Biathlon:Fourcade zettelt den Aufstand an

IBU Biathlon World Cup - Men's and Women's Pursuit

Der Biathlet Martin Fourcade ist mit dem Verhalten der IBU im russischen Dopingfall nicht zufrieden.

(Foto: Getty Images)

Der Weltcup-Führende kritisiert den Biathlon-Weltverband im Dopingstreit um Russland. Er versammelt die Athleten um sich - und bringt Bewegung in das Thema.

Von Saskia Aleythe, Oberhof

Es ist eine Kunst, ausgerechnet mit dem Wort "Wischiwaschi" die deutlichste Botschaft zu formulieren. Erik Lesser beherrscht diese Kunst, am Donnerstagnachmittag war der Biathlet im Sprint durch das windige Oberhof gehetzt und Fünfter geworden, doch um Platzierungen ging es an diesem Tag nicht. Das Thema Doping ist so groß geworden, dass nun sogar die Athleten selber die Aufklärung vorantreiben wollen. "Wenn es Regelverstöße gibt, muss man sie gnadenlos ahnden", sagte Lesser also, nachdem er seinen Atem wiedergefunden hatte. "Nicht nur so ein bisschen Wischiwaschi, so ein bisschen hier und da - man muss knallhart sein."

Ein bisschen Wischiwaschi, ein bisschen hier und da - das ist der Eindruck, den viele Athleten vom Umgang des Biathlon-Weltverbandes IBU mit den jüngsten Dopingenthüllungen haben. Zwei Wochen vor Weihnachten hatte der McLaren-Report dargelegt, dass 31 russischen Biathleten zwischen 2011 und 2015 verdächtige Proben zugeordnet werden können - der Geheimdienst tauschte Proben aus oder manipulierte. Unter den verdächtigten Athleten sollen auch solche sein, die aktuell im Weltcup mitlaufen, also vermutlich auch in Oberhof dabei sind. Der Weltcup-Führende Martin Fourcade aus Frankreich forderte eine rigorose Aufklärung der IBU, drohte mit einem Boykott der Wettbewerbe - seitdem ist Einiges ins Rollen gekommen. Was mehr mit den Athleten als mit der Aufklärung zu tun hat.

Fourcade kritisiert "Pseudo-Entscheidungen"

Was sich in den vergangenen Wochen bei der IBU getan hat? Sie hat nach Veröffentlichung des McLaren-Reports ein Gremium zusammengestellt, das die Indizien sichten und überprüfen soll. Diese Expertengruppe arbeite "jeden Tag" daran, erklärte IBU-Präsident Anders Besseberg, "aber es ist nicht die einfachste Aufgabe". Bei zwei der 31 verdächtigten Athleten hat der Verband bisher reagiert: Die bereits zurückgetretene Olga Wiluchina und Jana Romanowa wurden vorläufig gesperrt, bei ihnen war die Lage offenbar klarer.

Ansonsten hat Russland den Weltcup in Tjumen im März und die Junioren-WM in Ostrow zurückgegeben, laut Weltverband aus eigenen Stücken. Eine Aktion, die Fourcade erst richtig auf die Palme brachte: "Es gibt einige, die mit diesen Pseudo-Entscheidungen zufrieden sind, aber das ändert gar nichts und ist nur viel Lärm um nichts", sagte er und sprach von "Heuchelei im Dopingkampf".

Athleten fordern "aggressiveres Standing der IBU"

Seine Wut bewegte etwas. Der Schnee drückte auf die Wipfel im Thüringer Wald, als am Mittwochabend im Teamhotel der Franzosen 60 Biathleten verschiedener Nationen zusammenkamen. Fourcade, der Tscheche Michal Slesingr und der US-Amerikaner Lowell Bailey hatten das Treffen angestoßen, um einen gemeinsamen Weg zu finden, wie man sich im Kampf gegen Doping positionieren will. "Wir hätten da gerne ein aggressiveres Standing der IBU gegen ein systematisches Doping", sagte Lesser, "das heißt jetzt nicht, dass wir alle gegen Russland sind, sondern dass wir einen sauberen Wettkampf haben wollen und da muss unser Verband alle Grenzen korrekt abstecken." So weit so logisch. Und doch so selten, dass sich Athleten gemeinsam dafür einsetzen.

Herausgekommen ist nun ein Forderungskatalog, der der IBU übermittelt werden soll. Lebenslange Sperren für überführte Doper gehören dazu, aber auch spezielle Verbandsstrafen. "Wenn man eine Nation hat, wo Dopingfälle öfter vorkommen, dann gibt es halt einen Startplatz weniger", erklärte Lesser, "und das tut der Nation richtig weh, da wird sie selber mal zum Nachdenken aufgefordert, was zu ändern".

Einen Austausch mit dem Weltverband hat es bereits beim Treffen gegeben, Generalsekretärin Nicole Resch stellte sich den Fragen der Sportler, am Ende fanden das alle sehr "konstruktiv". Antreiber Martin Fourcade, der nicht leicht zu besänftigen ist, stimmte sie milde. "Wir haben gute Antworten bekommen von der IBU, was sie schon unternommen haben und noch tun werden", sagte er, "das war sehr hilfreich, um die Situation zu verstehen. Man kann niemanden sperren, wenn man keine Beweise hat". Resch betonte, dass eine Kollektivstrafe gegen alle russischen Athleten nicht mehr ausgeschlossen sei, "das hängt aber davon ab, was wir noch rausfinden werden."

Bis dahin fährt der Verdacht mit in den Weltcups. Anton Schipulin, der beste russische Athlet, war ebenfalls beim Athletentreffen dabei. Er betonte bisher stets sein reines Gewissen, hielt die Indizien aber auch schon für politisch motiviert. Nun sagte er in Oberhof: "In der Dopingfrage gibt es derzeit mehr Fragen als Antworten. Wir müssen schnell Gewissheit haben, wer schuldig ist und wer nicht. Ich habe den anderen gesagt, dass sie keine voreiligen Schlüsse ziehen sollen, bevor endgültige Beweise vorliegen." Wie viel Austausch zwischen ihm und den anderen Athleten tatsächlich stattgefunden hat, bleibt allerdings offen. "Sein Dolmetscher konnte nicht so gut Englisch", berichtete Simon Schempp, "ein bisschen was haben wir aber verstanden".

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