Hertha BSC:Derby und Geschäftsführer verloren

Hertha BSC: Mit sofortiger Wirkung freigestellt: Fredi Bobic arbeitet nicht länger als Sport-Geschäftsführer von Hertha BSC.

Mit sofortiger Wirkung freigestellt: Fredi Bobic arbeitet nicht länger als Sport-Geschäftsführer von Hertha BSC.

(Foto: Martin Rose/Getty Images)

Nach dem 0:2 gegen Union im Berliner Derby schmeißt Hertha BSC überraschend den Sport-Geschäftsführer Fredi Bobic raus. Die von ihm zusammengestellte Mannschaft offenbart gegen den enteilten Stadtrivalen erneut große Defizite.

Von Thomas Hürner, Berlin

Heimspiele von Bundesligaklubs starten meist mit kleinen Ritualen, die Lagerfeuergefühle stiften und das Traditionsbewusstsein schärfen sollen. So ist das auch bei Hertha BSC. Bevor im Berliner Olympiastadion die Mannschaftsaufstellung verlesen wird, werden die Hertha-Fans dazu aufgefordert, sich bereit zu machen für "Berlins Fußballteam Nummer eins". Die Hertha-Fans wedeln währenddessen wild mit ihren Schals.

Aber, Moment mal: Die Nummer eins in Berlin?

Am Samstag, vor dem Stadtderby gegen den 1. FC Union, deshalb ein genauer Blick auf die Szenerie: Die Hertha-Fans wedelten zwar, was das Zeug hält, aber auf das restliche Protokoll wurde diesmal verzichtet. Der Stadionsprecher entschuldigte dies, aber jeder kenne nun mal die Tabelle, die gerade nicht die gewohnte Rangordnung in der Stadt widerspiegelt. Das war weder kokett gemeint noch der übliche Trick, mit dem die Favoritenrolle in die Fußballschuhe des Gegners geschoben wird.

Es ist eine Wahrheit, die nur zwei Stunden nach der 0:2-Niederlage gegen Union auch personelle Konsequenzen nach sich zog: Fredi Bobic, der Geschäftsführer Sport bei Hertha, wurde mit sofortiger Wirkung freigestellt. So habe es "das Präsidium gemeinsam mit dem Aufsichtsrat des Hertha BSC e. V" entschieden, wie der Klub in seinem offiziellen Kommuniqué mitteilte. Bobic war damit lediglich eineinhalb Jahre im Amt, seine Mission, aus der wankelmütigen Hertha einen gefestigten Bundesligisten zu machen, darf als gescheitert gelten.

In der Vorsaison gelang den Berlinern der Klassenverbleib erst in der Relegation, und auch auch aktuell zeigt der Trend wieder gefährlich in Richtung Zweitklassigkeit: Hertha ist Tabellenvorletzter und hatte unmittelbar vor dem Derby 1:3 in Bochum und 0:5 gegen Wolfsburg verloren. Desolate Auftritte waren das, eine Mischung aus Resignation und Slapstick. Union? Als Zweitplatzierter und schärfster Verfolger des FC Bayern mittlerweile um Lichtjahre enteilt, und im stadtinternen Direktvergleich sowieso: Die Köpenicker entschieden am Samstag zum fünften Mal in Serie das stadtinterne Kräftemessen für sich.

Das von Bobic zusammengestellte Team präsentiert sich wieder inspirationslos und mit der Situation überfordert

Das entbehrt nicht einer gewissen Symbolik mit Blick auf die Demission von Bobic, denn bei drei Niederlagen stand der 51-Jährige bei Hertha in Verantwortung - und die letzte in der Reihe brachte dann nicht mehr Erbauliches zutage, als das in den Vorjahren der Fall gewesen war. Im Gegenteil: Man musste Erbauliches suchen wie eine Nadel im kolossalen Steinbau des Berliner Olympiastadions, in dem sich Zuschauer mitunter schon bei der Suche nach den Toiletten verirren.

Immerhin: Die Protagonisten der Heimelf gaben sich eine Menge Mühe, um Aufbauendes aus dieser Niederlage herauszufiltern. "Man hat uns angesehen, dass wir wollten", fand etwa der Hertha-Offensivmann Marco Richter. "Wir haben alles gegeben", sagte der Torwart Oliver Christensen. Und der Trainer Sandro Schwarz hielt ein fast schon flammendes Plädoyer für seine Spieler: "Ich bleibe dabei: Das sind unsere Jungs. Auch wenn das eine beschissene Woche war, wissen wir, dass sie Widerstände überwinden können." Am Samstag zeigte sich: Das von Bobic zusammengestellte Hertha-Team präsentierte sich mal wieder inspirationslos und mit der Situation überfordert.

Nur die sogenannten Grundtugenden stimmten: Die Schwarz-Elf hielt körperlich dagegen und wurde sogar mitunter dabei gesichtet, wie sie den Gegner hoch anlief. Da Union aber exakt dasselbe tat, neutralisierten sich die Mannschaften so konsequent, dass nur ganz wenig Fußball übrig blieb.

Hertha BSC: Sheraldo Becker rauscht durch, Paul Seguin trifft: Dank des 2:0 gegen Hertha bleibt Union Tabellenzweiter hinter dem FC Bayern.

Sheraldo Becker rauscht durch, Paul Seguin trifft: Dank des 2:0 gegen Hertha bleibt Union Tabellenzweiter hinter dem FC Bayern.

(Foto: Michael Taeger/Jan Huebner/Imago)

So hatte die erste Halbzeit den Charakter einer Wirtshausrauferei zu später Stunde: Es ging ruppig zu, mit vielen Nahduellen und Nickligkeiten, und beiden Teams fehlte es an der nötigen Präzision, um dem Kontrahenten wirklich weh zu tun. Niedriger als das Spieltempo waren lediglich die Temperaturen im eiskalten Olympiastadion. In der ersten Halbzeit war daher von beiden Seiten nichts zu vermelden, was im weitesten Sinne die Begriffe "Angriff" oder wenigstens "Offensivbemühung" rechtfertigen würde. Hertha und Union lauerten stattdessen. Und lauerten. Und lauerten. Und dann lauerten sie noch ein wenig weiter, bis Union einen Freistoß aus halblinker Position zugesprochen bekam.

Berlin und Standardsituationen, da war doch was: Hertha gehört in in dieser Rubrik zu den schlechtesten Bundesliga-Teams und hat sich so schon einige Gegentreffer eingefangen. Union hingegen trifft nach ruhenden Bällen besonders gerne. So auch in der 44. Minute: Christopher Trimmel flankte, Danilho Doekhi köpfte wuchtig aufs Tor, 1:0 Union. "Sowas passiert", klagte Richter mit Blick auf die Standardschwäche der Hertha: "Dass es uns so häufig passiert, ist bitter."

Die Hertha bleibt bemüht, aber das reicht nicht, um die gut organisierten, giftigen Unioner vor ernsthafte Probleme zu stellen

Die Heimelf blieb nach dem Rückstand bemüht, aber es war ein "bemüht" im Sinne von: Das reicht nicht, um die wie immer gut organisierten und giftigen Unioner vor ernsthafte Probleme zu stellen. Das Spiel war im Gegenteil das perfekte Fallbeispiel dafür, dass Statistiken die Essenz eines Fußballspiels mitunter sehr verzerrt wiedergeben. Hertha lief mehr, gewann mehr Zweikämpfe, hatte mehr Ballbesitz und schoss öfter aufs Tor. Aber nichts davon wirkte wie ein Indiz dafür, dass Hertha in diesem Spiel einen Treffer erzielen oder einen weiteren verhindern können würde.

Exakt so kam es dann auch: Bei einem Pressschlag im Strafraum der Köpenicker spielte Unions Rani Khedira den Ball und nicht den Fuß des Gegners. Hertha-Fans pfiffen und glaubten, soeben einem skandalösen Betrugsfall beigewohnt zu haben, aber währenddessen war Sheraldo Becker schon längst in Richtung Hertha-Tor unterwegs. Der rasend schnelle Becker zog an Verteidiger Peter Pekarik vorbei, dessen ungeschickte Abwehraktion ein Lehrstück dafür war, wie man keinesfalls verteidigen sollte. Als Becker durch war, waren nur noch ein Herthaner und sein Teamkollege Paul Seguin dabei. Ein Querpass genügte, Seguin schob ein, 0:2. Das Tor hielt der Videoanalyse stand. Hertha schaffte es in der Folge kein einziges Mal noch gefährlich vors Tor der Köpenicker.

Die fehlende Offensividee ist etwas, das in Berlin zuletzt häufig auch Bobic angelastet wurde. Er entließ als die Vereinsikone Pal Dardai als Trainer, lag dann bei dessen Nachfolger Taifun Korkut daneben und setzte danach auf den Nothelfer Felix Magath, dem dann tatsächlich der Klassenverbleib gelang. Es wurde aber nie ganz klar, für welche Art von Fußball Hertha stehen soll - und zu sehen war meist eine Hertha, die darauf ausgerichtet war, mit einer rigorosen Riegeltaktik Fußball zu verhindern. Schwarz war von Bobic geholt worden, um das zu ändern, aber weder bei den Ergebnissen noch in der B-Note wurden nachhaltige Besserungen verzeichnet. Auch bei Transfers lag Bobic häufig daneben.

Was da noch Zuversicht macht? Vielleicht ja das Versprechen des Union-Trainers Urs Fischer, gegen die Liga-Konkurrenz so viele Punkte zu holen wie möglich: "Wenn man Hertha damit helfen kann, dann sehr gerne!" Ohne den Nachbarn würde ja einiges fehlen, die Stimmung im Olympiastadion, die Rivalität in der Stadt, das Derby ganz im Allgemeinen. Und dann wünschte Fischer der Hertha noch "viel Glück" - dass Hertha überdies schon bald einen neuen Sport-Geschäftsführer brauchen würde, das konnte er da freilich noch nicht wissen.

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