Beginn der EM-Qualifikation:Wenn Fußball-Zwerge träumen

Beginn der EM-Qualifikation: In Gibraltar dürfen die Fans ihr Team jetzt in Ernstkämpfen anfeuern.

In Gibraltar dürfen die Fans ihr Team jetzt in Ernstkämpfen anfeuern.

(Foto: imago sportfotodienst)

In Gibraltar durchstöbern Fußballer ihre Ahnengalerien, Österreich holt sich Hilfe bei einer ehemaligen Ski-Legende und der Nationaltorwart San Marinos hat den undankbarsten Sportlerjob Europas. Zehn Geschichten zum Start der EM-Qualifikation.

Von Andreas Babst

Neuer Fußball-Zwerg

Der Fußball-Philosoph Berti Vogts hat es schon immer gewusst: Es gibt keine Kleinen mehr im Fußball. Insofern ist klar, dass auch Gibraltar eine angsteinflössende Kraft sein könnte. Nunja. Der Zwergenstaat ist mit 30 000 Einwohnern nicht nur neuestes (seit Mai 2013), sondern auch kleinstes Uefa-Mitglied. Das Land gehört zum britischen Überseegebiet, was so manchen Profi von der Insel dazu veranlasste, die eigene Ahnengalerie zu konsultieren, um als Nationalspieler Gibraltars aufzulaufen. So steht Nationaltrainer Allen Bula ein Sammelsurium von Profis aus der heimischen Liga und den tieferen englischen Klassen für die ersten ernsthaften Partien zur Verfügung - in Gruppe D mit Deutschland und Polen wäre ein Punktgewinn schon ein Erfolg.

Heimspiele in der Ukraine

Auf Klub-Ebene streiten sich derzeit der russische und der ukrainische Verband. Gegenstand der Zankerei sind die drei Fußballklubs der Krim-Halbinsel und deren beabsichtigte Teilnahme an der russischen Liga - ein Treffen mit der Uefa am 18. September soll eine Lösung bringen. Vorher spielt die ukrainische Nationalmannschaft in der EM-Qualifikation gegen die Slowakei. Die nationalen Verbände gehen davon aus, dass das ukrainische Heimspiel wie geplant stattfinden kann, auch wenn das nicht so einfach ist: Jüngst weigerte sich Paraguay, für ein Freundschaftsspiel einzureisen. Mit der Slowakei werden sich die Ukrainer wohl ein Duell um den zweiten Platz hinter Spanien liefern - politisch heikel könnte zudem die Partie gegen Weißrussland werden.

Von 16 auf 24

Erstmals werden bei der EM-Endrunde 24 Mannschaften teilnehmen. Das sind acht mehr als bei den vergangenen Turnieren. Mit der Aufstockung will Uefa-Präsident Michel Platini auch kleineren Verbänden die Teilnahme an einer großen Endrunde ermöglichen - und verwässert damit das Niveau der kontinentalen Meisterschaft. Aus den neun Qualifikationsgruppen qualifizieren sich sowohl der Erst-, als auch der Zweitplatzierte für die EM. Der beste Drittplatzierte ist ebenfalls dabei, die übrigen acht spielen eine Relegation um die verbliebenen vier Startplätze aus.

Herminator hilft Österreich

Ein einziges Mal spielte Österreich bei einer Europameisterschaft mit - 2008 waren sie als Gastgeber automatisch qualifiziert. Dieses Jahr stehen die Chancen gut, Schweden und Russland sind die ärgsten Gegner, aber der dritte Gruppenrang könnte ja schon reichen. Damit es ganz sicher klappt mit der erstmaligen eigenständigen Qualifikation hat Nationaltrainer Marcel Koller prominente Hilfe angefordert: Österreichs Ski-Legende Hermann Maier, genannt "Herminator", soll mit der Auswahl ein "Motivationsgespräch" führen, wie es heißt. Und bevor jetzt die Nachbarn belächelt werden: Auch die deutschen Nationalspeler kamen schon in den Genuss eines Vortrags des Österreichers: vor ihrem Abflug nach Brasilien. Und wie das ausging, ist bekannt.

Europäische Derbys

Manchmal will es die Gruppen-Auslosung, dass zwei Mannschaften so oft aufeinandertreffen, dass die Spiele schon fast kontinentalen Derby-Charakter genießen. Österreich trifft nach der WM-Qualifikation auch in der EM-Qualifikation auf Schweden. Noch besser kennen sich Deutschland und Irland: Bei der WM 2002 gab's ein 1:1 in der Gruppenphase, danach trafen die Länder noch in der EM-Quali 2008 sowie in der WM-Quali 2014 aufeinander. Und weil das noch nicht genug ist, sind sie auch jetzt wieder vereint. Übrigens: Irland gewann keines der Spiele. Die jüngste Rivalität besteht zwischen Portugal und Dänemark. Diese beiden Mannschaften spielten bereits in der Qualifikation für die WM-Endrunde 2010, die EM-Qualifikation 2012 und im EM-Turnier 2012 gegeneinander.

Klose und die 16 Tore

San Marinos undankbarster Job

Aldo Simoncini hat keine einfache Aufgabe: Er ist der Nationaltorwart von San Marino. Die Mini-Enklave in Italien ist im Berti Vogts'schen Sinne zwar nicht klein, aber zumindest kein Riese. Der arme Simoncini kassierte in seinen 38 Länderspielen bisher 165 Gegentore. Das macht 4,3 Gegentreffer pro Partie - die EM-Quali 2012 beendete San Marino mit einem Torverhältnis von 0:53. Doch Simoncini ist ein Optimist: Er steht auch heuer wieder zwischen San Marinos Pfosten. Ob das mit seiner Situation als Amateur-Fußballer zu tun hat? Simoncini arbeitet nämlich als Buchhalter, er hat also ein Faible für hohe Zahlen.

Serien-Teilnehmer Deutschland

1960 gab es die erste Europameisterschaft, damals noch unter dem Namen Europa-Nationenpokal. Damals fehlte die deutsche Elf, genauso wie auch 1964 und 1968. 1972 gelang dann die erstmalige Qualifikation - und prompt holte man mit Beckenbauer, Breitner, Heynckes & Co. den Titel. Seither waren die Deutschen bei jeder EM dabei, eine solche Serie ist noch keinem anderen Land gelungen. Dazu holte die DFB-Elf auch noch zwei weitere Male den Pokal (1980 und 1996) - diesen Rekord müssen sie sich seit 2012 aber mit den Spaniern teilen.

Vom Verräter zum Bondscoach

Bei der EM 2008 wollte er sich zum "Verräter des Jahres" in den Niederlanden wählen lassen - damals trainierte Guus Hiddink noch die russische Nationalmannschaft und versuchte, sein Heimatland im Viertelfinale aus dem Turnier zu werfen. Das gelang mit einem 3:1 nach Verlängerung, der Verräter-Titel blieb ihm trotzdem verwehrt. Vielleicht bekommt er nun bald den Titel "Trainer des Jahres" in seiner Heimat; Hiddink nimmt nämlich seine zweite Amtszeit als Bondscoach in Angriff. Sein Einstand verlief wenig vielversprechend: Die Holländer verloren in einem Testspiel in Bari 0:2 gegen Italien.

Der erfolglose Billy Bingham

Nicht alle Trainer können bei ihren Versuchen, eine EM zu erreichen, höchsten Ansprüchen gerecht werden: Der erfolgloseste Coach aller EM-Qualifikationen ist Billy Bingham. Fünf Mal hat er eine Quali in Angriff genommen, fünf Mal ist er zwischen 1971 und 1993 gescheitert. Nun ja, seine Mannschaften waren Nordirland und Griechenland. Mit gehobenen Fußball-Nationen wie Italien, Holland, Portugal oder Spanien wäre es ihm vielleicht eher gelungen: Die sind seit 1996 stets bei der EM dabei und bilden damit den Kern der europäischen Kontinental-Wettbewerbe.

Klose wieder vor Ronaldo

Miroslav Klose hat nicht nur bei Weltmeisterschaften 16 Tore erzielt, sondern auch in der EM-Quali. Überraschenderweise reicht seine Marke dort nicht zum Rekordtorschützen. Diesen Titel teilen sich der Tscheche Jan Koller (einst bei Dortmund und bei Nürnberg beschäftigt) und der Türke Hakan Sükür mit je 18 Toren. Klose landet immerhin auf dem fünften Platz - drei Tore vor Ronaldo (dem schönen, nicht dem dicken).

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