Bernard Tomic bei den Australian Open:Mann mit Kappe und Klappe

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Auf ihn hoffen die Australier in Melbourne: Bernard Tomic. (Foto: dpa)

Aufgewachsen in Stuttgart, jetzt gefragter Tennisheld in Australien: Bernard Tomic polarisiert mit seiner eigenwilligen Art auch in Melbourne. Der Australier gilt als große Hoffnung, doch bisher sorgte er nicht immer nur für positive Schlagzeilen. Nun fordert er Rafael Nadal heraus.

Von Gerald Kleffmann, Melbourne

Wie sollte man eine Interviewrunde mit einem der im Umgang schwierigsten Tennisspieler anfangen? Am besten eine offene Frage, zum Warmwerden. "Was war dein erster Gedanke, als du hörtest, gegen wen du in der ersten Runde spielen musst?" - "Frohes neues Jahr." - "Entschuldigung, aber das muss ich fragen." - "Wie geht's?" - "Gut. Ich muss ja nicht gegen Rafael Nadal spielen. Ich kann relaxen."

Tja, das ging schon mal daneben.

Zur Ehrenrettung muss man sagen, dass Bernard Tomic bei der Pressekonferenz anlässlich seines an diesem Dienstag anstehenden Erstrundenmatches bei den Australian Open gegen den Branchenprimus Nadal die Kurve gekriegt hat und sich ein unfallfreies Gespräch entwickelte, wenn auch mit redundanten Antworten. Egal. Dieser Tomic, in Stuttgart geboren, als Siebenjähriger nach Australien ausgewandert mit den bosnisch-kroatischen Eltern, die sich von Ivica und Adisa in John und Ady umtauften, dieser 1,95 Meter Hüne mit der verkehrt aufgesetzten Kappe, er steht für das, was reflexartig ein Enfant Terrible genannt wird.

Vielleicht liegt sein Charakter an der Erziehung seines offenbar bis zur Unerträglichkeit komplizierten Vaters, vielleicht liegt es nur am Selbstvertrauen, das bei Tomic bis zum Mond reicht, nein, bis zur Sonne, nein, er ist ja eine Art Sonne. Mit 14 tönte er, mit 20 werde er als Sieger aller vier Grand-Slam-Turniere alles überstrahlen. Leider hinkt er diesem Zeitplan knapp hinterher, im Oktober wird er 22.

Immerhin hat er 2013 ein ATP-Turnier gewonnen, in Sydney; 2011 stand er in Wimbledon als jüngster Profi seit Boris Becker im Viertelfinale. Aber sich vorsichtiger äußern deshalb? "Alles ist möglich", umschrieb der einst überragende Jugendspieler seine Chancen gegen Nadal, "ich spiele gut. Ich bin sehr zuversichtlich."

Aus Furcht vor dem Spanier wird er nicht verlieren, das steht fest, seine Finalteilnahme vergangenen Samstag in Sydney hat ihn zusätzlich aufgepumpt. Tomic, aktuell als Weltranglisten-60. von seiner besten Platzierung (27.) etwas entfernt, findet eh, dass er seine Spielstrategie und sein Defensivverhalten stark verbessert habe, auch Davis-Cup-Kapitän Pat Rafter lobte ihn dafür. Allerdings muss man wissen: Tomic schwärmt Jahr für Jahr von sich. 2013 in Melbourne kündigte er einen Sieg gegen Roger Federer in der dritten Runde an, der ihn dann doch vorführte.

Er solle mal die Klappe halten, polterte später ein Trainer anonym, niemand widersprach. Manchmal zeigt Tomic Ansätze von Läuterung, aber diese Momente verfliegen rasch wieder. Viele in der Branche finden ihn hinter vorgehaltener Hand anstrengend, man kann es indes auch völlig anders sehen: Er ist definitiv keiner dieser Jungprofis auf der Tour, die keine eigene Meinung riskieren und konturenlos wirken. Tomic hat Kante. Das spricht für ihn, positiv ausgelegt.

In der Familie Tomic jedenfalls war ordentlich was los. Der Sohn hat sich bei Verkehrskontrollen schon mal mit Polizisten angelegt, Feierlichkeiten arteten aus, aus disziplinarischen Gründen wurde Bernard gar für ein Davis-Cup-Match außen vor gelassen. Der dramatischere Fall indes ist der Vater, der einen Trainerkollegen mit dem Auto von der Fahrbahn drängte, seinen Sohn zum Spielabbruch bewegen wollte, weil ihm der Schiedsrichter nicht passte, und - der Tiefpunkt - 2013 dem Trainingspartner seines Sohnes per Kopfstoß die Nase brach. Acht Monate auf Bewährung folgten als Strafe per Gerichtsbeschluss.

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Immer wieder schwankte Bernard zwischen Vaterliebe und Vaterhass. In Miami bat er mal den Schiedsrichter während einer Partie, Ivica rauswerfen zu lassen mit den Worten: "Ich weiß, es ist mein Vater, aber er nervt mich." Als der Papa nach der Prügelattacke für sämtliche Turniere gesperrt wurde, klagte Bernard im vergangenen Sommer in Wimbledon wiederum tief gekränkt über diese Sanktion. Wohl auch solche schwankenden Reaktionen erinnernd, erteilte ihm nun der frühere australische Spitzenspieler Mark Philippoussis einen Rat: "Es wird Zeit für ihn aufzuwachen." Tomic wird von vielen Seiten bearbeitet, die meisten meinen es gut mit ihm.

Denn seine Begabung auf dem Platz ist unbestritten. Fast aus jeder Ecke kann er brachiale Schüsse abfeuern, die Vorhand ist wegen seiner Gabe, das Handgelenk im letzten Moment extrem wegklappen zu können, kaum lesbar. Er bleibt am liebsten nah an der Grundlinie und fällt nicht zurück. Und sein unbequemer, widerspenstiger Geist hat ja auch Vorzüge. Tomic ist unerschrocken, hat ein Kämpferherz, scheut kein Duell, lässt nicht locker.

Sein Talent wird auch von Nadal respektiert, der Tomic als schwierigen Auftaktgegner einstuft. Aber Tomic' Ruf ist nichtsdestotrotz lädiert, selbst bei den Australiern, die ja ein tolerantes Volk sind. In Melbourne lässt sich zurzeit darauf wetten, in welchem Nachtclub Tomic zuerst gesichtet wird. Die Empfehlung: Taucht er im "Seven" in der Albert Road auf, gibt es für einen Dollar 13 zurück.

Dabei hat er doch versichert, sich mehr auf den Platz fokussieren zu wollen. Doch anscheinend haben sich seine Beteuerungen etwas abgenutzt. Immerhin, sein sportlicher Aufwärtstrend zuletzt wird wohlwollend registriert, die Zeitungen verfolgen sein Schicksal ausgiebig. Das Duell mit Nadal ist selbstverständlich das Topmatch der "Night Session" am Dienstag ( Eurosport, ab 9.30 Uhr MEZ).

Die Pressekonferenz schloss Tomic mit der Bemerkung ab, dass nur er selbst seine Leistungen beurteilen könne, niemand anders. Ob er mit seinem Einsatz also zufrieden sei? Ohne zu zögern antwortete er: "Ich denke, er ist ziemlich gut." Pause. "Was denkst du?" Dann lachte er richtig charmant. Geht doch.

© SZ vom 14.01.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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