Bewerbung für Olympia 2024:Träume in der Parallelwelt

Olympiastadion in Berlin

Das Olympiastadion in Berlin - ob der DOSB mit der Hauptstadt oder Hamburg ins Rennen geht, steht noch nicht fest.

(Foto: dpa)

Sie kann kaum Erfolg haben und hat mit der Realität wenig zu tun. Dennoch stößt der Deutsche Olympische Sportbund eine Bewerbung für die Sommerspiele 2024 an. Die Bürger dürften die Nase schnell voll haben - und das für lange Zeit.

Ein Kommentar von Thomas Kistner

Hurra, es ist so weit: Deutschland wirbt wieder um Olympia! Der fünfte Anlauf nach vier gescheiterten, wiewohl die Bürger leicht olympiamüde wirken und im Medienzeitalter längst Spiele schätzen gelernt haben, die sonstwo auf dem Globus stattfinden.

Egal. Deutsche Sportfunktionäre surfen halt gerne auf Kampagnen, die in die Mitte der Gesellschaft zielen. Wobei die Frage allmählich ist, wie sehr es ihnen darum geht, ob sie am Ende das Event wirklich kriegen? Das Problem lässt sich gut nachzeichnen am Blitzbeschluss des Deutschen Olympischen Sportbundes.

Sommerspiele: Aus Bürgers Sicht seit jeher ein Thema, das sich um Budgets und Nachhaltigkeit dreht, um Städte- und Verkehrsplanung. Nur haben all diese Fragen kaum etwas zu tun mit der Welt, in der allein die Entscheidung fällt. Sie bilden eine parallele Diskussionsebene, eine Art Scheinwelt fürs Publikum.

Denn die Spiele vergibt nicht der DOSB, auch nicht der DFB oder ein Innenminister. Das macht das Internationale Olympische Komitee, ein intransparentes Gebilde aus Funktionären, Geld- und Landadel von Katar über Kuwait bis Dschibuti. Sie haben sich 2013 einen Präsidenten gekürt, der den Kurs des IOC bereits seit fast zwei Jahrzehnten im Vorstand mitbestimmte, den Wirtschaftsanwalt Thomas Bach. Dass der jetzt Reformen plant, darf nicht überbewertet werden. Im IOC wäre vieles zu reformieren für eine offene, moderne Institution. Und ob Bach der richtige Mann dafür ist, lässt sich ja eindrucksvoll am DOSB ablesen, dessen Spitze er 2013 verließ.

Eine deutsche Dauer-Feier ist undenkbar

Zum anderen hätte auch eine Reform keine Auswirkung auf deutsche Chancen 2024. Die sind leider: fast bei null.

Das zeigt der Bereich, auf den der Blick des Bürgers nie gelenkt wird: die Sportpolitik. Sie sieht so aus, dass für die Fußballmacht Nummer eins des Globus, den DFB, der Zuschlag für die EM 2024 Formsache ist. DFB-Chef Niersbach, der im Uefa-Vorstand sitzt und bald in dem der Fifa, plus Bayern-Chef Rummenigge, der Europas Klubvereinigung ECA vorsitzt: Wer soll ihnen das wegnehmen? Weit und breit gibt es keinen Rivalen. England hat die EM-Finalrunde 2020; Frankreich die EM 2016. Spanien und Italien sind finanziell nicht in der Lage, ein Turnier mit 24 Teams zu stemmen. 2024 in Deutschland darf als gebucht gelten.

Wie naiv ist es also, an deutsche Sommerspiele nur Wochen später zu glauben? Zumal, wenn das Großkaliber USA zum dritten Mal eine Weltstadt ins Rennen schickt - und aus Europa Bewerber wie Paris, Rom und Istanbul kommen, die alle zum wiederholten Mal im Ring stehen? Es bräuchte eine globale Weltsportallianz für Deutschland, die dort unbedingt monatelang feiern will. Aus solchen Märchen macht man Werbespots. Mit der Realität haben sie nichts zu tun.

Insofern hat sich der flott vorpreschende DOSB womöglich selbst ins Knie geschossen. DOSB-Chef Hörmann spricht ja selbst schon von einer Winterbewerbung 2026, sollte es 2024 wieder mal schiefgehen; zudem soll gleich noch der Sommer 2028 anvisiert werden. Anzunehmen ist aber etwas anderes: dass die Bürger, geht es 2024 schief, die Nase erst einmal voll haben vom olympischen Heißluftgebläse. Und das für lange Zeit.

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