Joseph Blatter und Thomas Bach stehen gleich neben brutalen IS-Kämpfern, mächtigen mexikanischen Drogenbossen und bösartigen Tyrannen. Die Organisation Human Rights Watch prangert in ihrem Jahresbericht diesmal nicht nur Menschenrechtsverletzungen in Diktaturen an, sondern auch Unrecht im Sport. Eines von vier Kapiteln widmet sie in dem Bericht ddem Internationalen Olympischen Komitee (IOC) und dem Fußball-Weltverband Fifa. "Menschenrechte wurden bei Olympia niedergetrampelt", heißt es. "Wer sich anschaut, wo die nächsten Spiele stattfinden, merkt, dass die Situation nicht besser werden dürfte."
Natürlich sind Fifa-Präsident Blatter und IOC-Boss Bach nicht mit den Despoten dieser Welt zu vergleichen. Die Human-Rights-Watch-Kritik ist dennoch keineswegs vermessen - und sie kommt zum richtigen Zeitpunkt.
Viel zu bequem ist es für die Sportfunktionäre geworden, Großereignisse an Partner wie Russland, China oder Katar zu vergeben. Ausbeutung der Stadionarbeiter, Diskriminierung von Frauen oder Homosexuellen, Zwangsumsiedlungen - darüber sehen IOC und Fifa gerne hinweg, wenn die Vergabe von Sportereignissen lukrative Geschäfte verspricht. "Wenn Athleten Regeln verletzen, werden sie sanktioniert", kritisiert der Human-Rights-Watch-Bericht deswegen. "Doch wenn Länder, die Veranstaltungen ausrichten, dagegen verstoßen, müssen sie nichts befürchten."
Jahresbericht von Human Rights Watch:Menschenrechtler kritisieren Sportevents
Menschen werden ausgebeutet, umgesiedelt, zum Schweigen gebracht: Vor großen Sportevents kommt es regelmäßig zu Menschenrechtsverstößen. Die Organisation Human Rights Watch fordert deshalb in ihrem Jahresbericht Reformen von IOC und Fifa.
Die kommenden Fußball-Weltmeisterschaften werden in Russland und Katar ausgetragen, für die Olympischen Winterspiele 2022 bewerben sich nur zwei Kandidaten: China mit Peking und Kasachstan mit Almaty. Die European Games 2015 finden erstmals in Aserbaidschan statt. All diese Länder werden im Index "Freedom of the World" als "unfrei" gelistet. Menschenrechte werden hier nicht geachtet, Demokratie gibt es nicht. Human Rights Watch fordert deswegen, Sportereignisse nur noch an Länder zu vergeben, die Menschenrechte einhalten und auch nach der Vergabe zu überwachen, ob diese geachtet werden. Die Reformversuche von IOC und Fifa der vergangenen Monate gehen dafür nicht weit genug.
Der Sport schafft es nicht, sich aus eigenem Antrieb zu bewegen. Deswegen ist es wichtig, dass nun immer mehr Organisationen, Politiker und Wirtschaftsunternehmen eingreifen. Amnesty International prangert an, dass beim Stadionbau in Katar Hunderte Arbeiter umkommen. Der Kulturausschuss des Europarats wirft der Fifa vor, Korruptionsermittlungen wegen der WM-Vergabe nach Katar zu behindern. Sponsoren wie Sony und Emirates wenden sich vom Fußball-Weltverband ab, weil das positive Image Kratzer bekommen hat. Und nun legt Human Rights Watch nach. Das erzeugt Druck.
Gastarbeiter in Katar:Träume in der Wüste
Die meisten Gastarbeiter, die Katar für die Fußball-WM 2022 rüsten, leben unter menschenunwürdigen Zuständen. Der Arbeitsminister verspricht Reformen: "Unsere Taten werden für uns sprechen." Wenn Katar ernst macht, könnte es Vorbild für seine Nachbarn sein.
Sportler sind es gewohnt, unter Druck zu agieren und dennoch am Ende als Sieger dazustehen. Für die IOC- und Fifa-Funktionäre dagegen ist Druck von außen etwas Neues. Sie sollten schnell lernen, damit umzugehen. Denn für sie steht viel auf dem Spiel: Sie könnten jetzt nicht nur ein Match oder ein Rennen verlieren, sondern etwas für den Sport Elementares: den letzten Rest Glaubwürdigkeit.