Belgien - Panama:Rote Teufel schmoren in der Vorhölle

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Der ewige Geheimfavorit Belgien tut sich beim 3:0 über den WM-Neuling Panama eine Halbzeit lang schwer. Dann gelingt Mertens ein fulminanter Fernschuss, und Romelu Lukaku sorgt für den Rest.

Von Javier Cáceres, Sotschi

Die Geschichte der Fußball-Weltmeisterschaft ist um eine erfrischende Dosis karibischer Rhythmen bereichert worden. Panama, Traumdestination von Lesern des Autors Janosch und Inhabern von Briefkastenfirmen, feierte in der Schwarzmeerstadt Sotschi das erste WM-Spiel seiner Geschichte. In einer von Salsa-Rhythmen und -Hüftschwüngen geprägten Atmosphäre verloren die Panamaer zwar gegen Belgien in der Gruppe G 0:3. Doch das war nur bedingt von Belang. Wichtiger war, dass die Panamaer nun sagen können: Wir waren dabei. Das reichte. Niemand am Panama-Kanal, wo so viele Baseball-Profis und Boxer aufgewachsen sind und kaum je Fußballer geboren wurden, hatte sich der Illusion hingegeben, dass ihre fast ausschließlich mit unterklassigen Fußballern bestückte Mannschaft der Multimillionärstruppe aus Belgien das Wasser reichen könnte.

Unbehelligt Richtung Tor: Romelu Lukaku (rechts) erzielt das 3:0 gegen Panama-Keeper Jaime Penedo - der erste WM-Doppelpack eines Belgiers seit Marc Wilmots vor 20 Jahren (beim 2:2 gegen Mexiko). (Foto: Odd Andersen/AFP)

Bei Panama sticht nur eins heraus: die Unnachgiebigkeit ihrer Zweikampfführung

Es dauerte keine sechs Minuten, bis Jaime Penedo wusste, dass er der Hauptdarsteller in einem Einbahnstraßenspiel werden würde. Penedo, muss man dazu wissen, ist der 36 Jahre alte Torwart der Panamaer, der bei Dynamo Bukarest unter Vertrag und dort tatsächlich die Nummer 1 ist. Yannick Carrasco und Dries Mertens fanden in diesem überraschend guten Penedo ihren Meister (6./7. Minute), Eden Hazard und Kevin De Bruyne trafen wenig später das Tor nicht (12./22.). Zwischendrin hätte Román Torres, Panamas 85 Kilo schwerer Abwehrchef mit den Rasta-Locken, fast ein Eigentor erzielt. Die Minuten vergingen, es fiel kein Tor, und damit stieg sekündlich der morbide Reiz einer unter ästhetischen Gesichtspunkten irrelevanten Begegnung. Der Reiz erwuchs daraus, dass eine hoffnungslos überlegene Mannschaft gegen die Karikatur eines Underdogs litt.

Panamas Trainer Hernán Bolillo Gómez, ein Kolumbianer, hatte seinem Team offenbar nicht viel mehr auf den Weg gegeben, als dass sie um Leben und Vaterland kämpfen sollten. Denn jenseits der infantil anmutenden Angriffsbemühungen der Panamaer (sie kamen in der ganzen ersten Halbzeit nur auf einen Schuss aufs Tor) stach vor allem eines heraus: die Unnachgiebigkeit ihrer Zweikampfführung. Es war, als hätten sie zur Einstimmung die alten Videos von Vinnie Jones geschaut, dem legendären Gewalttäter aus der englischen Premier League. Aber selbst den gesammelten Grobschlächtigkeiten wohnte ein faszinierender Charme inne, solange keiner zu Schaden kam. Und den Roten Teufeln aus Belgien behagte es überhaupt nicht, in der Vorhölle zu schmoren.

Anschauungsunterricht für die WM-Debütanten aus Panama: Dries Mertens (bewundert von Armando Cooper) trifft volley zum 1:0 für Belgien. (Foto: Francois Lenoir/Reuters)

Denn mit jeder vergebenen Chance - sei es durch Hazard (38.), Lukaku (49.) oder Mertens (41.) - stieg die Nervosität eines Teams, die auch dieses Mal zu den Geheimfavoriten gezählt wird. Als es zur Pause 0:0 stand, haftete der Partie sogar ein Aroma an, das an das 0:1 Argentiniens gegen Kamerun bei der WM 1990 in Italien erinnerte. Oder an das 1:2 Deutschlands gegen Algerien 1982 in Spanien Oder um noch weiter zurückzugehen: an das 0:1 Italiens gegen Nordkorea in England 1966.

Nach der Pause richteten sich allerdings die Dinge für die Belgier: Nach zwei ungelenken und zu kurz geratenen Abwehrversuchen der Panamaer nahm Dries Mertens den Ball vom Strafraumeck volley. Penedo war erstmals machtlos (47.) und konnte dann von Glück sagen, dass De Bruyne mit einem direkten Freistoß aus 28 Metern knapp scheiterte (52.). Die Panamaer ließen sich nicht beirren - und kamen zu einer unglaublichen Chance: Michael Murillo stand nach einem Pass in den Strafraum allein vor Belgiens Torwart Thibaut Courtois (54.). Doch Murillo vergab.

Nach 15 Minuten Leerlauf vermochte es Belgien dann doch, einen sehenswerten Angriff vorzutragen. De Bryune drang in den Strafraum ein und flankte den Ball mit dem Außenrist auf den Kopf von Mittelstürmer Romelu Lukaku, der souverän einnickte (69.). Sechs Minuten später erhöhte Lukaku nach einem langen Pass in den freien Raum auf 3:0, indem er den Ball über Torwart Penedo hinweg lupfte. Damit war die Partie entschieden - zumal die Panamaer nach ihrem aufopferungsvollen Kampf alle Reserven aufgebraucht hatten. Die drei Punkte holten die Belgier, doch die Sympathien gehörten den WM-Novizen aus Mittelamerika.

© SZ vom 19.06.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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