Biathlon:Antholzer Stärkung

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Die Weltmeisterschaft in Schweden brachte viele Gewinner hervor, darunter das deutsche Männer-Team - und jetzt schon die kommende WM.

Von Saskia Aleythe, Östersund

Nej! Die schwedische Enttäuschung hat einen friedlichen Klang, ganz im Gegensatz zum deutschen "Oh!", das empörter daherkommt, wenn ein Biathlet am Schießstand die Scheiben nicht trifft. "Nej!" haben die Zuschauer in der Biathlon-Arena in Östersund also gerufen bei dieser Weltmeisterschaft, aus zittrigster Kehle, als ihre Prinzessin Hanna Öberg in der Staffel beim letzten Schießen noch Gold aus der Hand gab. An Norwegen! Aber als die 23-Jährige ins Ziel rutschte auf dem Silberrang, gab es trotzdem noch Jubel für Öberg, die Einzel-Olympiasiegerin und Weltmeisterin. Versöhnliches Volk eben.

Drei Medaillen hat Schweden, der Gastgeber, dem Heimpublikum geschenkt bei dieser Weltmeisterschaft, sogar noch eine mehr, als es sich der deutsche Trainer Wolfgang Pichler vorher gewünscht hatte. "The big guy himself", nannte ihn der Stadionsprecher, der 64-jährige Pichler ist im Land so beliebt wie ein Popstar. Zu 45 Medaillen hat er seine Athleten in einer langen Karriere geführt. Nun will er aufhören, als Cheftrainer jedenfalls. Was er bei der WM sonst noch erleben durfte? Wie sich ein deutsches Männerteam vor seinem platzierte, wie die Norweger qualmende Loipen hinterließen - und der Gastgeber der nächsten WM schon mal auf Werbetour ging.

Raus aus dem Keller

Arnd Peiffer, Erik Lesser, Benedikt Doll und Roman Reese (von links nach rechts). (Foto: Sven Hoppe/dpa)

Benedikt Doll hat das einmal erzählt: Wie seine Mutter immer in den Keller geht, statt ihm am Fernseher bei seiner Arbeit am Schießstand zuzusehen. Allzu nervenaufreibend war das früher, brachte sich der schnelle Doll doch immer wieder mit Fehlern um den Erfolg. Anders in Östersund: Da hatte der 28-Jährige in der Staffel laut Kollege Erik Lesser beim letzten Anschlag mehr Selbstbewusstsein als Martin Fourcade - während der Franzose in die Strafrunde musste, bemühte Doll lediglich einen Nachlader und fuhr Silber für die deutschen Männer sicher nach Hause. Das festigte den ohnehin starken Eindruck, den die Männer in Mittelschweden hinterlassen haben. Erik Lesser war nach schwieriger Saison mit enormen Rückenproblemen fitter als zuvor, abgesehen vom Massenstart beendete er kein Rennen schlechter als auf Platz elf. Auch Doll lief beständig vorne mit. Und dann war da natürlich Arnd Peiffer, seit Montag 32 Jahre alt, der das härteste Rennen im Biathlon für sich entschied: das Einzel über 20 Kilometer. Aus dem Sprint-Olympiasieger von Pyeongchang wurde nun auch der Einzel-Weltmeister Arnd Peiffer. Einer kommt immer durch, das gilt für die Männer schon seit Jahren, Doll, Lesser und Peiffer haben alle schon mit Titeln geglänzt. Das Geheimnis dahinter? "Ruhe bewahren und an sich glauben", sagt Bundestrainer Mark Kirchner. Na dann!

Rein ins Vergnügen

Johannes Thingnes Bö. (Foto: Jessica Gow/AP)

Als Tora Berger noch Rennen bestritt, erlebten die Norweger im Biathlon schon einmal dieses Szenario: dass sie alle Staffeln bei der WM für sich entscheiden konnten, 2013 in Nove Mesto in Tschechien. Und weil sie nun in Johannes Thingnes Bö einen neuen Seriensieger vorweisen können, kam ihnen diese WM in Östersund auch gelegen. Mit der erstmaligen Austragung des Single-Mixed-Wettbewerbs gab es dann gleich noch einmal Gold für Norwegen. Bö läuft ja überall mit, müde Beine kennt der 25-Jährige nicht. Mit Gold im Sprint und Silber in der Verfolgung ist er sogar noch unter seinen Möglichkeiten geblieben, den Sieg im Gesamtweltcup konnte er sich trotzdem vorzeitig sichern. Und überhaupt: Im Ländervergleich landeten die Norweger uneinholbar weit vorne, gleich neun Medaillen eroberten sie vor den Deutschen mit sieben und Italien mit fünf. Da wundert es wohl auch nicht, dass nicht nur der beste männliche Biathlet aus Norwegen kommt, sondern auch die beste Frau: Marte Olsbu Roeiseland mit drei Goldmedaillen. Erobert: in den Staffeln.

Runter nach Italien

Dorothea Wierer. (Foto: Alexander Hassenstein/Bongarts/Getty Images)

Mit einer gewieften Marketing-Strategie haben sich die Ausrichter der Biathlon-WM 2020 bei den Biathlon-Fans in Östersund beliebt gemacht: Sie mieteten sich in ein Gebäude ein, nannten es "Antholz-Haus" und verköstigten Besucher mit Drei-Gänge-Menüs zu moderaten Preisen, im Land der eher nicht so moderaten Preise. Zum Abschluss der WM gab es dann auch sportliche Leckerbissen: Dorothea Wierer und Dominik Windisch eroberten Gold in ihren Massenstarts. Wierer ist damit als erster Italienerin ein WM-Titel in einem Einzelrennen gelungen, und das wurde auch Zeit: Die 28-Jährige mischt schon lange oben mit, erlebt aber gerade ihre erfolgreichste Saison. "Brutal faul" hat sie sich selber mal genannt, vor vier Jahren nahm die Schnellschützin die Sache mit dem Sport dann ein bisschen ernster und trainierte mehr. Aber auch heute genießt Wierer bewusst auch viele Dinge abseits des Sports: ans Meer fahren, shoppen, Freunde treffen, Party machen. "Ich bin mehr ein Lebemensch", sagt sie, "ich könnte nicht nur das ganze Jahr an Biathlon denken." Muss sie ja auch bald nicht mehr, nur noch der Weltcup in Oslo steht am kommenden Wochenende an. Und da geht es gegen Kollegin Lisa Vittozzi um den Sieg im Gesamtweltcup. Zwei Italienerinnen ganz oben? Das ist dann wohl die beste Werbung für die WM 2020.

© SZ vom 19.03.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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