Berliner Olympiabewerbung:Eine Stadt ringt - mit sich

Berliner Olympia-Unterstützer

"Ringt euch durch": Berliner Olympia-Unterstützer vor dem Brandenburger Tor.

(Foto: dpa)
  • Viele Berliner sind skeptisch gegenüber einer Bewerbung für die Olympischen Spiele 2024.
  • "Wir wollen die Spiele!" heißt es nun unter dem neuen Regierenden Bürgermeister Michael Müller, der Olympia als Chance für die Hauptstadt sieht.
  • Die Olympia-Befürworter setzen darauf, dass in der Stadt zwar gern erst genörgelt wird, die Berliner sich dann aber doch begeistern lassen.

Von Jens Schneider, Berlin

Anfangs fiel es leicht, Berlins Olympia-Bewerbung für einen Witz zu halten. Auch viele Berliner taten das. Sollte die Stadt, auf deren neuen Flughafen das Land schon ewig wartet, sich an so einem Großprojekt versuchen? Würde die mitunter mürrische Stimmung in der Stadt, manchmal sogar eine ausgesprochene Anti-Haltung, nicht alles ausbremsen?

Im Herbst waren nur 48 Prozent der Berliner für Olympia in Berlin. Man suchte gerade einen Nachfolger für den Regierenden Bürgermeister Klaus Wowereit. Die Berliner Politik war mit sich selbst beschäftigt, es brauchte einige Zeit, bis die Bewerbung der deutschen Hauptstadt zumindest ein wenig Fahrt bekam.

Erst vor einigen Wochen hat der Senat damit begonnen, mit einer Kampagne um die Zustimmung der Bevölkerung zu kämpfen. Plakate und Zeitungsanzeigen preisen die Vorzüge Olympias, auf dem Brandenburger Tor suggeriert eine Leuchtschrift: "Wir wollen die Spiele!" Der neue Regierende Bürgermeister Michael Müller (SPD) rechnet seinen Bürgern vor, welch große Chance die Spiele sein könnten.

Geplant sind Spiele "der kurzen Wege", fern jeder Gigantomanie

"Ringt euch durch!", lautete ein Appell Müllers hintersinnig. Auch er weiß, dass viele Berliner skeptisch sind. "Olympia bringt unserer Stadt zusätzlichen Schub und einen nachhaltigen Mehrwert", wirbt der Regierende. Olympia wäre ein "Sonderinvestitionsprogramm für die Stadt".

Trotz der Zweifel bei vielen Berlinern strahlen die Olympia-Befürworter oft große Zuversicht aus. Die Voraussetzungen in der Stadt geben ihnen das Gefühl, dass Berlin der selbstverständliche Olympia-Anwärter aus Deutschland sein müsste. Schon wegen der internationalen Anziehungskraft: Jahr für Jahr steigen die Besucherzahlen. Und wegen der Sportstätten: Was in Hamburg erst noch entstehen müsste, ist in Berlin längst da.

Das fängt schon mit dem modernen Olympiastadion an, wo 2009 die Leichtathletik-Weltmeisterschaft zu Gast war und in diesem Jahr das Champions League-Finale gespielt wird. Gern verweist man in der Hauptstadt darauf, dass Berlin bereits zwei Drittel der benötigten Sportstätten habe und auch sehr viel mehr Hotelbetten besitze als Hamburg - mehr als vom IOC gefordert. Die Stadt rühmt sich der "modernsten Hotellandschaft in Europa".

Berlin werde keine Sportstätten bauen, die hinterher nicht mehr gebraucht würden, lautet das Versprechen des Konzepts für "nachhaltige Spiele". Auch Trainingsstätten gibt es genug, einige müssten saniert werden. "Ertüchtigung von Vorhandenem statt Gigantomanie" soll eines der Grundprinzipien sein.

Geplant ist ein Olympia der kurzen Wege, mitten in der Stadt. Die Sportstätten sollen schnell mit öffentlichen Verkehrsmitteln zu erreichen sein. Zu diesem Konzept gehört ein "Olympic Campus", an einem Ort im Zentrum "zum Mitfiebern, Mitfeiern und Ausprobieren" sollen alle Wettkämpfe auf Leinwänden gezeigt werden. Ein "Housing Programm" sieht vor, dass Berliner ihre Wohnungen für Gäste öffnen.

Kann sich Berlin Olympia leisten?

Das olympische Dorf für die Athleten soll auf dem Gelände des Flughafens Tegel entstehen, der stillgelegt wird, wenn erst einmal der neue Flughafen BER in Berlin-Schönefeld eröffnet ist. Daraus sollen später 5000 bezahlbare Wohnungen werden. Bau und die Modernisierung der Sportanlagen kosten laut Senat 2,4 Milliarden Euro. Wie teuer die Spiele würden, lässt sich nicht beziffern. Die Stadt verspricht, sie könne im internationalen Vergleich kostengünstige Spiele anbieten.

Zu den Säulen des Berliner Konzepts gehört eine breite Bürgerbeteiligung. Damit hat der Berliner Senat schon besondere Erfahrungen gemacht. Mitte Februar versuchte Regierungschef Müller, das Konzept auf einem Bürgerforum vorzustellen. Es gab Tumulte, die Diskussion wurde von Olympia-Gegnern gestört.

Die Kritiker der Bewerbung warnen vor hohen Kosten und Gigantomanie. Auch die oppositionelle Linkspartei lehnt die Spiele ab, die Grünen nennen die Kampagne des SPD/CDU-Senats einen peinlichen Fehlstart. "Die Menschen treibt die Sorge um, ob sich unsere Stadt Olympia leisten kann und dringend nötige Investitionen in Kitas und Schulen nicht doch zugunsten der Spiele liegen bleiben", warnt die Fraktionsvorsitzende Ramona Pop.

Wo in Deutschland, wenn nicht hier? fragen die Befürworter

"Lächerlich" sei es, "in dieser Situation von Berlin als Olympia-Stadt zu reden", sagt Fraktionschef Martin Delius, als er das Ergebnis der Umfrage erfährt. Linken-Fraktionschef Udo Wolf mahnt: "Das fast Fifty-Fifty-Ergebnis ist kein Nachweis von besonderer Olympiabegeisterung in Berlin." Wenn der Senat jetzt glaube, dass von den 55 Prozent der 1500 befragten Berliner ein Signal für eine Bewerbung zu den Spielen ausgehe, "liegt er falsch".

So steht die große Koalition politisch allein da. Der Dialog in der Stadt soll freilich erst richtig losgehen. Sollte der DOSB sich trotz des Rückstands zu Hamburg für Berlin entscheiden, will der Senat am 13. September die Berliner abstimmen lassen, ob sie Olympia wollen.

Die Olympia-Befürworter setzen darauf, dass in der Stadt zwar gern erst genörgelt wird, die Berliner sich dann aber doch begeistern lassen - wie die Euphorie auf der Fan-Meile bei der Fußball-WM oder der große Zuspruch für die Leichtathletik-WM 2009 zeigten. Sie fragen: Wo in Deutschland, wenn nicht hier? Es gehe ja nicht darum, mit Hamburg, sondern international gegen Boston oder Rom zu bestehen, sagt der Regierende Bürgermeister Müller selbstgewiss.

Mit dieser Haltung soll es nun weitergehen. Die mäßige Begeisterung von 55 Prozent wertet der Senat als Zeichen des Aufschwungs. Alles ist relativ, vor allem in Berlin. Man hatte befürchtet, dass der Abstand zu Hamburg deutlich größer wäre. Innen- und Sportsenator Frank Henkel, CDU, verkündet: "Der olympische Funke ist auf Berlin übergesprungen." Er freue sich, dass die Begeisterung gewachsen sei. "Das ist eine gute Ausgangslage für die deutsche Hauptstadt."

Auch Regierungschef Müller gab sich erfreut. "Die Zahlen belegen, was in den letzten Wochen immer stärker an Rückenwind für das Projekt Olympia und Paralympics in Berlin zu spüren war: Eine klare Mehrheit der Berliner will die Spiele", sagt er. Ein viel besseres Ergebnis konnte Müller ohnehin nicht erwartet haben. Er kennt seine Stadt.

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