Leider, leider gibt es im behördenreichen Deutschland noch kein Bundesamt für die Zertifizierung dopingfreier Sportarten. Ersatzweise müssen also andere Institutionen herhalten, wenn es um die Frage geht, wie sauber/schmutzig eine Disziplin ist. Und da sieht die Argumentation des Radsports derzeit so aus: Die ARD will von 2015 an wieder Live-Bilder von der Tour de France zeigen.
Mit dem Einstieg von Alpecin beim Rennstall Giant gibt es erstmals seit 2010 eine deutsche Firma, die ein Team der höchsten Division sponsert. Und zudem engagiert sich künftig der Küchengerätehersteller Bora bei einer oberbayerischen Zweitliga-Equipe, womit sich die Radsport-Fans bei den großen Rundfahrten 2015 auf gleich zwei "deutsche" Teams freuen dürfen.
Wenn jetzt also Öffentlich-Rechtliche und Sponsoren wieder zurückkehren, dann ist doch wieder alles gut im Peloton nach all den Armstrong-, Ullrich-, Epo-Jahren, oder nicht?
Tja, leider nein. Dazu reicht ein Blick auf die vielen Dopingsanktionen des Jahres (von Alberto Contadors Edelhelfer Roman Kreuziger bis zu Italiens neuer Radsport-Hoffnung Diego Ulissi) und auf die vielen einschlägig vorbelasteten Herren, die immer noch als Ärzte, Betreuer, Sportliche Leiter im Feld zu finden sind. Zudem schwelen diverse Prozesse rund um den früheren Vorzeige-Betrüger Lance Armstrong, die noch manches hervorbringen dürften; kaum vorstellbar, dass sie lediglich Protagonisten betreffen, die das Peloton verlassen haben.
Tony Martin bei der Rad-WM:"Am liebsten würde ich vom Radsport wegrennen"
Tony Martins Goldmedaille im WM-Zeitfahren war so fest eingeplant wie der Anstich beim Oktoberfest, stattdessen wird der 29-Jährige Zweiter hinter dem Briten Bradley Wiggins. Die Niederlage könnte Martin aber nutzen.
Es gibt Anzeichen, dass die Manipulation nicht mehr so flächendeckend und strukturell geschieht - aber der Radsport muss mit dem Zweifel leben, weil die Verantwortlichen schon oft eine neue Mentalität beschworen haben, ohne dass sich wirklich etwas geändert hat.
Als Sauberkeitsnachweis dient die Rückkehr von Fernsehen und Firmen jedenfalls nicht. Doping bleibt ein Kardinal-Thema dieses Sports. Warum das Interesse trotzdem wächst? Nun, Deutschlands Radsportler wie Marcel Kittel oder John Degenkolb haben zuletzt herausragende Leistungen gezeigt - und Deutschland ist traditionell und trotz aller Dopingschatten ein riesiger und lukrativer Markt. Werbemaßnahmen sind gut angelegt. Noch immer interessieren sich viele Menschen für diesen Sport, die Quoten des Senders Eurosport bei der Tour waren gut. Auf den Straßen sind viele Hobbyradler unterwegs, früher in magentafarbenen Telekom- und hellblauen Gerolsteiner-Trikots - warum nicht bald im grauen Alpecin-Hemd?
"Doping für die Haare", so lautet der bekannteste Werbespruch des Shampoo-Konzerns. Er will den Slogan zwar nicht in der Radsport-Kommunikation, aber auch weiterhin in der Werbung einsetzen. Das würde sich zum Beispiel im Reklameblock einer Tour-Etappe gut machen. Immerhin ist so gewährleistet, dass die Konnotation Radsport/Doping so schnell nicht verschwindet.