Biathlon:"Ich würde gerne wissen, was sie frühstückt"

Biathlon Weltcup Oberhof

Führt den Gesamtweltcup in diesem Winter an: Biathletin Anastasija Kuzmina aus der Slowakei.

(Foto: dpa)
  • Anastasija Kuzmina hat in diesem Winter schon vier Rennen gewonnen und führt den Gesamt-Weltcup an.
  • Die Rivalinnen sind ob der Leistungssteigerung misstrauisch, aber die Slowakin hat in den vergangenen Jahren bewiesen, dass sie zu den besten Athletinnen gehört.
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Von Saskia Aleythe, Oberhof

Anastasija Kuzmina wollte sich erst mal entschuldigen. Das Vergehen der 33-Jährigen war im Grunde gar keines, nur einmal hatte sie kurz die Faust schüchtern in den Himmel gestreckt, nachdem sie im Verfolgungsrennen von Oberhof am Schießstand ohne Fehler geblieben war. "Es tut mir leid für meine Emotionen", sagte Kuzmina später bei der Pressekonferenz für die drei Bestplatzierten, "aber das musste alles mal raus." Sie ist eine höfliche Person, vier Rennen hat die Biathletin in dieser Saison schon gewonnen, mehr als jede andere im Weltcup. So konstant gut wie jetzt war sie noch nie.

Kuzmina ist also der Name der bisherigen Olympia-Saison, nicht Dahlmeier und auch nicht Koukalova, die zwei Besten vom Vorjahr. Das liegt zum einen daran, dass sich Laura Dahlmeier erst wieder in Form bringen muss nach erkältungsbedingten Rückschlägen und Tschechiens Gabriela Koukalova nach Achillessehnenproblemen noch gar nicht im Weltcup gelaufen ist. Zum anderen liegt es auch an der starken Kuzmina, die ein besonderer Ruf begleitet, wo immer sie antritt: Erstaunlich sei ihr Auftauchen, so alle vier Jahre mal, ausgerechnet zur Olympia-Saison. 2010 und 2014 gewann Kuzmina Gold im Sprint, was sonst keiner anderen Biathletin bei zwei aufeinanderfolgenden Olympischen Spielen gelungen war.

"Sie war in Vancouver stark, sie war in Sotschi stark, nun wieder", sagte etwa Kaisa Mäkäräinen in Oberhof, "ich weiß auch nicht, wie sie das macht." Die Finnin duellierte sich in der vergangenen Saison noch um die besten Laufzeiten mit Dahlmeier, nun wurde sie in vier von neun gemeinsamen Rennen von Kuzmina mit ihren auffällig schnellen Beinen auf der Loipe geschlagen. "Ich würde gerne wissen, was sie frühstückt", sagte Vanessa Hinz. Und meinte weiter: "Dass sie wieder gewinnt, dass es aller vier Jahre komischerweise so ist - es ist so, wir werden sehen." Wobei sich manche Fakten bei Kuzmina doch als weniger erstaunlich erweisen. Und andere als mehr.

Kuzmina ist in Sibirien geboren, als Schwester von Anton Schipulin, und startete bis 2008 für Russland. Aus Liebe zu dem israelischen Langläufer Daniel Kuzmin zog sie in die Slowakei, wo Kuzmin wohnte, sie bekamen 2007 ein Kind und heirateten. Aus Anastasija Schipulina wurde Kuzmina, sie ließ sich einbürgern. Als es dann auf ihre ersten Spiele zuging in Vancouver, war sie 25 Jahre alt und schon Silber-Gewinnerin im WM-Massenstart 2009 und mit zwei Podiumsplätzen ausgestattet, der Sieg in Vancouver vor Magdalena Neuner war dann tatsächlich ihr erster. "Ich wundere mich selbst, dass es geklappt hat, normalerweise ist Magdalena viel stärker als ich", sagte Kuzmina damals.

Im Sommer 2015 bringt sie ihr zweites Kind auf die Welt

Uwe Müßiggang, zu jener Zeit noch Bundestrainer der deutschen Frauen, ließ weniger Verwunderung durchblicken, "ich wusste, dass sie schnell ist, die Leistungsdichte ist groß geworden". Bis zu den nächsten Spielen schaffte es Kuzmina im Gesamtweltcup immer in die Top Ten, sie feierte zwölf weitere Podiumsplatzierungen, gewann 2011 WM-Bronze im Sprint und war 2012/13 läuferisch sogar besser unterwegs als in der Olympiasaison darauf. In Sotschi, den vom russischen Staatsdoping geprägten Spielen, lief sie wieder zu Gold, diesmal mit null Fehlern im Schießen vor der Russin Olga Wiluchina. Diese trägt nun aber keine Medaille mehr: Sie wurde vom Internationalen Olympischen Komitee wegen Dopings gesperrt. Kuzmina hatte damals 20 Sekunden Vorsprung vor ihr.

Dass danach nichts mehr von ihr zu hören war, hat einen recht triftigen Grund: Im Sommer 2015 brachte sie ihr zweites Kind zur Welt, setzte zwei Saisons komplett aus, um 2016 wieder in den Weltcup einzusteigen. In der Gesamtwertung landete sie auf Rang 40, mit Laufzeiten jenseits der besten Zehn. "Ich habe meine Tochter gestillt, bis sie ein Jahr und acht Monate alt war, deswegen war die Saison dann nicht so besonders", sagt sie selber, sie waren dann zusammen im Weltcup unterwegs - doch ein richtiger Profiathlet konnte sie nicht sein. "Ich hatte weniger Zeit zur Regeneration und konnte auch nicht alle Trainingseinheiten mitmachen", sagt Kuzmina, nun sind die Kinder bei den Großeltern, und die Biathletin kann sich wieder mehr auf den Sport konzentrieren. "Ich vermisse meine Kinder. Aber wenn du fit sein willst für die Weltspitze, musst du dich entscheiden", sagt sie.

Kuzmina traniert mit unterschiedlichen Teams

Auf die harte Arbeit des ganzen Teams um sie herum verweist sie immer wieder, wenn es um den jetzigen Erfolg geht, ihr Mann ist auch ihr Trainer. Weil das slowakische Team klein ist, trainiert sie oft auch mit anderen Nationen. Mit dem russischen etwa, doch es ist nur eines von vielen. "Vor der Saison im November habe ich mit den Schweizern trainiert", sagt Kuzmina, "im Oktober waren es unterschiedliche Teams. Es ändert sich immer."

Sie selber will nun die kommenden Wochen möglichst reibungsfrei überstehen, "es ist nicht sicher, dass es jetzt auch bei Olympia mit guten Leistungen klappt", sagt sie, auch im Schießen war sie früher fehleranfälliger als momentan. Frauen-Bundestrainer Gerald Hönig rechnet mit ihr schon jetzt als Konkurrentin für seine Athletinnen in Pyeongchang. "Das ist nicht irgendwer, der mal so daherkommt und kurz aufblitzen lässt", sagte er in Oberhof, "Kuzmina ist dafür bekannt, dass sie in der Lage ist, sich mit ihrem Betreuerteam immer sehr gut auf Höhepunkte vorzubereiten."

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