Süddeutsche Zeitung

Eklat in Portugal bei Belenenses:Neun Freunde sollt ihr sein

Weil 29 Ausfälle nicht kompensiert werden konnten, muss Os Belenenses gegen Benfica mit neun Profis antreten. Als sich drei weitere Spieler mit Wehwehchen abmelden, verkommt das Spiel mit deutscher Beteiligung zur Farce.

Von Javier Cáceres

Der Schiedsrichter hatte bloß zur Halbzeit gepfiffen. Doch der Präsident von Os Belenenses, Rui Pedro Soares, weinte bitterlich ob der Scham, die er verspürte. Mit 0:7 lag seine Mannschaft zurück, gegen Benfica zwar, und selbst das hatte es schon mal gegeben. 1963, als der große, längst verstorbene Benfica-Held Eusébio noch spielte und seine Mannschaft gegen einen anderen Nachbarn, den FC Seixal, zu einem 10:0-Sieg trieb.

Doch das waren in jeder Hinsicht andere Zeiten, und Soares weinte auch nicht nur wegen des Resultats, sondern weil er Teil einer Veranstaltung war, die in den portugiesischen Zeitungen vom Sonntag nur einen Titel kannte: "Farce", schrieb die Zeitung O Jogo. Und Record wunderte sich: "Kaum zu glauben, dass das wirklich passiert ist."

Sieben Fußballer haben handelsübliche Verletzungen, 13 sind positiv auf Corona getestet

Mit lediglich neun Spielern hatte Belenenses das Feld betreten - unter ihnen zwei Torhüter, von denen einer, João Monteiro, fachfremd in der Offensive auflaufen musste. Der Grund: eine Anzahl an Ausfällen, die man gut und gern epidemisch nennen kann.

Zwar hatte Belenenses vor Saisonbeginn bei der Liga 38 Athleten gemeldet. Aber das reichte nicht, um alle Blessuren und Infektionen aufzufangen. Sieben Spieler hatten handelsübliche Fußballerverletzungen, 13 waren positiv auf Corona getestet worden, weitere neun wurden als "enge Kontaktpersonen" in die Isolation geschickt. Belenenses trat auch ohne Trainerteam an, es war von den Gesundheitsbehörden ebenfalls zur Quarantäne verdammt worden.

Belenenses schlug sich exakt so, wie es das Resultat suggeriert. Es brachte nicht einen einzigen Schuss aufs gegnerische Tor, dafür aber einen aufs eigene Tor, denn die Führung Benficas erzielte Belenenses-Restposten Kau nach nicht einmal 60 Sekunden. Danach trafen der Schweizer Seferovic (14./39., Foulelfmeter), Darwin (32. /34./45.) und Benficas defensiver Mittelfeldspieler Julian Weigl mit einem formidablen Weitschusstor (27.) zum zwischenzeitlichen 3:0.

Die Halbzeitpause dauerte dann so lange, dass die ersten Zuschauer das Stadion schon verließen, im festen Glauben, die Partie würde abgebrochen. Doch dann kam es doch zum Wiederanpfiff, obwohl das Heimteam nicht mal mehr alle Neune beisammenhatte: Zwei Belenenses-Spieler waren nicht auf den Rasen zurückgekehrt, angeblich waren sie verletzt. Dann legte sich João Monteiro nieder und signalisierte, nicht mehr weiterspielen zu können. Der Referee pfiff ab. Benficas Trainer Jorge Jesús tröstete jeden einzelnen Belenenses-Spieler. Was er zum Spektakel dachte, behielt er für sich. Er erschien nach seinem 600. Spiel als Coach nicht zur Pressekonferenz.

Wie viele Spieler zur Verfügung stehen würden, hat Belenenses angeblich erst in letzter Minute gewusst

Dafür sprachen die Präsidenten. Benficas Vorsitzender Rui Costa, ein früherer Weltklasseregisseur, betonte, dass seinen Klub keine Verantwortung treffe. Hier und da wurde gemutmaßt, Belenenses habe mit dem örtlichen Gesundheitsamt über Bande gespielt, um eine Verlegung von Amts wegen zu erreichen, ohne Gefahr zu laufen, Punkte aberkannt zu bekommen. Bei Benfica wunderte man sich wiederum, dass Belenenses trotz der Personallage nie um eine Neuansetzung ersucht habe.

Belenenses-Präsident Soares wiederum beteuerte, dass man das am Samstagnachmittag sehr wohl getan habe, nach einem Samstag mit verwirrenden Testergebnissen. Es habe falsch positive und falsch negative Tests gegeben. Wie viele Spieler zur Verfügung stehen würden, hat Belenenses angeblich erst in letzter Minute gewusst. So oder so: Die Liga habe auf die Austragung gepocht und mit heftigen Sanktionen gedroht; die Gesundheitsbehörden wiederum hätten keinen Anlass gesehen, das Spiel abzusagen.

"Das alles ist eine große Schande, die kein Reglement und kein Terminkalender rechtfertigen kann", sagte Soares, der seine Spieler ausdrücklich in Schutz nahm. "Ich schaue seit 48 Jahren Fußball, und ich habe noch nie so würdige Spieler wie diese neun gesehen", erklärte er. Einer davon, Afonso Sousa, dichtete ergriffen: "Der Fußball hat nur Farbe, wenn es Wettbewerb gibt. Der Fußball hat nur Farbe, wenn es sportliche Wahrheit gibt. Der Fußball hat nur Farbe, wenn er ein Vorbild für die öffentliche Gesundheit ist. Heute hat der Fußball seine Farbe verloren."

Wie auch immer: Das Ergebnis wird den Regeln gemäß mit 7:0 für Benfica gewertet werden, was nach dem "Kantersieg über den Fußball", wie O Jogo schrieb, noch ein Spaß werden könnte, falls es am Ende der Saison aufs Torverhältnis ankommen sollte. Denn Benfica kämpft um den Titel, Belenenses gegen den Abstieg.

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