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Masters in Augusta:Der ewige Langer schlägt wieder ab

  • Mit dem Masters in Augusta läuft das erste Major-Golfturnier der Saison.
  • Auch der nimmermüde Bernhard Langer startet mit 61 Jahren ins Turnier, das er bereits zwei Mal gewann.
  • Trotz seines fortgeschrittenen Alters ist Langer bester deutscher Golfer beim Turnier.

Von Gerald Kleffmann

Das Masters begann zwar erst am Donnerstag mit der ersten der vier Runden, aber auf den Dienstag hatte sich Bernhard Langer trotzdem schon gefreut. Da stand am Abend das Champions Dinner an, wie diese Tradition im Augusta National Golf Club genannt wird. Nur die Sieger des Major-Turniers im Bundesstaat Georgia treffen sich zu einem Essen, der Titelverteidiger darf das Menü wählen. 1952 fand das gesellige Beisammensein erstmals statt, und es ist ein falsches Gerücht, dass Langer damals schon die Häppchen-Reihenfolge bestimmte; es war Ben Hogan.

Der berühmteste Anhausener hatte ja erst 1985 an der ein kleines bisschen noch berühmteren Magnolia Lane das erste Mal triumphiert und 1993 ein zweites Mal. Als Gewinner steht ihm daher ein lebenslanges Startrecht zu. So kommt es, dass Langer wieder nach Augusta gereist ist, voller Vorfreude auf die "Kleinigkeiten", wie er manche Privilegien nennt: "Die Champions haben einen eigenen Parkplatz, einen eigenen Umkleidebereich, am Dienstag findet das Champions-Dinner statt", sagte er gerade der Bild am Sonntag, "das macht das Masters zum besten Turnier der Welt."

Das Alter ist nur eine Zahl

Es ist im Grunde verrückt, dass Langer auch 2019 noch der beste Deutsche ist, der beim Masters antritt. Mal vom einzigen anderen Deutschen abgesehen. Allerdings ist Martin Kaymer, 34, im Formtief und nur aufgrund des Erfolgs 2014 bei der US Open mit einer "Special Exemption" auch in Augusta ins Feld gerutscht, sie läuft danach aus. Ansonsten taucht nirgends im Tableau ein Landsmann auf (wenngleich der Amerikaner Xander Schauffele auch den deutschen Pass besitzt). Kein 20- oder 30- Jähriger weit und breit, kein 40- oder wenigstens 50-jähriger Germane - nur dieser ewige Langer. 1957 wurde er geboren. Konrad Adenauer war damals Kanzler, Albert Camus bekam den Literaturnobelpreis.

Als Langer 1982 erstmals in Augusta spielte, knabenhaft mit blonden Locken, folgte Helmut Kohl auf Kanzler Helmut Schmidt. Um das beste Zeitgefühl dafür zu bekommen, wie weit das zurückliegt, sei daran erinnert: Anno dazumal war auch der HSV deutscher Meister. Übrigens, das sollte nicht verschwiegen werden: Ein paar Falten hat Langer schon bekommen. Und neulich zwickte der Bauchmuskel. Aber sonst? Ist er der beste 61-jährige Golfer der Welt, ja der beste über 50. Und einer, der mit Tiger Woods und Rory McIlroy mithalten kann. Vergangenes Jahr fiel er erst spät auf Rang 38 zurück. "Ich betrachte es als ein Wunder, wie weit ich gekommen bin", gestand Langer kürzlich dem Magazin GolfDigest, dem er noch ganz andere Dinge erzählte, die klarmachten: Langer ist kein Wunder. Er ist einzigartig, das schon, und das Beste, was je aus dem deutschen Golf erwachsen ist. Aber seine Leistungen sind erklärbar. Jedenfalls für ihn selbst.

Und natürlich muss es Gründe geben für das Erreichte, was bei Langer immer nur als Zwischenbilanz zu verstehen ist. Er ist zweifellos einer der großen deutschen Sportler: 1986 wird er die allerste Nummer eins der damals neuen Weltrangliste. Er gewinnt 112 Turniere. Siegt im Ryder Cup als Spieler, als Kapitän. Wird in die World Golf Hall of Fame aufgenommen. Er hätte, als er 50 Jahre alt wurde, problemlos auf Touren der jüngeren Profis weitermachen können. Aber Langer wollte nicht nur mitspielen, betonte er immer. Er wollte Titel.

Sein Plan ging auf: Die Champions Tour mag manchmal als Altherrenserie belächelt werden. Aber Golf funktioniert in den USA. Nicht nur auf der PGA Tour schossen die Preisgelder hoch. Langer gewann als Senior weitere zehn Majors und 39 Turniere, bald sollte er Spitzenreiter Hale Irwin (45 Siege) überholt haben. Im Februar zog er, was die Verdienste betrifft, an dem Amerikaner schon vorbei, als er in Boca Raton siegte, unweit seines Wohnortes in Florida. 27 196 504 Dollar - mehr als 27 Millionen, das ist kein Druckfehler - betrug zu dem Moment sein Karriere-Preisgeld auf der Champions Tour. Was er mit seinem Vermögen macht, weiß man nicht. Man sieht ihn ja nur auf dem Golfplatz und bei Siegerehrungen. Zum Prassen kommt er nicht.

Andererseits: Das wäre auch nicht seine Art. Von so vielen Fähigkeiten, die ihn auszeichnen - Fleiß, Disziplin, Ehrgeiz, Akribie -, sticht eine hervor: Langer lebte und lebt immer in der Gegenwart. Er blickt nicht hadernd, klagend oder verklärend und genügsam zurück. Er schaut auch nicht nach vorne und bedauert die Endlichkeit seines Schaffens und er träumt nicht vom Dösen in einer Hängematte. Langer liebt in erster Linie seinen Beruf, weil er - und das ist kein Widerspruch zu seiner tiefen Gottesgläubigkeit und Nächstenliebe - den Wettbewerb liebt und sich gegen andere behaupten will. "Es macht mir einfach Spaß, ich spiele wahnsinnig gern Golf, vor allem Turniere", auch dies gestand er der Bild am Sonntag, "unter Druck zu spielen, mit den Kollegen unterwegs zu sein - das war und ist ein Großteil meines Lebens."

Langer, auch so tickt er, überhöhte nie seine Erfolge. Er spürt stets Demut. Weil ihn Ereignisse als Kind und junger Mann prägten, die für die jetzige Generation wie aus einer grauen Vorzeit wirken müssen. Langer erzählt manchmal seinen vier Kindern davon, um sie zu inspirieren. "Aber an ihren Gesichtern kann ich ablesen, dass sie sich das nicht vorstellen können", berichtete er amüsiert in GolfDigest in einem langen, in der Ich-Form verfassten Stück, in dem er wie ein Zeitzeuge sein eigenes Leben durchstreifte - und selbst staunte über manche Hürde, die er nahm.

Beim Arbeitsamt kannten sie den Beruf des Golflehrers gar nicht

Sein Vater war Maurer und baute eigenhändig das Familienhaus in Anhausen bei Augsburg. Der kleine Bernhard half mit wie Bruder Erwin, der ihn bis heute als Manager vertritt. Die Familienbande der Langers war speziell, berühmt wurde die Schwarzwälder Kirschtorte von Mutter Walburga. Mit acht nahm Langer Jobs als Caddie im Golfklub an, fuhr 13 Kilometer mit dem Rad. Er sparte sich mühsam die ersten Schläger zusammen. Mit 15 ließ er sich beim Arbeitsamt beraten und sagte, er wolle Golflehrer werden. Dort wussten sie nichts von diesem Beruf. Auch Langers Eltern rieten ihm ab, doch Bernhard blieb stur. Bei Heinz Fehling im Münchener Golf Club fand er seine Lehrstelle. Als Jungprofi schlief er im Ford Escort, weil das Geld knapp war. Er aß Ungesundes. Aber immer trug ihn der Wille, Golfprofi zu werden. "Er hat ein großes Herz", sagte einst der große Jack Nicklaus, als er erstmals auf den jungen Langer traf. Das hat er immer noch.

Er wolle sich verbessern, sagte Langer tatsächlich vor diesem Masters. Er wisse, er schlage die Bälle jetzt kürzer. Aber er spiele kreativer. Er überlege sich eben, wo er zum Beispiel den Ball besser das Grün beim Anspiel verfehlen lasse, weil er es oft ohnehin nicht erreichen kann. Er haut nicht bloß drauf, sondern spielt mehrere Züge gedanklich voraus. Wie beim Schach. "Ich versuche, wie Rotwein zu sein", sagte Langer jüngst auch dem Golf-Magazin der SZ. "Der wird im Alter auch immer besser."

Ob er wirklich das Masters noch mal gewinnen kann? Mit 61? So etwas gäbe es in keinem Sport. "Ich gestehe, es ist zu bezweifeln", antwortete Langer in GolfDigest dazu, um zu ergänzen: "Wechseln wir das Thema. Ich fange schon an, mich selbst abzuschreiben." Und das hat dieser erstaunliche Herr Langer wahrlich noch nie getan.

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Quelle:
SZ vom 10.04.2019/drim
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