnee und Sonne geprägt ist, sondern auch von Bazillen, Vereiterungen und Entzündungen. Eine normale Biathleten-Pause ist daher nichts Besonderes, eine Pause von Dahlmeier relativ kurz vor dem Saisonstart alarmiert jedoch Zuschauer, Fans, Skiklubs und Medien. Dahlmeier hat viele Interessen, wer weiß schon, wie lange ihre Auszeit dauert - und ob sie überhaupt zurückkommt.

2012 trat Magdalena Neuner überraschend zurück

Dahlmeier hat erklärt, sie werde in Absprache mit den Ärzten erst einmal weniger bis gar nichts trainieren. "Das Immunsystem ist aktuell ziemlich geschwächt", sagte Klaus-Jürgen Marquardt, der Mannschaftsarzt des Deutschen Skiverbandes (DSV). Hohe Intensitäten, große Trainingsumfänge und einfach nur Stress, all das sei gerade "absolut kontraproduktiv". Wie lange die Auszeit dauert, kann der Verband noch nicht abschätzen. Aber auch das hat es schon früher gegeben, Auszeiten mit sicherer Rückkehr - das Problem ist nur, Dahlmeier gehört nicht zu jenen von früher, ihre Generation tritt anders auf.

Die meisten weltbesten Biathletinnen von damals, zum Beispiel die Deutsche Uschi Disl, die Schwedin Magdalena Forsberg oder die Norwegerin Liv-Grete Poirée versuchten, nachdem sie das Top-Niveau erreicht hatten, so lange wie möglich durchzuhalten. Die erste Spitzenkraft, die dann das Privatleben der Medaillenjagd über die immer gleichen Pisten vorzog, war Magdalena Neuner. Die Rekordweltmeisterin trat 2012 mit gerade einmal 25 Jahren zurück, ausschlaggebend war auch ihre Enttäuschung über die Olympischen Spiele 2010 in Vancouver.

Da hatte sie nun endlich Gold gewonnen, aber der Stress und der Rummel trübten den Genuss eines Ereignisses, das eigentlich ein Fest sein sollte. Auch die Weißrussin Daria Domratschewa beendete im Alter von 31 Jahren kürzlich die Karriere, anders als Poirée machte sie als Mutter nicht weiter. Die aktuelle Auszeit der Tschechin Gabriela Koukalova hatte zunächst mit Muskelproblemen zu tun, womöglich war aber ihr Training übersteuert worden. Ob die 28-Jährige je zurückkehrt, ist ungewiss.

"Es ist nicht so, dass Laura Trübsal bläst"

Laura Dahlmeier hat schon immer auf einer Art Parallel-Auszeit bestanden, sie braucht neben dem Biathlon einen Ausgleich, der über Lesen, Netflix und Shoppen hinaus geht. Dahlmeier fährt manchmal für die Bergwacht verletzte Skifahrer mit dem Akia zu Tal, sie kletterte schon auf den El Capitan im Yosemite-Nationalpark in Kalifornien, sie wanderte im Himalaya und in den Anden und in diesem Sommer eben in Georgien, ausgehend vom Basislager in Uschguli. Dort, berichtete sie dem Münchner Merkur, "bist du wirklich eingetaucht in eine ganz andere Welt".

Die Frage, ob diese ganz andere Welt nicht demnächst faszinierender ist als Goldmedaillen und Blumensträuße, stellt sich schon länger, und vermutlich wird sie immer dringender. Für die deutschen Biathletinnen wäre es dennoch wichtig, dass Dahlmeier das Biathlon, den Zweikampf gegen Erschöpfung und die eigenen Nerven, noch ein paar Jahre herausfordernd genug findet und weitermacht. Denn das restliche Frauenteam besteht eingangs des nächsten Zyklus in Richtung Olympia 2022 mehrheitlich aus älteren Kolleginnen mit unsicherer Prognose.

Doch wie es aussieht, ist die Sorge vor einem plötzlichen Rückzug Dahlmeiers übertrieben. Fürs Biathlon, sagt sie, brauche sie drei Dinge; zunächst Ehrgeiz und Spaß, beides hatte sie sich nach dem Winterstress unter anderem in Georgien zurückgeholt; im Sommer erklärte sie, sie sei wieder "supermotiviert". Hinter dieser schwer abschätzbar langen Auszeit dürften also keine Motivationsprobleme stecken, wie sie zuweilen große Skispringer ereilen. "Es ist nicht so, dass Laura Trübsal bläst", sagt DSV-Sprecher Stefan Schwarzbach.

Bleibt noch die dritte Komponente, die Dahlmeier für ihren Sport braucht, nämlich die Gesundheit. Da hat sich einiges im Zeitplan verzögert, jedoch nicht so stark, dass die ganze Saison samt der Weltmeisterschaften in Schweden in Gefahr wäre. Ein Rückzug samt neuem Anlauf ist in ihrer Lage wohl die klügste Entscheidung, gerade weil die WM erst im März stattfindet.

Dennoch, die Entscheidung, mal alles ruhen zu lassen, "fällt mir wirklich nicht leicht", hat Dahlmeier noch gesagt, und auch, dass ihr Ziel weiterhin die WM 2020 in Antholz/Südtirol sei. So ein Bekenntnis klingt bei vielen Sportlern beschwichtigend, aber die Akia-Fahrerin und Kletterin Dahlmeier wirkt nicht so, sie meint das schon, was sie sagt.

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