Biathlon:In der Superstar-Lücke

BIATHLON PREUSS Franziska (GER) am 15.01.2020 während des IBU U Biathlon World Cup - Sprint Frauen - in der Chiemgau Are

Am Schießstand fehlerfrei, aber nach Erkrankung noch etwas langsam: Biathletin Franziska Preuß.

(Foto: Ernst Wukits/imago)

Der Wiederaufbau eines schlagkräftigen Frauenteams könnte Jahre dauern. Die beste Chance auf eine WM-Medaille eröffnet sich diesmal in der Staffel.

Von Volker Kreisl, Ruhpolding

Die Mixed-Zone von Ruhpolding ist neu geordnet. Die Biathleten können sich nun erst warme Sachen anziehen, ehe sie den Parcours vorbei an den Medien antreten. In trockenen Kleidern erkälten sie sich nicht so schnell und können ausführlicher vom Rennen berichten, vor allem, wenn das Rennen ein Erfolg war. Das ergibt also viel Zeit und Raum für Antworten und Geschichten, über Schießkrimis und Zielsprints.

Und tatsächlich - in den ersten Tagen des Weltcups von Ruhpolding standen und strahlten am Reporterzaun erst Vanessa Hinz, 27, und die genesene Franziska Preuß, 25, sie hatten einen achten und 14. Platz im Sprint errungen und jede für sich einen Fortschritt gemacht: kein Schießfehler, dazu eine langsam steigende Form. Und am nächsten Tag kamen nun noch die Kollegen vom Männerteam und plauderten von einem Sprinterlebnis, wie sie es zuletzt selten hatten. Stille Luft, lautes Publikum und drei unter den besten Zehn: Benedikt Doll, der Sprint-Weltmeister von 2017 wurde Dritter und sagte: "Das tut richtig gut und gibt Selbstvertrauen." Zudem wurde der Nesselwanger Philipp Nawrath, 26, gerade aus dem IBU-Cup ins Team beordert, überraschend Siebter, Johannes Kühn (Reit im Winkl) belegte Rang neun.

Die Männer haben also plötzlich durch Nawraths Erfolg fünf Leute, die nach verbandsinternen Regeln für die WM in Antholz/Südtirol in einem Monat qualifiziert sind. Die Frauen dagegen sind bislang nur zu dritt. Hinz und Preuß geben sich motiviert und hoffen auf Medaillen, natürlich auch Denise Herrmann, die trotz ihres Ausrutschers in Ruhpolding beste Deutsche bleibt. Der Rest aber bangt darum, dass er überhaupt mitkommen darf zur WM.

Die DSV-Männer strahlen: Doll wird Dritter im Sprint, der unerfahrene Nawrath Siebter

Dabei hatten sich bei den Deutschen fast immer eher zu viele als zu wenige Biathletinnen qualifiziert. 2013 wurde einmal die hochbegabte 19-jährige Laura Dahlmeier zur WM nachgeholt, wegen der Formschwächen im Team. 2013 war aber die Ausnahme, seit den späten Neunzigern war das Frauenteam immer voll besetzt mit lauter Podestläuferinnen. Nun aber sind es wohl nur drei offiziell Qualifizierte, denn dass Karolin Horchler, Maren Hammerschmidt oder die junge Janina Hettich in drei Versuchen noch zweimal unter die besten 16 oder einmal unter die besten acht kommen, ist unwahrscheinlich. Am Mittwoch landeten alle drei jenseits der besten 38, vermutlich wird also jemand per Ausnahmeregel nachnominiert.

Diese Flaute kam nicht abrupt auf, nicht aufgrund von Pech oder Verletzungen, sie zeichnete sich schon seit anderthalb Jahren ab, seit Dahlmeier zunächst krank wurde, noch einmal zurückkehrte und schließlich mangels Motivation abtrat. Die Podest-Erfolge der Biathletinnen wurden rarer, allerdings gab es auch Höhepunkte wie den WM-Titel von Denise Herrmann 2019. Deutlich wurde aber insgesamt: Im Schatten von Dahlmeier hatte sich die Mehrheit nicht sonderlich weiterentwickelt.

So eine Superstar-Lücke kann die Übrig gebliebenen überfordern, denn sie sind es nicht gewohnt, Verantwortung fürs Ganze zu übernehmen. "Wenn die Beste wegfällt, dann stehen andere Nationen auch schlechter da", sagt Kristian Mehringer, als Bundestrainer zuständig für die Frauen.

Ein weiterer Grund für die aktuell schwere Phase liegt im Nachwuchsmangel. Schon länger raunt niemand mehr von einer 19-jährigen DSV-Juniorin, die bereits regelmäßig gewinne - es gibt sie derzeit nicht. Nicht auszuschließen ist auch, dass manche Hochtalentierte früh aufgab, sei es, weil der Weg zu weit erschien oder weil die Mühen einer Biathlon-Karriere vielleicht doch nicht lohnen. Der Nachwuchs ist eben nur auf gewöhnliche Weise talentiert und braucht Jahre, bis er im Weltcup ankommt. Doch wie stark er in dieser Zeit gefördert und motiviert werden muss, darüber schien man sich intern nicht ganz einig zu sein. Einerseits erklärte DSV-Sportdirektorin Karin Orgeldinger vor einem Jahr: "Erfolg funktioniert, wenn junge Leute von unten nachdrücken." Andererseits sagte Cheftrainer Mark Kirchner, er brauche keine 20 Biathleten auf hohem Niveau: "Die kann ich gar nicht alle einsetzen."

Jedenfalls hat die Disziplin in Bernd Eisenbichler nun einen neuen Sportlichen Leiter, und sie soll ein neues Trainingskonzept bekommen. Mit einem modernen System, das schon in den Vereinen gelehrt wird und sich an den Entwicklungen im Biathlon-Ausland orientiert. "Ich weiß schon, was in Skandinavien so abläuft", sagt Mehringer, "und auch in anderen Disziplinen wie im Radsport."

Für diese Saison hilft es den Biathletinnen indes noch nicht. Zunächst mal müssen Herrmann, Preuß, Hinz und vielleicht eine weitere Teamkollegin sehen, dass sie wenigstens eine WM-Medaille holen. Die beste Chance dafür eröffnet sich wohl in der Staffel, und eine letzte Bewährungsprobe bietet wiederum dieser Freitag, ab 14.30 Uhr in Ruhpolding.

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