Bestechlichkeit:Sturmwarnung am Cospudener See

Wie der "Fall Mohren" mit dem "Fall Emig" zusammenhängt: Auch beim MDR war Sportberichterstattung offenbar käuflich.

Von Thomas Kistner und Christopher Keil

Das Leben in Markkleeberg kann so idyllisch sein. Das Städtchen liegt am Cospudener See, sechs Kilometer südlich von Leipzig. Auch Wilfried Mohren hat sich dort niedergelassen. Man spricht von der "Villa Mohren", und tatsächlich residiert er herrschaftlich.

Mohren, 47, ist Sportchef des Mitteldeutschen Rundfunks (MDR). Für die ARD kommentierte er jahrelang Fußball-Länderspiele. In der nächsten Woche sollte er mit Franziska van Almsick von Montreal aus die Schwimm-WM im Ersten präsentieren.

Doch jetzt hat Mohren keine Zeit mehr für Wasserspiele. Mehrere Kriminalbeamte und zwei Staatsanwälte rückten Donnerstag morgen auf sein Anwesen vor. Sie beschlagnahmten Aktenordner und Computer und nahmen Mohren fest.

"Mohren wird Bestechlichkeit in mehreren Fällen vorgeworfen", verkündete Staatsanwalt Ralf Schamber, Sprecher der Integrierten Ermittlungseinheit Sachsen zur Bekämpfung der Korruption (INES). Wie der ebenfalls inhaftierte Sportchef des Hessischen Rundfunks (HR), Jürgen Emig, soll Mohren zwischen 1997 und 2005 Sendezeit an Sportveranstalter verkauft haben.

Es geht offenbar um verdeckte Provisionen - um 150.000 Euro, vielleicht um mehr.

Ganz offensichtlich scheint es um ein Betrugssystem zu gehen, das Mohren und Emig, 59, mit dem Präsidenten des Deutschen Tanzsport-Verbandes, Harald Frahm, 60, entwickelten und in das auch die Ehefrauen der Sport-Moderatoren verstrickt sein könnten - mit ihren Agenturen oder über stille Beteiligungen.

Beim MDR, hat der Frankfurter Oberstaatsanwalt Wolfgang Schaupensteiner mitgeteilt, "lief offenbar dieselbe Masche ab wie bei Emig".

Besonders schwere Bestechlichkeit

Vermutlich bis zu fünf Fälle von besonders schwerer Bestechlichkeit trug die INES in ihrem Haftbefehl gegen Mohren (AZ 918 JS 37203/05) zusammen: So soll der MDR-Mann von Januar 2003 bis März 2004 einen Beratervertrag mit der Frahm-Agentur SMP geschlossen und 41.000 Euro kassiert haben. Seine vermutete Gegenleistung: Über Motorsport-Wettkämpfe, die von der SMP vermarktet wurden, durfte ausführlich in der MDR-Sendung Sport im Osten berichtet werden.

Beste Beziehungen pflegte Mohren auch zum börsennotierten Energiedienstleister Techem. Von 1997 bis 2005 soll er etwa 100.000 Euro bekommen haben für Moderationsauftritte. Ein Techem-Sprecher hat die Nebentätigkeit bestätigt. MDR-Intendant Udo Reiter sagte aus, nichts davon gewusst zu haben. Mohren hatte die Freizeitbeschäftigung nicht angezeigt.

Das brauchte er wahrscheinlich auch nicht. Angeblich kamen die Moderationen nie zustande. Mohren soll quartalsweise Ausfallhonorare in Höhe von zunächst 6500 Mark in Rechnung gestellt haben. Doch was hatte Techem davon?

Wurde Mohren honoriert, weil der MDR das unbedeutende Fußball-Turnier Techem-Cup aus Halle ausstrahlte?

Vorstandsvorsitzender und später Aufsichtsratschef von Techem war bis 2003 Hans-Ludwig Grüschow aus Neu-Isenburg bei Frankfurt. Inzwischen ist Grüschow, 69, einer der drei mächtigsten deutschen Sportfunktionäre.

Er ist Vorstandsvorsitzender der Deutschen Sporthilfe, Aufsichtsratsvorsitzender der Deutschen-Sport-Marketing GmbH und Kuratoriumsmitglied des OK der Fußball-WM 2006. Beim MDR, hat das Magazin Focus beobachtet, komme Grüschow häufig zu Wort.

Grüschow bestätigte am Freitag den Mohren-Deal, bestreitet aber Detailkenntnisse über die Höhe der Zahlungen. Er sagt allerdings, Techem habe sich von Mohren versichern lassen, dass ihm die Tätigkeit von seinem Intendanten erlaubt worden sei.

Zugleich erklärte Grüschow, auch er persönlich habe mit Mohren einen Beratervertrag für die Deutsche Sporthilfe abgeschlossen. Es sei um "Beratungen im Sportumfeld Ost" gegangen.

Der Vertrag sei etwa im Jahr 2000 geschlossen und jährlich erneuert worden. In diesem Falle "habe ich persönlich bei Herrn Reiter um die Genehmigung nachgefragt und diese auch schriftlich bestätigt bekommen".

Als Jürgen Emig im April 2004 vom HR suspendiert wurde, gab es eine MDR-Rundfunkratssitzung. Diskutiert wurde, ob ein "Fall Emig" beim MDR vorstellbar sei. Fernsehdirektor Wolfgang Vietze verneinte damals: Derartiges gebe es beim MDR nicht.

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