Süddeutsche Zeitung

Ishak Belfodil bei Hoffenheim:Die Wandlung des "Torkrokodils"

  • Hoffenheims Ishak Belfodil trifft gegen Augsburg drei Mal - und hat damit in der Rückrunde schon neun Bundesliga-Treffer erzielt.
  • Seinen Trainer Julian Nagelsmann lobt er: "Ich glaube an seinen Plan. Ich versuche alles umzusetzen, was er sagt."
  • Im Winter beklagte sich Belfodil über zu wenig Spielzeit - und wollte schon wieder weg.

Von Sebastian Fischer und Tobias Schächter, Augsburg

Er war der Spieler des Tages, das wusste er, aber er wusste auch, warum seine Worte nun bescheiden klingen sollten. "Ich verstehe nun viel mehr, was der Trainer von uns will", sagte Ishak Belfodil, der gerade für die TSG Hoffenheim beim 4:0 in Augsburg drei Tore geschossen hatte. "Ich glaube an seinen Plan. Ich versuche, alles umzusetzen, was er sagt." Dann ging er in die Kabine und nahm das Geheimnis mit, wie er zu einem der besten Bundesligastürmer der Rückrunde wurde.

Spiele der TSG Hoffenheim, des Bundesligadritten der vergangenen Saison, sind in der öffentlichen Wahrnehmung immer noch nicht unbedingt die Höhepunkte des Wochenendes, auf Sky schalten oft wenige Zuschauer ein. Das ändert aber nichts daran, dass bei Spielen der TSG Hoffenheim stets so etwas passieren kann wie in der 6. Minute am Sonntag: Nationalspieler Nico Schulz leitete mit einem Direktpass einen Angriff ein, Augsburgs Verteidiger schauten kombinierenden Hoffenheimern hinterher, Andrej Kramaric traf, ein Spieler, der für Kroatien im WM-Finale spielte. Und es kann bei Spielen der TSG Hoffenheim gerade auch passieren, dass Belfodil ein Tor nach dem anderen schießt. Vier waren es bloß in der Hinrunde, neun sind es in der Rückrunde, fünf waren es in den vergangenen beiden Spielen.

Um diese Wandlung zu erklären, muss man in Bremen anfangen, wo Belfodil in der vergangenen Saison in 26 Einsätzen nur viermal traf. Sie hielten ihn beim SV Werder für einen Fußballer mit herausragenden Fähigkeiten, gaben ihm den Spitznamen "Torkrokodil", doch wussten auch um sein bisweilen divenhaftes Verhalten, wenn es nicht so läuft. Das beweist seine Sportlerbiografie: Geboren in Algerien, aufgewachsen in einer Vorstadt von Paris, spielte er schon in seiner Juniorenzeit für fünf verschiedene Klubs, unter anderem für Paris Saint-Germain und Olympique Lyon. Seit 2012 stand er bei neun verschiedenen Vereinen unter Vertrag, in Frankreich (Lyon), Italien (unter anderem Inter Mailand), den Vereinigten Arabischen Emiraten und in Belgien bei Standard Lüttich, wo er bislang am erfolgreichsten war, mit elf Treffern in 25 Einsätzen. Dass Hoffenheim für Belfodil im Sommer 5,5 Millionen Euro Ablöse zahlte, war also nicht unumstritten. Doch sie sahen großes Potenzial in ihm.

In der Hinrunde hatte Trainer Nagelsmann den Angreifer einmal gar suspendiert

Hoffenheims Sportchef Alexander Rosen erzählt, die Klasse des 1,92 Meter großen Stürmers sei schon nach einer Woche im Training zu sehen gewesen. "Ishak ist groß, stark, schnell, er ist ein kompletter Stürmer mit vielen Waffen." Für seine bullige Statur ist sein Spielwitz außergewöhnlich, in ihm steckt eine Bolzplatzmentalität, er ist beinahe ein Zehner auf der Neunerposition. Rosen sagt, er habe sich gefragt: "Wo ist da der Haken?" Er erkannte es ein paar Monate später.

Im September verpasste der Stürmer eine Mannschaftssitzung, Trainer Julian Nagelsmann suspendierte ihn für das erste Hoffenheimer Champions-League-Spiel gegen Donezk. In fünf Hinrundenspielen kam er gar nicht zum Einsatz, oft wurde er nur eingewechselt. Im Winter beklagte sich Belfodil über zu wenig Spielzeit - und wollte schon wieder weg. Schalke 04 zeigte Interesse. "Es waren emotionale Diskussionen, aber nichts, mit dem man nicht umgehen konnte", sagt Rosen: "Ich habe ihm gesagt: Bleib hier! Du bist gewollt. Setz dich einfach durch." Und Belfodil blieb. Nagelsmann berichtete am Sonntag auch von Gesprächen mit dem Stürmer. "Es ist relativ normal bei uns, dass die Zugänge Zeit brauchen", sagte er. Bis die Zugänge seinen raffinierten Fußball verstehen, meinte er wohl. Belfodil, erklärte Nagelsmann, habe das Timing im Verhalten nach Ballverlusten gefehlt, im Gegenpressing. Doch der Stürmer arbeitete an sich.

Wenn man so will, dann war das Spiel am Sonntag symbolhaft für Belfodils Entwicklung hin zu dem Spieler, den sie in Hoffenheim in ihm gesehen haben. In der ersten Halbzeit verzweifelten seine Mitspieler bisweilen an seinen Aktionen, zweimal vergab er große Torchancen, die noch viel größer geworden wären, hätte er abgespielt. In der Halbzeit, erzählte Nagelsmann, sprachen seine Mitspieler die Aktionen an. Und in der zweiten Halbzeit, begünstigt von chancenlos unterlegenen Augsburgern, zeigte Belfodil seine Klasse, traf mit einem Flugkopfball zum 2:0 und schloss nach verblüffend schnellen Sprints zwei Konter zum 3:0 und 4:0 ab. "Ich mag ihn", sagte Kerem Demirbay, der vor dem Tor zum 2:0 die Flanke geschlagen hatte. "Ich spüre ihn auch. Ich spüre, wann er in welchen Situationen wo steht."

In den letzten sechs Spielen der Saison, bevor Julian Nagelsmann im Sommer den Verein zu RB Leipzig verlässt, will die TSG Hoffenheim noch den Europapokal erreichen, gerade fehlt ein Punkt bis zum sechsten Platz. Ishak Belfodil sprach so überzeugt von diesem Ziel, dass man sich vorstellen konnte, dass er noch das eine oder andere Tor dazu beitragen will. Und Andrej Kramaric, der schon 15 Saisontore geschossen hat, spielt ja auch noch mit. Ganz egal, ob man Hoffenheim mag: Man wird es eher nicht bereuen, ihnen dabei zuzuschauen.

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SZ vom 09.04.2019/chge
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