Begriffe der Bundesliga-Saison:A wie Alibi-Käse, P wie Phantomtor

Bayern Muenchen v 1. FC Kaiserslautern - DFB Cup

In allen Sprachen die gleiche Message: Pep Guardiola erklärt seine Spielidee - häufig geht es um "Ballbesitz". Und um viele andere Dinge.

(Foto: Bongarts/Getty Images)

Was bleibt von der Saison 2013/2014 in Erinnerung? Ein Trainer, der in allen erdenklichen Sprachen über seine Idee des Fußballs philosophiert. Ein Klub, der liebend gerne ein "Pissverein" ist und ein Österreicher, der alle "deppert" macht. Die prägenden Vokabeln dieser Bundesliga-Spielzeit.

Von der SZ.de-Sportredaktion

Jetzt macht sie also Pause, die alte Tante Bundesliga. Sie hat ihren Anhängern wieder einmal ein ereignisreiches Jahr geschenkt. In München mussten sie einen Katalanen von Weltruf in die Bayern-Welt integrieren. Das klappte vortrefflich: Am Ende trug Pep Guardiola sogar eine Krachlederne und erzählte was von "Mia san mia". Anderswo herrschte großer Ärger über Schiedsrichter, Kollegen oder kritische Medienmenschen. Es gibt halt immer was zu berichten über diesen lustigen Betrieb, der sein ganz eigenes Sprach-Umfeld geschaffen hat.

Die abgelaufene Spielzeit brachte die wunderbarsten Begrifflichkeiten und Statements zu Tage, schließlich mussten die Protagonisten der Bundesliga oftmals den Erklärbär geben. Warum hat dies oder jenes nicht geklappt? Wer war diesmal Schuld? Was tun gegen den lange Zeit erdrückenden Pepismus der Bayern? Und dann diese ganzen Krisen, Ängste und Debatten! Das Schöne ist doch, dass solche Fragen mitunter wunderbare Antworten hervorrufen. Wir haben gesucht, gesammelt und interpretiert - herausgekommen ist ein Sammelsurium an vielsagenden Ausdrücken, die diese Saison geprägt haben.

  • Alibi-Käse: Auf dem Münchner Oktoberfest verkaufen die Wirtsbudenbesitzer Semmeln mit Lachsersatz. Ob sie im kommenden Herbst auch Brötchen mit Alibi-Käse einführen? In einer seiner zahlreichen Mahn-Ansprachen erfand Bayerns Sportvorstand Matthias Sammer dieses Nahrungsmittel. "Alles Alibi-Käse!", zeterte er nach einem 2:0-Erfolg gegen Hannover 96. Die Ausreden und Entschuldigungen seiner Spieler für den lahmen Kick, er hatte sie einfach satt.
  • Ballbesitz: Der Fußballtrainer Pep Guardiola denkt angeblich 20 Stunden am Tag an Fußball. Welche Art von Spielerei ihm dabei vorschwebt, erklärte der Katalane aufmerksamen Zuhörern in allen erdenklichen Sprachen. Er sagte: "Ich liebe Ballbesitz." Aber er sagte auch: "Me gusta tener el balon." Und als ein Italiener ihn fragte, hieß es: "Mi piace giocare a pallone." Und auf Englisch? Na klar, auch da musste er sich erklären: "I like having the ball all the time." Wer Guardiola diese Saison in verschiedene Länder begleitete, hat verstanden. Bei ihm gilt: Koan Ballverlust.​
  • Bundesliga-Dino: Ein "Bundesliga-Dino" steigt nicht ab. Es gibt ja nur noch einen. Also darf, nein kann dieses Ereignis gar nicht eintreten. So ähnlich klangen die Hamburger Mutmachversuche, seit sich der Klub im Abstiegskampf quälte. Sollte der HSV wirklich absteigen, gibt es entsprechend einige offene Fragen zu beantworten: Wird das Wort "Bundesliga-Dino" einfach aus den Fußballlexika gestrichen, wenn der HSV absteigt? Und bleibt die Uhr, die sekundengenau die Bundesliga-Zugehörigkeit des HSV misst, einfach stehen? Die Entscheidung ist vertagt, der HSV muss in die Relegation. Der "Bundesliga-Dino" erhält seine letzte Chance.
  • Deppert: Österreichs "Sportler des Jahres" zu sein ist schon etwas Besonderes für einen Fußballer. Nicht unbedingt wegen der Konkurrenz aus dem eigenen Sport, sondern wegen jener aus dem österreichischen Wintersportlager. David Alaba hat es dennoch 2013 zu dieser Ehre gebracht, er gewann in der Abstimmung noch vor super-super-super Skifahrer Marcel Hirscher. Bei einer Liveschalte aus München nach Wien überreichte ihm Franck Ribéry die Trophäe und durfte mit französischem Akzent noch sein Wienerisch zum Besten geben, das ihm Alaba beigebracht hat: "Bist du deppert". Das hat er sich dann wohl auch bei der Wahl zum Weltfußballer gedacht, als er Gewinner Ronaldo beim Freudeschluchzen zuschauen durfte.
  • Hass: Uli Hoeneß liebt deftiges Essen ebenso wie deftige Worte. Weil er für beides im Gefängnis nicht mehr oft die Gelegenheit bekommt, nutzte er seinen letzten Auftritt vor der Bayern-Familie für eine tosende Anklagerede. Er selbst sei ein Opfer, die Medien hätten ihn "frevelhaft" behandelt und überhaupt habe er in letzter Zeit "Hass kennengelernt". Es war ein feuriger Auftritt, den der verurteilte Steuersünder bei der Mitgliederversammlung des FCB hinlegte. Er zeigte, wie sehr sich die öffentliche Wahrnehmung von jener der Bayern unterscheidet. "Hass ist kein guter Wegbegleiter", sagte Hoeneß noch. Hoffentlich wird er ihn in den kommenden Monaten los.

Ein Lazarett und eine Kuscheloase

  • Herschenken: Nein, er wolle "nichts herschenken", sagte Frankfurts Coach Armin Veh. Was er anschließend kund tat, klang allerdings exakt danach. Seit Wochen debattierte die Liga über die Überlegenheit des FC Bayern, als sich auch Veh einschaltete. Er werde gegen die Münchner einige Stammkräfte schonen, sagte Veh, denn es kämen noch Spiele, bei denen er sie nötiger bräuchte als gegen den Allesdominator. Da verliert man ja sowieso, so der Eindruck. Für manche klang das nach kluger Taktik, andere bezichtigten Veh der Selbstaufgabe. Frankfurt verlor das Duell in München übrigens locker-flockig 0:5.
  • Hirnlos: Ob Jérôme Boateng ohne Franck Ribéry so abgekanzelt worden wäre? Es war wohl die Gemengelage, die dem Abwehrspieler des FC Bayern zum Verhängnis wurde. Ribéry hatte sich gegen Real Madrids Abwehrgiftzwerg Daniel Carvajal zu einer Tätlichkeit hinreißen lassen, die allerdings ungeahndet blieb. Als sich Boateng im Spiel beim HSV mit seinen Fingern im Gesicht von Kerem Demirbay verirrte und Rot sah, fühlte sich Bayern-Boss Karl-Heinz Rummenigge bemüßigt, einen rauszuhauen. "Das kann man schon hirnlos nennen", polterte Rummenigge, nah dran an der persönlichen Beleidigung: "Solch eine Disziplinlosigkeit wird von Bayern München nicht akzeptiert." Ribérys Disziplinlosigkeit wurde übrigens anstandslos akzeptiert.
  • Kuscheloase: Nach der 0:3-Niederlage gegen den BVB erstaunte Matthias Sammer alle: Alles halb so schlimm, befand er. Drei Tage später allerdings hatte der Bayern-Sportchef sich wieder in Seargant Hartmann aus "Full Metal Jacket" verwandelt - nach einem 5:1 im Pokalhalbfinale gegen Kaiserslautern wohlgemerkt. "Wir brennen nicht", polterte er. Stattdessen sei man zu lieb und zu nett, wie "in einer Kuscheloase". Der Münchner Obermahner hatte Recht: Der kuschelnde FC Bayern mühte sich durch die letzten Bundesligaspiele der Saison, in der Champions League waren die Münchner so lieb zu Ronaldo und Pepe, als wären sie Teilnehmer im gleichen Yoga-Kurs.
  • Lazarett: Marcel Schmelzer erlitt einen Muskelfaserriss am Schambeinansatz, Neven Subotic und Jakub Blasczykowski riss das Kreuzband, Mats Hummels musste wegen einer Blessur im Fußwurzelgelenk und wegen eines knöchernen Bandausrisses pausieren, Sven Bender diagnostizierte der Arzt erst einen Bänderriss im Sprunggelenk, später eine Schambeinentzündung. Die Krankenliste des BVB war in dieser Saison lang, zum Ende der Hinrunde sprach die Bundesliga statt von Dortmunder Jungs nur noch vom "BVB-Lazarett". Am übelsten erwischte es Ilkay Gündogan. Seit August konnte er kein Spiel mehr absolvieren, stattdessen plagten ihn diverse Wehwechen: Überlastungsreaktion im Lendenwirbelbereich, Wirbelgleiten, Nervenwurzelentzündung. Was genau den Nationalspieler so lange quält, können nicht einmal die Ärzte sagen. Immerhin: Gündogan wird wieder häufiger beim Joggen um den Trainingsplatz gesichtet.
  • Liebhaber: Bert van Marwijk lächelte charmant - und hatte die Hamburger schnell auf seiner Seite. Bei seiner Vorstellung wurde der neue HSV-Coach nach Rafael van der Vaart befragt, Hamburgs schwächelndem Regisseur. "Rafael ist ein Liebhaber", sagte van Marwijk und machte genau so lange eine Sprechpause, dass seine Zuhörer feixend an van der Vaarts turbulentes Privatleben denken konnten (das ihn nach der Trennung von seiner Frau Sylvie direkt in die Arme von Sylvies bester Freundin Sabia trieb). Van Marwijk genoss den Moment, fügte dann hinzu: "Ein Liebhaber des Fußballs." Es war eine der lustigsten Sequenzen in van Marwijks kurzer HSV-Ära. Wenige Monate später war er auch schon wieder entlassen.
  • Patriotismus: "Wir sind ja alle Deutsche" - nicht der schlechte Spruch einer noch schlechteren Werbekampagne eines Telekommunikationsunternehmens, sondern eine Aussage von Thomas Müller. Vor dem Rückspiel gegen Real Madrid forderte er Medienvertreter und Fußballanhänger auf, den FC Bayern im Kampf um den Finaleinzug zu unterstützen. Ob er dabei die Beliebtheit seines Vereins überschätzt hat oder es nicht besser wusste, bleibt unbeantwortet. Es ist aber zu hoffen, dass er sich nach der 0:4-Pleite keine Bilder aus Dortmunder Kneipen angeschaut hat.
  • Pissverein: Manche Zitate bedürfen gar keiner Einordnung. Sie stehen für sich, so wie dieses Bonmot von Braunschweigs Trainer Torsten Lieberknecht nach der 0:4-Klatsche beim Hamburger SV. Wir lauschen gebannt: "Es gab dann wieder Momente, wo Du merkst, Du bist dieser kleine Pissverein. Du bist dieser Pissverein, der auch bei den Schiedsrichtern nicht diese Wahrnehmung hat. Sind es 50:50-Entscheidungen, fallen sie immer für den Großen aus." Lieberknechts Frust zum Saisonstart war groß, die Braunschweiger Fans machten indes das Beste daraus: Sie druckten sich T-Shirts mit der Aufschrift "Bester Pissverein der Welt."

Pizza und eine Riesensauerei

  • Pizza: Fährt der Bayer in den Süden, wird spätestens am Brenner die Vorfreude unerträglich: auf die italienische Pizza. Der leckere Boden, der saftige Prosciutto, der weiche Mozarella - schmackhaft wie ein Fallrückzieher. Doch nach ein paar Tagen in bella italia spielt sich in den Trattorias immer die gleiche Szene ab: Der Bayer bestellt statt Pizza Schnitzel mit Pommes. Wie ein Urlauber nach ein paar Teigfladen zu viel fühlte sich auch Pep Guardiola, als er im März die Meisterschaft gewonnen hatte. "Bundesliga ist wie jeden Tag Pizza", sagte er. "Champions League ist wie ein gutes Essen in einem schönen Restaurant." Allerdings warf der Kellner Guardiola schon vor dem Dessert aus dem Lokal.
  • Rhythmus: Natürlich musste Matthias Sammer wieder dazwischen grätschen. Der Sportvorstand der Bayern ist ja so etwas wie die hauptberufliche Nervensäge bei den Bayern. In dieser Funktion mahnt und geißelt er sämtliche sich anbahnende Lätschert-Momente. Da standen die Bayern im März (!) kurz vor dem Titel - und Sammer erhob den Zeigefinger: "Wir dürfen jetzt den Rhythmus nicht verlieren." Es gebe schließlich noch höhere Ziele als diese läppische Meisterschaft. Die Champions League zum Beispiel. Und siehe da: Die Bayern verloren tatsächlich ihren Esprit, weil Trainer Guardiola die Bundesliga vorzeitig für beendet erklärte. Hätten sie doch nur auf Sammer gehört.
  • Riesensauerei: Schwer zu sagen, wer nun wirklich der allerallerbeste kickende Individualist dieses Planeten ist, aber gewonnen hat bei der Wahl des "Ballon d'Or" Cristiano Ronaldo - und eben nicht Franck Ribéry. Dabei hatte Uli Hoeneß extra den Attackenton angeschlagen und vollmundig von einer "Riesensauerei" gesprochen, falls die Wahl auf einen Anderen fiele. Nicht mal Zweiter wurde Ribéry dann. Und irgendwie flitzt er seitdem auch nicht mehr so rasant übers Feld wie zuvor. Der Goldene Ball als Kopfverdreher - mon dieu, welch ein Riesen-Unglück.
  • Schadenfreude: Manchmal versteht man ihn nicht so genau, den Christian Streich. Der alemannische Dialekt kommt bei ihm voll durch. Das Schöne ist aber, dass er sich trotzdem nicht verstellt - in der Aussprache und im Inhalt. So gab er ehrlich zu, nach der Entlassung von Gertjan Verbeek gegen die aufkommende Schadenfreude "kämpfen zu müssen". Wie schwer er sich dabei tat, offenbarte er nicht. Immerhin zählt die Schadenfreude zu den beliebtesten aller Freuden.
  • Schweinerei: Nichts für Vegetarier war der "Streich", den sich Braunschweiger Fans vor dem ersten Derby gegen Hannover seit 37 Jahren im vergangenen Herbst erlaubten. Sie schickten ein Schwein in die Hannoveraner Stadt, ein echtes, mit einer "96" auf den Bauch gemalt. Das an sich war schon geschmacklos, schließlich wäre das arme Tier beim Überqueren einer Straße fast umgekommen. Die größere Idiotie war aber die "1", die das Tier ebenfalls mit sich trug - sie galt wohl Robert Enke.
  • Tornetz: Das Tornetz fristet in der Regel ein Dasein wie Daniel Van Buyten beim FC Bayern, so richtig interessiert sich niemand für die Stoffmasche. Doch die Befestigung aus dem Stadion in Sinsheim war am 18. Oktober plötzlich in allen Nachrichtensendungen zu sehen. Am Tornetz der TSG klaffte ein Loch und Leverkusens Stürmer Stefan Kießling bugsierte den Ball so geschickt an diese Stelle, dass der Ball von außen hindurchflog und im Torinneren landete. Der Schiedsrichter konnte gar nicht so schnell hinterher schauen. Kießling hatte Thomas Helmer beerbt, der einst mit seinem "Phantomtor" berühmt wurde. In sämtlichen Bundesliga-Rückblicken wird das Sinsheimer Tornetz nun sicher weitere Prominenz erlangen.
  • Zwölfter Mann: Wie oft der Fußballtrainer Gertjan Verbeek an Fußball denkt, ist nicht überliefert. Aber auch der Holländer meint es ernst mit seinem Job. Als der 1. FC Nürnberg 2:3 in Freiburg verlor, polterte der Club-Coach los. Christian Streich? Der sei kein Kollege, schließlich habe er ihn ununterbrochen provoziert. Außerdem habe seine Mannschaft "fast die ganze Zeit gegen zwölf Mann gespielt." Verbeeks verbitterte Kritik an Schiedsrichter Jochen Drees wollte das DFB-Schiedsgericht so nicht stehen lassen: Es brummte dem Nürnberger 4000 Euro Strafe auf - doch da war Verbeek längst entlassen.
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