Befristete Verträge im Profisport:Sind Fußballer normale Arbeitnehmer?

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Klage abgelehnt: Aufgrund eines Rechtsstreits um eine Verlängerungsklausel zog der ehemalige Mainzer Torhüter Heinz Müller vor Gericht. (Foto: Fredrik von Erichsen/dpa)
  • Nach einem Urteil des Arbeitsgerichtes Mainz sind befristete Verträge im Profisport unzulässig.
  • Das Gericht gibt damit dem Torhüter Heinz Müller recht, der gegen seinen früheren Klub FSV Mainz 05 geklagt hat.
  • Obwohl die Konsequenzen unklar sind, strahlt das Urteil weit über den Einzelfall hinaus in den Profibetrieb.
  • Es geht um die Frage, ob ein Fußballer wie ein normaler Arbeitnehmer oder eher wie ein Künstler einzustufen ist.

Von Johannes Aumüller, Frankfurt

Wenn die Vertreter der Deutschen Fußball Liga (DFL) an diesem Donnerstag zu ihrer Mitgliederversammlung zusammenkommen, gibt es keinen Mangel an bedeutenden Themen. Sie wollen sich mit einem neuen Statut über die Beteiligung von Investoren bei Profiklubs befassen, mit den Ausschreitungen gegen den Zweitligisten RB Leipzig und mit der Nachfolge des Geschäftsführers Andreas Rettig.

Doch der drängendste Aspekt dürfte nun einer werden, der noch gar nicht auf der offiziellen Tagesordnung steht: ein Urteil des Arbeitsgerichtes Mainz, das die Branche aufgeschreckt und verunsichert hat.

Fußball-Vertreter entwerfen schon düstere Szenarien

Am Dienstagabend teilte das Gericht mit, dass es einer Klage des Torwarts Heinz Müller gegen seinen früheren Klub Mainz 05 stattgibt. Der heute 36-Jährige hatte geklagt, weil sein 2014 ausgelaufener Vertrag befristet war. Das ist für einen Profifußballer normal, Müller pochte dennoch auf eine "Feststellung des Fortbestandes als unbefristetes Arbeitsverhältnis" und bekam recht.

Die konkrete Begründung steht noch aus, aber das Urteil hat ausgereicht, um Repräsentanten des Fußballs schon düstere Szenarien entwerfen zu lassen. Zum Beispiel: Aufgeblähte Kader mit 50 bis 60 teuren Spielern, die bis zum Renteneintritt beim Klub bleiben können. Oder: Ein Ligaspiel, in dem sich ein 45-jähriger Angreifer und ein 50-jähriger Torwart gegenüberstehen - weil alle unbefristete Arbeitspapiere haben.

Dabei ist unklar, welche Konsequenzen das Urteil hat. Die Causa Müller ist einerseits als Einzelfall zu betrachten. 2009 war Müller vom englischen Klub FC Barnsley nach Mainz gekommen. Er unterschrieb einen Dreijahresvertrag, 2012 verlängerte der Klub diesen Kontrakt noch einmal um zwei Spielzeiten, 2014 lief der Vertrag aus. Dazwischen gab es unter anderem Verletzungen und eine Suspendierung, der Fall habe eine "individuelle Prägung", sagt Müllers Anwalt Horst Kletke.

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Trotzdem strahlt das Urteil weit über den Einzelfall hinaus in den Profibetrieb und führt zu der Frage: Ist ein Fußballer wie ein normaler Arbeitnehmer einzustufen? Oder eher wie ein Künstler?

Das maßgebliche juristische Dokument trägt den Titel "Teilzeit- und Befristungsgesetz", und das bezieht sich zunächst auf alle Arbeitnehmer, seien sie Maurer, Ingenieure oder eben Profifußballer - wie viel jemand verdient, ist nebensächlich. Für befristete Verträge gelten formal strenge Regeln.

Möglich sind sie zum einen für einen gewissen Zeitraum (maximal zwei Jahre) sowie aus diversen Sachgründen. Dazu zählt auch die sogenannte "Eigenart der Arbeitsleistung". Dieses Argument gilt aber nur für eine überschaubare Zahl an Berufsgruppen, etwa für Künstler. Das Publikum wolle Abwechslung auf der Bühne und deswegen seien befristete Verträge in diesem Bereich möglich, heißt es in Urteilen.

Und was ist mit Fußballern? Da streiten sich die Gerichte und die Gelehrten. Im März 2006 gab es vor dem Landesarbeitsgericht Nürnberg einen ähnlichen Fall. Damals hatte ein früherer Angreifer des Club geklagt, dass ihn der Verein weiterbeschäftigen müsse. Das Gericht lehnte ab.

Das Alter des Spielers spielt keine Rolle

In der Begründung hieß es unter anderem, dass befristete Verträge in der Branche üblich seien und dass das Alter des Spielers beim Vertragsabschluss (30) zu berücksichtigen sei; Profifußballer hätten zu diesem Zeitpunkt den Leistungszenit bereits überschritten und seien verletzungsanfälliger. Und zudem hätten die Parteien zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses davon ausgehen können, "dass nach einer gewissen Zeit das Publikum eine Änderung der Fußballshow wünscht und einen anderen Spieler sehen möchte".

Allerdings basierte diese Nürnberger Entscheidung nicht auf dem Teilzeit- und Befristungsgesetz. Das Gericht in Mainz argumentiert nun gänzlich anders. "Die Eigenart des Profifußballs an sich ist noch kein Sachgrund", sagte Richterin Ruth Lippa. Das Alter der Spielers und etwaige zu erwartende körperliche Defizite spielen keine Rolle.

Ein höchstrichterliches Urteil des Bundesarbeitsgerichtes gibt es zu diesem Themenkomplex noch nicht. Allerdings deutete dieses Gericht bei der Klage eines Cheftrainers aus dem Profisport einmal an, dass zumindest für Cheftrainer ein ähnliches Argument gelten könnte wie für Künstler: dass mit der Zeit die Motivationskunst eines Trainers leide und die Befristung des Kontrakts daher rechtsgültig sei.

Der Fall dürfte sich noch lange hinziehen

Unabhängig von diesem Widerspruch erwarten Experten nun rasche Reaktionen der Fußballbranche. Ulf Baranowsky, Geschäftsführer der Spielergewerkschaft VdV, fordert die Einführung eines speziellen Tarifvertrages. Damit ließe sich nicht nur das Problem der befristeten Arbeitsverträge klären, sondern auch so manches andere arbeitsrechtlich heikle Thema.

Der Sportrechtler Michael Lehner sagt: "Die Klubs müssen bei dem Abschluss von Verträgen genaue Gründe hineinschreiben, warum ein Arbeitspapier nur eine befristete Laufzeit hat. Dann stehen sie rechtlich auf steinernen Füßen."

Der Fall des Fußball-Torwarts Heinz Müller dürfte sich hinziehen. Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig, der FSV Mainz hat Berufung angekündigt. "Wir betrachten das Urteil mit der angemessenen Ernsthaftigkeit, es gibt aber keinen akuten Handlungsdruck", teilte die DFL mit - das bestimmende Thema am Donnerstag dürfte es trotzdem sein.

© SZ vom 26.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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