Beginn der Motorrad-WM:Den Armen helfen, nicht den Unfähigen

Yamaha MotoGP rider Valentino Rossi of Italy races during a free practice session at the MotoGP World Championship at the Losail International circuit in Doha

Regeln hin oder her - Valentino Rossi (r.) gehört wieder zu den Attraktionen der Motorrad-WM.

(Foto: REUTERS)

Mit Reifenbonus und Extra-Sprit für manche Teams soll die neue Motorrad-Weltmeisterschaft gerechter werden. Doch nach einigem Hickhack herrscht vor dem Saisonstart in Katar vor allem Verwirrung.

Von Philipp Schneider

Mitte der Woche saßen vier Motorradfahrer an einem Tisch in Katar und vier Mikrofone ragten in Richtung ihrer Münder, weil einer der vier Motorradfahrer mit großer Wahrscheinlichkeit bald als der Schnellste der Welt bezeichnet werden wird. Es saßen dort die Fahrer der immer gleichen Motorräder, zwei von Yamaha, zwei von Honda, seit Jahren geht das so, 2007 war Casey Stoner zuletzt auf einer Ducati Weltmeister geworden.

Stefan Bradl aus Zahling saß nicht am Tisch. Das machte aber nichts. Marc Marquez, Daniel Pedrosa, Jorge Lorenzo und Valentino Rossi kamen ja kaum dazu, über die Frage zu sinnieren, wer nach Ablauf dieser Saison Weltmeister der MotoGP sein wird. Sie versuchten zunächst einmal zu begreifen, nach welchen Spielregeln der Sieger überhaupt ermittelt werden wird.

Marc Marquez beugte sich über das Mikrofon: "Anfangs sagten sie, dass es zwei Kategorien geben wird", sagte er, "nun gibt es wohl eine weitere . . ." Der Honda-Pilot und Vorjahresweltmeister war verwirrt: Erst am Vortag hatten die Rennkommissare eine spontane Reform ihrer schon länger geplanten Revolution beschlossen. Neben Marquez saß Valentino Rossi, der Rekordweltmeister und Yamaha-Pilot, und Rossi, tja, auch er erweckte den Anschein, als habe er ausnahmsweise nicht alles begriffen. "Fahrer interessieren sich nicht für die Regeln", sagte Rossi also. Fahrer, befand Rossi, interessieren sich nur für die Strecke, die Rennzeiten, und er, als Rossi, natürlich immer auch für eine richtig gute Show. Nur: So einfach war die Sache nicht.

Vor einigen Wochen hat die Grand-Prix-Kommission ihre Pläne kundgetan, eine sogenannte "Offene Klasse" innerhalb der MotoGP zu schaffen, angedacht als Revolte gegen die Langeweile. In den Vorjahren waren vorneweg die vier Werksmotorräder von Yamaha und Honda gerast, die übrigen Maschinen des Feldes standen ihnen vor ihren kurzweiligen Überholmanövern allenfalls im Weg.

Mehr Liter mehr Benzin

Piloten, so die Idee, die mit ihren Teams freiwillig in der Offenen Klasse starten, dürfen fortan auf einige Privilegien zurückgreifen: Sie erhalten einen weicheren Reifen für das Hinterrad, der vor allem bei kalten Temperaturen in der Qualifikation einen enormen Vorteil bringen dürfte - und zwölf statt fünf Motoren pro Saison, die sie verschleißen können. Außerdem werden ihre Motorräder mit einer Einheitselektronik ausgestattet, die sie fortlaufend weiterentwickeln dürfen. Und, besonders beliebt: Sie dürfen 24 anstelle von 20 Liter Benzin verbrennen.

"Mehr Sprit und weniger Elektronik ist eine tolle Idee für alle", findet auch Rossi. Vermutlich, weil ihn die tolle Idee an seine besseren Tage erinnert, als er mit ordentlich Benzin im Tank und weniger komplexer Elektronik noch von Titel zu Titel sauste: "Ich hätte auch gern 24 Liter Sprit zur Verfügung." Die wird Rossi aber nicht haben. Weil er auf einem ohnehin überlegenen Werksmotorrad von Yamaha fährt, auf dem zumindest sein Kollege Jorge Lorenzo zuletzt nur ganz knapp die Weltmeisterschaft verpasste.

Doch dann witterte Ducati eine große Gelegenheit. Moment mal, dachten sich die Verantwortlichen des chancenlos hinterherknatternden italienischen Herstellers, mehr Sprit, dazu ein flauschig weicher Hinterreifen? Das wäre doch auch was für uns! Also meldete Ducati seine Fahrer in der Offenen Klasse, es lief etwas runder als gewöhnlich bei den Testfahrten. Schön für Ducati. Aber nicht im Sinne der Erfinder einer Reform, von der die finanzschwachen Teams profitieren sollten, nicht diejenigen mit vergeudeter Ingenieurskunst.

Wenige Tage vor dem Start des ersten Saisonrennens in Katar konterte die Kommission mit einer, nun ja, Präzisierung der Regeln: Ducati darf gerne in der Offenen Klasse antreten. Aber sollten Cal Crutchlow, Andrea Dovizioso und Andrea Iannone bei trockenen Bedingungen ein Rennen gewinnen (oder zwei zweite Plätze oder drei dritte einfahren), dann wird die Benzinmenge um zwei Liter reduziert. Und nach drei Siegen müsste sich Ducati auch von den geliebten weichen Reifen trennen. Die Fahrer würden dann in jener dritten Kategorie antreten, die Marquez andeutete.

Für Stefan Bradl bedeutet die Reform, dass es nicht einfacher werden wird in seiner dritten Saison in der Königsklasse. Sein Honda-Satellitenteam LCR ist nicht für die Offene Klasse gemeldet. 2013 ist Bradl WM-Siebter geworden, im ersten Rennen am Sonntag will er einen der ersten fünf Plätze belegen, das hat er so erzählt. Wie gravierend sich das Kräfteverhältnis in der MotoGP wandelt, das wird die Qualifikation an diesem Samstag erweisen. Gut möglich, dass sich einige Piloten auf weichen Reifen ungeahnt weit nach vorne schieben. Wenn es blöd läuft, genau zwischen Stefan Bradl und die vier Favoriten, die dort saßen am Tisch in Katar.

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