Süddeutsche Zeitung

Belgischer Fußball:Heikle Absprachen, merkwürdige Pfiffe

Lesezeit: 3 min

Von Thomas Kirchner, Brüssel

Mittwochmorgen, fünf Uhr. Polizisten stürmen das Anwesen des Spielervermittlers Mogi Bayat in Lasne, einem Ort im grünen Gürtel südöstlich von Brüssel. "Sie waren alle vermummt und bewaffnet", empört sich Bayats Anwalt später: "Sie haben die Türen aufgebrochen und sogar seiner Frau eine Pistole an die Schläfe gehalten. Alles vor den Kindern."

In den nächsten Stunden werden 43 weitere Häuser und Büros in ganz Belgien durchsucht. Betroffen von der "Operation Saubere Hände" sind Makler, Vereins-Bosse, Trainer, Spieler, Manager, Schiedsrichter, Anwälte, sogar zwei Journalisten. Bei neun belgischen Topklubs sichern die Ermittler Beweise: unter ihnen Rekordmeister RSC Anderlecht, Standard Lüttich, Royal Antwerpen sowie der FC Brügge, Gegner von Borussia Dortmund in der Champions League, dessen Trainer Ivan Leko die Nacht in einer Gefängniszelle verbringen musste. Gegen vier Personen wurde Anklage wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung und Bestechung erhoben, einer weiteren Person wird zusätzlich Geldwäsche vorgeworfen. 18 Verdächtige würden im Laufe des Tages noch verhört, erklärte die Staatsanwaltschaft am Donnerstag; Geld, Luxusuhren und Schmuck im Wert von acht Millionen Euro seien beschlagnahmt worden.

Das Ausmaß des Skandals ist noch nicht abzusehen, aber belgische Kommentatoren sind einig, dass er das Geschäft mit dem Profi-Fußball im Lande erschüttern wird. Es sei eine Bombe in die Luft gegangen, die schon lange getickt habe, schreibt die Gazet van Antwerpen. Das Image des belgischen Fußballs werde "enorm beschädigt", sagte ein Verbandssprecher.

Die Ermittlungen laufen offiziell seit Ende 2017, erste Hinweise trafen aber wohl schon 2015 ein. Zunächst ging es um den Verdacht auf Geldwäsche, unsaubere Transaktionen, Steuerbetrug. Während die Telefone von Mogi Bayat und seines Kollegen Dejan Veljkovic abgehört wurden, fielen dann auch Absprachen rund um zwei heikle Spiele in der ersten belgischen Liga auf, der Jupiler Pro League.

Ein Ergebnis, das Beobachtern schon damals verdächtig vorkam

Im Verdacht steht laut Staatsanwaltschaft zum einen das Match von KV Mechelen gegen Waasland-Beveren vom 11. März 2018. Mechelen brauchte einen hohen Sieg, um nicht abzusteigen, und suchte offenbar Hilfe bei Veljkovic. Der Serbe hatte etliche Spieler von Mechelen unter Vertrag und ließ, so scheint es, seine Beziehungen spielen. In Beveren war man wohl nicht abgeneigt, ehrenhaft zu verlieren. Schließlich hatte man selbst schon einmal Hilfe aus Mechelen im Abstiegskampf erhalten. Vier Klub-Obere aus Beveren zogen mit, Mechelen gewann 2:0. Das reichte aber letztlich nicht, weil der punktgleiche Konkurrent Eupen an dem Tag ein 4:0 gegen Mouscron feierte - ein Ergebnis, das Beobachtern schon damals verdächtig vorkam. Dort könnte wiederum der Vermittler Bayat, der Mouscron nahe steht, die Hände im Spiel gehabt haben.

Auch vor dem Spiel Antwerpen gegen Eupen vom 3. März gab es anscheinend Absprachen. Der Schiedsrichter Bart Vertenten soll in diesen Wochen mehrmals zu Gunsten von Mechelen gepfiffen haben: besonders auffällig war ein Elfmeter nach einem Foul klar vor dem Strafraum. Sowohl Vertenten als auch sein Kollege Sébastien Delferière hatten laut Staatsanwaltschaft engen Kontakt mit Veljkovic. Zwei Journalisten habe der Vermittler dazu gebracht, positiv über die Leistung der Schiedsrichter zu berichten.

Neben dem Serben steht Bayat, einflussreichster Strippenzieher im belgischen Fußball, im Mittelpunkt des Skandals. Der gebürtige Iraner war zunächst in Frankreich bei Cannes tätig und kam 2003 als technischer Direktor zum SC Charleroi, wo sein Onkel Abbas damals als Präsident tätig war. Bekannt wurde Bayat durch die Verpflichtung von Talenten aus niedrigen französischen Spielklassen. Seit 2010 arbeitet er als Spielervermittler, der sich bei vielen Vereinsbossen unersetzlich gemacht hat, weil er nicht nur günstige Spieler beschafft, sondern auch weiß, wie man sie bei Misserfolg wieder los wird. Er hatte problemlos Zutritt zu den Büros fast aller Klubs. "Der belgische Fußball ist ein Klub einiger alter weißer Männer plus Mogi", zitiert De Morgen einen Spielervermittler aus dem Ausland.

Bayats Charakter gilt als schwierig. Die belgische Sportpresse, mit der er sich oft angelegt hat, malt ihn in düstersten Farben. Zwar könne er "den Markt besser lesen" als alle anderen, heißt es, sei aber aufbrausend, rachsüchtig, manipulativ. Er habe das Metier "trumpisiert", schimpfte sein Kollege Nenad Petrovic schon vor Monaten. Kommentatoren beklagten die "ungesund große Rolle" der Spielervermittler im belgischen Profifußball. Der Skandal sei eine gute Gelegenheit, die "dubiose Situation" zu verbessern.

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Quelle:
SZ vom 12.10.2018
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