Süddeutsche Zeitung

Berliner Frauentennis-Turnier:Herz, Hand, Ball

Lesezeit: 3 min

Die Metamorphose des Berliner Sandplatz-Traditionsturniers in eine Rasenlandschaft war die Grundlage für die Neuauflage des Frauen-Wettbewerbs. Im dritten Jahr sind auch die Zuschauer im Grunewald zurück.

Von Barbara Klimke, Berlin

Grasgrün soll die vorherrschende Farbe sein. Aber erst einmal wird es wild und bunt bei diesem Berliner Rasentennisturnier. Eine überlebensgroße Frauenskulptur mit Netzstrümpfen und Schlangenstola empfängt die Zuschauer gleich am Eingang. Dahinter eine farbenprächtige Wand mit Frauenbildnissen von Elvira Bach. Davor die Künstlerin selbst, die gekommen ist, weil ihr Oeuvre ausnahmsweise Open Air ausgestellt wird, an den Tenniscourts am Hundekehlesee, statt wie bereits 1982 auf der Documenta 7 im Kassel. "Herz und Hand" braucht man für die Kunst, sagt Elvira Bach, eine Anforderung, die sich ohne weiteres auch auf das Spiel mit gelben Filzbällen übertragen lasse.

Der wiederbelebte Tennistraditionswettbewerb im Grunewald will neue, überraschende Wege gehen. Und der sogenannte "Art Walk" mit Werken von Elvira Bach, Kim Dreyer, Franziska Maderthaner, Johann Büsen und Lars Teichmann vitalisiert das Turnier zweifellos. Außerdem bringt er Farbe an die grauen Betonmauern des in die Jahre gekommenen Steffi-Graf-Stadions. Zwischen Kunst zu wandeln, ist schließlich "etwas anderes, als ob man zwischen Würstchenbuden und Platz rumgeht", bemerkt zurecht der Berliner Galerist Klaus-Dieter Brennecke , den der Veranstalter, die Emotion Group, und Turnierdirektorin Barbara Rittner für die Aktion gewinnen konnten.

Blau, rot, orange und violett schimmert das Turnier also an bestimmten Ecken. Dominierend in der Mitte der Anlage, auf dem Center Court, ist aber noch immer das satte Grasgrün. Zum dritten Mal findet der hochdotierte Frauen-Tenniswettbewerb in dieser Woche nun auf Wettkampfrasen statt, und nach zwei Pandemieveranstaltungen hat er nun das erwünschte Format gefunden. Endlich, sagt Rittner, sind wieder Zuschauer auf der Anlage zugelassen: "Im Grund geht es jetzt erst richtig los."

Turnierdirektorin Barbara Rittner hat mehr späte Absagen entgegennehmen müssen, als ihr lieb sein konnte

Denn so verführend die Bilder sein mögen - Reproduktionen übrigens allesamt, schließlich handelt es sich um ein Freiluftturnier -, die Hauptattraktionen für die Besucher am Hundekehlesee sind noch immer die Profis, die das Racket schwingen. Rittner hat zwar mehr späte Absagen entgegennehmen müssen, als ihr lieb sein konnte. Quasi in letzter Minute meldeten sich die Nummer eins, zwei und drei der Weltrangliste ab: Iga Swiatek aus Polen, Anett Kontaveit aus Estland und die Spanierin Paula Badosa; auch Angelique Kerber, immer ein Publikumsmagnet, hat in diesem Jahr ihren Verzicht erklärt, ebenso die Japanerin Naomi Osaka. "Aber wir können das kompensieren", erklärt die Turnierchefin, "wir sind immer noch toll besetzt." Die Wimbledon-Finalistin des letzten Jahres, Karolina Pliskova, spielt in Berlin und hat in der ersten Runde am Montag Kaia Kanepi aus Estland geschlagen (6:7, 6:0, 6:0). Die Olympiasiegerin Belinda Bencic aus der Schweiz tritt am Dienstag gegen DTB-Spielerin Jule Niemeier an.

Auch Cori Gauff, die 18 Jahre alte US-Amerikanerin, hat die Reise in eine Stadt angetreten, die sie bisher nur aus dem Schulunterricht kannte, wie sie nach dem ersten Training erzählte. Vor einer guten Woche bestritt sie ihr erstes Grand-Slam-Finale auf dem roten Sand von Roland Garros in Paris. Nach der Niederlage gegen Swiatek habe sie sich eine Weile von der Enttäuschung und der Erschöpfung erholen müssen, sagte sie. Aber nun will sie die Rasensaison in Angriff nehmen: "Mal sehen, wie weit ich komme und woran ich noch arbeiten muss." Es war in Wimbledon, wo sie sich vor drei Jahren, gerade 15 Jahre alt, zur Verblüffung der Tennisinteressierten in aller Welt bis ins Achtelfinale vorspielte. Und auf Wimbledon-Rasen wird schließlich auch in Berlin gespielt.

Die Metamorphose des Sandplatz-Traditionsturniers auf der Anlage des LTTC Rot-Weiß Berlin in eine Rasenlandschaft war die Grundlage für die Neuauflage des Frauen-Wettbewerbs, sagt Rittner. Alle Turniertermine vor den French Open waren vergeben - und nach Paris wird im Juni vor Englands Klassiker auf Gras, später auf Hartplatz gespielt. "Es gab im Grunde nur die beiden Möglichkeiten", sagt Rittner, "und wir fanden es besser, auf die Wimbledonvorbereitung zu setzen. Das Wetter ist im Sommer gut, und der Center Court in Berlin war schon immer toll."

Das war ganz im Sinne des berühmten All England Lawn Tennis & Croquet Clubs, dem daran gelegen ist, die Gras-Court-Saison weiter auszuweiten. Schon für 2020 wurde in Berlin Rasen gesät. Eine Kooperation mit Wimbledon sorgte dafür, dass der richtige Rasensamen und das Knowhow in den Grunewald kamen. Dann rollte die Pandemie übers Land - und der Ballflug stoppte weltweit: Nur drei Tage wurde damals bei den Bett1Aces in Berlin Rasentennis gespielt. Die Balljungen kredenzten die Bälle mit Mundschutz und weißen Handschuhen. Voriges Jahr fand das Turnier als Bett1Open erstmals in vollem Umfang statt. Nun, im dritten Jahr, sind auch die Zuschauer wieder da.

Und weil es, nach langem Anlauf, in der Riesenstadt nicht einfach ist, zahlendes Publikum in den Grunewald zu locken, gibt es neben Grün auch Blau, Rot und Orange. Von Herz und Hand, wie die Künstler mit Ball und Pinsel sagen würden.

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