WM-Affäre:Sonderweg für Beckenbauer

Franz Beckenbauer

Weiß viel, sagt wenig: Millionenzahlungen von und an Franz Beckenbauer (hier im April) stehen im Zentrum der "Sommermärchen"-Affäre.

(Foto: dpa)
  • Im Strafverfahren um die Vergabe der Fußball-WM 2006 trennt die Schweizer Bundesanwaltschaft das Verfahren gegen Franz Beckenbauer ab.
  • Als Grund gilt der Gesundheitszustand des 73-Jährigen.
  • "Das zeugt einmal mehr von der Ignoranz und Unfähigkeit der Bundesanwaltschaft in dieser Sache", sagt Theo Zwanziger, einer der Beschuldigten neben Beckenbauer.

Von Thomas Kistner

Die Irritation wächst bei den Beschuldigten im Strafverfahren um die Vergabe der Fußball-WM 2006 nach Deutschland. Am 13. Juni hat die Schweizer Bundesanwaltschaft (BA) einen "abschließenden Vorhalt" gegen Franz Beckenbauer, Horst R. Schmidt, Theo Zwanziger, Wolfgang Niersbach und den früheren Schweizer Fifa-Generalsekretär Urs Linsi verfertigt. Nun trennt die BA das Verfahren gegen Beckenbauer ab, wie die dpa berichtet.

Zwanziger hatte davon bis Sonntag keine Kenntnis. Vielmehr hatten er und die übrigen Beschuldigten eine Frist bis 19. Juli, um sich zu so einer Verfahrensabtrennung zu äußern; als Begründung wurde Beckenbauers Gesundheitsverfassung genannt. Zwanziger wehrte sich, seine Anwälte listeten öffentliche Auftritte Beckenbauers 2019 auf, wie den Besuch des Deutschen Fußballmuseums und TV-Auftritte beim Sender Sky. Sie fordern ein unabhängiges Gesundheitsattest. Ohne die Zentralfigur Beckenbauer sei keine sachgerechte Bewertung der Vorgänge möglich, so Zwanziger: "Das zeugt erneut von der Unfähigkeit der Bundesanwaltschaft in dieser Sache."

Im Schweizer Verfahren geht es laut dem "abschließenden Vorhalt" jetzt nur noch um Betrugsverdacht; für alle Beschuldigten gilt die Unschuldsvermutung. Die Causa dreht sich um 6,7 Millionen Euro, die 2005 vom deutschen WM-Organisationskomitee über den Weltverband Fifa an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus flossen. Drei Jahre zuvor war derselbe Betrag von Beckenbauer und Louis-Dreyfus an den korrupten Fifa-Vorstand Mohamed bin Hammam nach Katar bezahlt worden. Wofür, das wissen nur die Beteiligten.

Eröffnet wurde das WM-2006-Verfahren der BA schon im Herbst 2015. Liegt bis April 2020 kein erstinstanzliches Urteil vor, tritt Verjährung ein. Das setzt die Behörde unter enormen Zeitdruck. Eine Verjährung wäre die nächste Panne für die BA, nachdem Bundesanwalt Michael Lauber gerade erst behördenintern als befangen in allen Fußball-Prozessen erklärt wurde.

Mit dem "abschließenden Vorhalt" bereitet die BA ihre Anklageerhebung vor. In dem 89-seitigen Papier bewerten die Ermittler die 6,7 Millionen Euro als Schmiergeldzahlung. Die Beschuldigten hätten ein Lügenkonstrukt errichtet, um den wahren Zahlungsgrund zu verschleiern.

Die BA liefert drei weitere Thesen als Zahlungsgrund

Aus Sicht der BA hätten die WM-Organisatoren unter Beckenbauer damals um einen Budgetzuschuss durch die Fifa von 250 Millionen Franken gebuhlt, der Deal habe am Ende so ausgesehen: Die Deutschen erhalten das Geld, zahlen aber zehn Millionen an Bin Hammam, der im Fifa-Finanzkomitee saß. Beckenbauer habe das Geld nicht privat vorstrecken wollen und ein Darlehen bei Louis-Dreyfus aufgenommen. Zwecks Rückzahlung habe er dann sein WM-Organisationskomitee mit Rücktrittsdrohungen unter Druck gesetzt.

Daneben bietet die BA drei weitere Thesen als Zahlungsgrund an. Es könnte auch ein Dankeschön an Bin Hammam für dessen Hilfe beim WM-Zuschlag 2000 oder bei der Wiederwahl von Fifa-Chef Blatter gewesen sein. Oder: Beckenbauer habe TV-Rechte an den Asien-Spielen erworben.

Das erscheint vielen Beobachtern als abwegig. Fraglich ist nun aber auch, ob dieser "Vorhalt" gültig bleibt, wenn die Kernfigur Beckenbauer vom Verfahren abgetrennt wird. Überdies liegen Einsprüche vor. Viel bleibt zu klären, bevor das Schweizer Bundesgericht überhaupt tätig werden kann. Und die Uhr tickt.

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