Süddeutsche Zeitung

Biathlon:"Das ist österreichische Geschichte"

Die Tirolerin Lisa Theresa Hauser ist die Biathletin der Stunde: Fünf Podestplätze, darunter ein Sieg, nie war eine Österreicherin besser. Mit großen Hoffnungen geht es jetzt zur WM.

Von Saskia Aleythe

Wie sie das jetzt verarbeiten soll? Lisa Theresa Hauser wusste es am Wochenende in Antholz selbst noch nicht so genau. Schritt eins wäre wohl: zu begreifen, dass die letzten Wochen kein Traum waren. "Ich kann immer noch nicht glauben, dass das alles wahr ist", sagte die Biathletin zuletzt, hinter der Österreicherin liegen in dicht gedrängter Form: Erfolge, Erfolge, Erfolge. Schon einer davon hätte ausgereicht, um ein bisschen auszurasten, und nun kam alles in drei Wochen zusammen: vier dritte Plätze, dazwischen sogar ein Sieg, es war der Hauser-Januar. "Ich bin ein bisschen sprachlos, das ist österreichische Geschichte", sagte die 27-Jährige nach ihrem ersten Platz im Einzel in Antholz und verdrückte Tränen.

Ihr achtes Jahr bestreitet sie nun schon im Weltcup bei den Besten, sieben davon ohne Podiumsplatz. Katharina Innerhofer hatte es 2014 schon mal zu einem Weltcup-Sieg im Sprint gebracht, Hausers Triumph im Einzel in Antholz war nun also der zweite einer Österreicherin überhaupt. Frau Hauser hat sich gemausert. Dass sie sich für die ganz große Nummer das Wochenende der Streif-Abfahrt ausgesucht hat, war für die Aufmerksamkeit im Land vielleicht nicht das beste Timing. Sei es drum: Hauser weiß ja wie das ist, im Schatten der stolzen Ski-Alpin-Nation ihrem Sport nachzugehen.

Österreich und Biathlon, das war zuletzt nicht die größte Liebe, schon gar nicht bei den Frauen: Noch in der Vorsaison trainierte Hauser notgedrungen bei den Männern mit, eine einheitliche Trainingsgruppe für die Biathletinnen gab es gar nicht. Erst im Frühjahr 2020 wurde in Markus Fischer ein Cheftrainer berufen. Der Bruder des früheren Staffel-Olympiasiegers und -Weltmeisters Fritz Fischer war schon einige Zeit für den Österreichischen Skiverband (ÖSV) tätig, doch die Kompetenzen konnten sich jetzt besser verteilen: An seiner Seite ist der vom Deutschen Skiverband (DSV) übergesiedelte Gerald Hönig seit vergangenem Frühling für die Trefferbilder der Frauen zuständig, Fischer konnte sich den läuferischen Qualitäten der Frauen widmen. "Ich habe viele neue Impulse bekommen", sagt Hauser, "das hat sich anscheinend bemerkbar gemacht."

Auf der Strecke kann Hauser mittlerweile mit den Besten mithalten, läuferisch hat es sonst meistens nicht für ganz vorne gereicht. "Ich hätte nie gedacht, dass ich mein erstes Podium im Sprint hole", sagte sie deshalb auch nach Rang drei in Oberhof, "ich dachte eher, das passiert in einem Rennen, in dem wir viermal Schießen." Hausers Zeiten haben sich im Vergleich zur Vorsaison um drei Prozent verbessert, das vermehrte Krafttraining im Sommer hat sie athletischer gemacht. "Lisa war immer ehrgeizig und hat die Laufstärke mitgebracht. Im Ausdauersport braucht man die Trainingsjahre", sagte ihre frühere Trainerin Sandra Flunger den Salzburger Nachrichten.

Flunger begleitete Hauser seit ihrer Kindheit. Als es im ÖSV Querelen gab wegen der Installation eines neuen Trainers, blieb Hauser bei der dann privaten Trainingsgruppe um Flunger, der damals auch Simon Eder angehörte. Zusammen gewannen sie zweimal eine Single-Mixed-Staffel im Weltcup, ein bisschen Podiums-Erfahrung konnte Hauser also schon vor diesem Winter sammeln.

Der Einstieg in den Sport war für Hauser vielversprechend gewesen: Auch wenn sie auf dem Skigymnasium in Saalfelden noch als Langläuferin begann, gelang ihr der Umstieg auf die Waffe als Teenagerin fast mühelos. Bei der Junioren-WM 2013 im heimatnahen Obertilliach konnte Hauser schnelle Erfolge feiern: Im Einzel gewann sie Silber, Gold ging damals an eine gewisse Laura Dahlmeier. Dahlmeier wurde Doppel-Olympiasiegerin, Hauser gewann auch mal einen Preis, 2017 wurde sie vom Deutschen Olympischen Sportbund für Fairplay ausgezeichnet: Nachdem sie Vanessa Hinz in Oberhof auf den Stock getreten war, hatte Hauser ihr kurzerhand ihren eigenen gegeben. Sie ist beliebt in der Szene.

Doch während Dahlmeier zur Seriensiegerin wurde, definierte Hauser ihre Ziele in ganz anderen Sphären. "Vor der Saison hieß mein Ziel, aufs Podium zu kommen", sagte Hauser nun, "natürlich erhoffe ich mir jetzt noch mehr." So ein Formanstieg vor einer WM kann schon verheißungsvoll sein, am 10. Februar steht das erste Rennen in Pokljuka in Slowenien an. Im Gesamtweltcup ist Hauser bis auf Rang fünf nach oben geklettert, punktgleich mit der besten Deutschen Franziska Preuß, die ihre Laufzeiten in diesem Winter ebenfalls um drei Prozent verbessern konnte.

Und nun, ist Frau Hauser bereit für eine WM-Medaille? "Ich muss auf meinen Körper hören und gesund bleiben", sagt sie selber, die gestiegenen Ansprüche auszuformulieren, traut sie sich noch nicht. Sie weiß auch, was alles schief gehen kann: Bei der WM 2019 in Östersund schoss sie einmal auf die falschen Scheiben und musste etliche Strafrunden drehen, beim Massenstart in Oberhof stürzte sie neulich auf der letzten Runde, im Kampf ums Podium. Ausgerechnet in der Abfahrt, ausgerechnet sie, geboren in Reith bei Kitzbühel.

Im Sommer hat sie dort im Eisladen ihrer Mutter beim Verkaufen ausgeholfen, Hauser liebt das familiäre Leben abseits des Trubels. Womöglich wird der demnächst ein bisschen größer.

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