Biathlet Arnd Peiffer:In der Kurve ins Glück

BMW IBU World Cup Biathlon Hochfilzen - Men 15 km Mass Start Competition

Arnd Peiffer: Ungewohnte Siegerpose im Ziel

(Foto: Millo Moravski/Agence Zoom/Getty Images)

Mit einem Überholmanöver an heikler Stelle beschert Arnd Peiffer den deutschen Biathleten den ersten Sieg seit einem Jahr. Der Ärger um zu langsame Ski ist erstmal verflogen.

Von Saskia Aleythe

Biathlon ist oft Erfahrungssache, und Erfahrungen hat Arnd Peiffer jede Menge. Seit elf Jahren ist der 33-Jährige nun schon im Weltcup dabei, dabei konnte er so mache Weisheit erlangen. 2019 etwa, da war Peiffer in Östersund Weltmeister im Einzel geworden, obwohl ihm die Strecke aufgrund ihrer heftigen Anstiege nicht unbedingt taugt. "Aber man muss es ja nicht immer lieben, um eine gute Leistung zu bringen", sagte Peiffer damals. Insofern war das jetzt vielleicht ein gutes Omen, als er vor dem Massenstart in Hochfilzen dachte: "Das wird heute ein hartes Ding."

Die Verfolgung am Vortag hatte er nicht ganz so frisch beendet wie erhofft, Platz 24, die Belastung ging an ihm nicht spurlos vorbei. Doch es kommt bei Peiffer oft anders als gedacht; 2018 nach seinem Olympiasieg im Sprint zählte er alles auf, was an dem Tag vor Rennstart schon schiefgelaufen war, der Olympiasieger Peiffer schloss dann mit dem Satz: "Heute war eigentlich nicht so mein Tag." Dass er nun am Sonntag im Massenstart in Hochfilzen als Erster über die Ziellinie rutschte, kam als neue typische Peiffer-Anekdote daher. "Ich freue mich, weil es mein erster Massenstartsieg ist. Ich habe nicht unbedingt geglaubt, dass ich das in meiner Karriere noch einmal schaffe", sagte Peiffer im Sender ARD. Und der Deutsche Ski-Verband (DSV) konnte auch aufatmen, weil die Materialdiskussion um Ski und Wachs mit dem ersten Sieg in diesem Winter nun zunächst in den Hintergrund rückte.

Im Ziel freute sich Peiffer in zwei Schüben: Erst reckte er die Fäuste halbhoch nach oben, ließ einen Schrei los, kurz danach spannte er die Arme an wie ein kleiner Mario Balotelli. Zehn Weltcupsiege hat er in seiner langen Karriere damit gefeiert, in Sprint, Einzel, Verfolgung - und nun endlich im Massenstart, deshalb seien seine Emotionen im Zielraum "etwas mehr gewesen, als man es von mir gewohnt ist". Peiffer ist kein Typ für überschwängliche Gesten, aber wenn man ein zunehmend kompletter Biathleten wird, nimmt die Freude schon mal Überhand - vor allem bei einem, der sich auch in die Analyse von Schneefeuchtigkeiten vertiefen kann.

Zwei besonders heikle Szenen musste Peiffer am Sonntag überwinden. Die eine war das letzte Schießen, bis dahin war er makellos geblieben, nun stand er in der Führungsgruppe um Johannes Thingnes Bö aus Norwegen auf der Matte - und traf wieder alles, wobei der zweite Schuss nur um Millimeter im Schwarzen landete. "Da hatte ich Glück", sagte Peiffer, und war überrascht, dass er nach den Fehlern der Anderen zurück auf der Loipe nur den Schweden Martin Ponsiluoma kurz vor sich hatte, "ich habe gedacht: Uiui, was geht denn heute?" Dranbleiben war Peiffers Devise, das klappte erstaunlich gut, "als ich dann am höchsten Punkt noch dran war, habe ich gedacht: Na gut, wenn ich schon mal hier bin, kann ich es auch nochmal probieren, ihn zu überholen."

Das war dann die zweite kritische Situation, die erste Attacke konnte der Schwede noch abwehren, dann ging es in die letzte Kurve vor dem Zielleinlauf. Und Peiffer wählte die Innenseite, wozu ihm im Team vorher geraten wurde. "Es ist ein bisschen unangenehm, dort umzutreten, weil da immer Eisplatte an Eisplatte ist. Da muss man sich ein bisschen trauen", sagte Peiffer im Fernsehinterview. Es war seine Kurve ins Glück. Wie rutschig die Stelle war, sah man wenige Sekunden später an Émilien Jacquelin: Der Franzose flog im Kampf um Rang drei bäuchlings hin. So konnte sich Tarjei Bö aus Norwegen Platz drei sichern, Benedikt Doll wurde Vierter (ein Fehler). Er hatte Peiffer einen kollegialen Dienst erwiesen: Als Doll merkte, dass er als Führender in der Verfolgungsgruppe mit Bö und Jacquelin immer näher kommt, "hatte ich ein bisschen Angst, dass wir am Ende beide übersprintet werden", sagte er, "dann habe ich gesagt: Okay, dann mache ich jetzt mal ein bisschen langsam und bremse die hinter mir aus."

Benedikt Doll war der letzte der deutschen Männer gewesen, der im Weltcup einen Sieg eingefahren hatte - fast auf den Tag genau vor einem Jahr im Sprint in Annecy. Und er ist der Mann, der vor einer Woche eine kleine Schimpftirade auf das Material gehalten hatte, das sich wie "Körperverletzung" anfühle, weil es die Athleten mehr ausbremste als beschleunigte. Bundestrainer Mark Kirchner bestätigte den Eindruck indirekt: "Die Techniker wissen auch, dass sie hart am Wind bleiben müssen und dass nicht alles immer hundertprozentig rund läuft." Beim Sprint am Donnerstag verstärkte sich dieser Eindruck noch, mit nur einem Fehler war Peiffer als bester Deutscher 22. geworden. "Das Ski-Material war... nicht ganz so gut wie bei den Norwegern", drückte er es vornehm aus; am Sonntag war schließlich alle Rücksichtnahme unnötig. Auch Dolls vierter Rang zeigte den Trend nach oben an, Erik Lesser wurde 17. (zwei Fehler). "Ein Lob an unsere Techniker. Sie hatten das Erfolgserlebnis, das sie verdient haben", sagte Peiffer. Was ja auch für ihn selber galt.

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