Biathlon:Der Trainer kommt nicht hinterher

OSTERSUND SWEDEN DECEMBER 5 2015 Biathlete Arnd Peiffer of Germany competes in the men s 10km sp

Überraschende Rückkehr: Arndt Peiffer meldet sich nach seinem schweren Sturz Mitte Februar zur WM zurück.

(Foto: imago/ITAR-TASS)

Angeführt von Arnd Peiffer startet die deutsche Mannschaft so gut in den Weltcup wie seit sieben Jahren nicht mehr.

Von Volker Kreisl, Östersund/München

Nach den üblichen Parametern des Biathlons hätte der Sprinter im Wald gar nicht Arnd Peiffer sein dürfen. Nach den Trainingsresultaten, den Laufanalysen, der Karrierekurve und nicht zuletzt nach der Prophezeiung des norwegischen Rekord-Biathleten und Saison-Orakels Ole Einar Björndalen hätte nicht Peiffer diesen Schluss-Spurt ansetzen dürfen - sondern Simon Schempp. Er hätte es sein müssen, der in Östersund mit verschwitztem Gesicht im Kampf um Platz zwei die letzten Kräfte mobilisierte. Dem Uhinger Schempp wird eine starke Saison, sogar der Gesamtsieg (Björndalen) vorausgesagt. Doch dann verfehlte er bei heftigen Böen acht Scheiben und landete im Sprint fernab. Und statt auf ihn richteten sich die Augen auf Arnd Peiffer, der leicht überhitzte, sich im Wald Mütze und Brille vom Kopf riss und am letzten Anstieg alles aus seinem fürs Biathlon etwas zu schweren Körper herausholte. Ein paar Sekunden verlor er, aber auf der Kuppe hatte er noch etwas Vorsprung, dann ging es nur noch bergab ins Ziel, wobei ihm seine 82 Kilogramm wegen der Schwerkraft wieder zu gute kamen. Peiffer, der 28-Jährige aus Clausthal-Zellerfeld, wurde Zweiter, und am nächsten Tag in der Verfolgung gleich noch einmal. Er schnaufte und grinste und gab das beste Bild ab fürs deutsche Team eingangs des Winters 2015/2016.

Die Bilanz des ersten Weltcups fällt so aus, wie es sich ein Cheftrainer vorstellt. Es gibt derzeit nicht den einen überragenden Sportler, dafür aber eine ganze Menge, die in Östersund eine aussichtsreiche Entwicklung für diese Saison andeuteten. Das betrifft sowohl Männer als auch Frauen. Seit sieben Jahren haben die Deutschen nicht mehr so viele Podestplätze vom Saisonstart mitgebracht: Mit Schempps Einzelerfolg am Mittwoch sind es drei zweite Plätze bei den Männern, dazu ein dritter Rang durch Franziska Hildebrand im Verfolgungsrennen. Zählt man die Mixed-Wettbewerbe hinzu, waren es sechs Platzierungen unter den besten Drei.

Auch Miriam Gössner hat bereits die halbe Norm für die WM in Oslo

Beachtlich fiel auch die Bilanz dahinter aus. Selten hatten derart viele Biathleten die verbandsinterne Norm für die Weltmeisterschaft derart früh erfüllt - neben Schempp, Peiffer und Hildebrand sind auch der 25-jährige Benedikt Doll aus Breitnau und Franziska Preuß, die WM-Zweite im Massenstart, direkt qualifiziert, zudem die Schlierseerin Vanessa Hinz, Teil der Gold-Staffel vom März in Kontiolahti. Sie wurde jeweils Zwölfte und Neunte. Die halbe Norm, also einen von zwei Plätzen zwischen Rang acht und 15 in einem Weltcuprennen, erreichten ferner Daniel Böhm und Miriam Gössner. Das Team des Deutschen Skiverbandes verfügt vielleicht nicht über den einen überragenden Athleten, dafür über viele gleichrangige.

Die Mischung dieses Erfolges ist bunt, mit dabei sind Zöglinge wie die 21-jährige Preuß, die in der Post-Magdalena-Neuner-Zeit etwas zu früh bei Olympia gefordert und auch frustriert wurden, die jetzt aber immer stabiler auftreten. Preuß hat im Verfolgungsrennen von Östersund nur einen Fehler geschossen, es war der dritte Schuss im letzten Anschlag, ein kleiner Ausrutscher in vier beachtlich zügig absolvierten Fünfer-Serien. Es war zwar ein Flüchtigkeitsfehler dabei, aber als Führende an den vordersten Schießstand zu gehen, während links von ihr die Verfolger anlegen, mache ihr nichts mehr aus, sagt sie: "Ich hab's verkraften können, dass ich auf der Eins stehe."

Sowohl für die Chef-Trainer Gerald Hönig (Frauen) und Mark Kirchner (Männer), die das Rennen am Schießstand verfolgten, als auch für die Assistenten Tobias Reiter und Andreas Stitzl waren die Tage von Östersund ein Genuss. Reiter und Stitzl sind ja die Antreiber und Einpeitscher an den Anstiegen und Kuppen der Loipe, und jetzt sind in der DSV-Auswahl wieder zwei Athleten dabei, mit denen die nebenher sprintenden und brüllenden Co-Trainer gar nicht mehr mitkommen. Der eine ist Benedikt Doll, der hinter dem Franzosen Martin Fourcade die Laufzeiten des gesamten Feldes mitbestimmt. Doll bestätigte in Östersund, dass er so schnell ist, dass er sich je nach Länge des Rennens ein bis zwei Strafrunden leisten kann und trotzdem Chancen auf das Podest hat. Die Zweite dieser Art im deutschen Team ist wieder Miriam Gössner.

Die Garmischerin hat gezeigt, dass sie sämtliche Spätfolgen ihrer Rückenverletzung aus dem Jahr 2013 überwunden hat. Schmerzfrei und rhythmisch läuft sie längst wieder, das gibt ihr wohl Sicherheit, jedenfalls war sie am Schießstand in Schweden nicht wiederzuerkennen. Hatte sie sich in den zurückliegenden Jahren stets früh in einen aussichtslosen und kraftraubenden Rückstand manövriert, so lag sie nun bis zum letzten Anschlag auf Augenhöhe mit den Besten. Erst dann fiel sie im Gesamtfeld etwas zurück. Im eigenen bunten Team aber, dieser Mischung aus ungestümen Jungen, gelassenen Gereiften und Reha-Rückkehrern, könnte sie bald wieder einen festen Platz haben.

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