Beckenbauer in der DFB-Affäre:"Aus heutiger Sicht sieht manches komisch aus"

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Franz Beckenbauer 2006, hier vor dem Brandenburger Tor. (Foto: dpa)

Die Schweizer Bundesanwaltschaft verdächtigt Franz Beckenbauer - was ist da eigentlich los? Seit die DFB-Affäre ins Rollen kam, wurde viel spekuliert, versprochen und dementiert. Eine Rekonstruktion in Zitaten.

Gesammelt von Martin Schneider

Fast zehn Monate nach der Eröffnung eines Strafverfahrens gegen Franz Beckenbauer sowie die ehemaligen DFB-Funktionäre Wolfgang Niersbach, Theo Zwanziger und Horst R. Schmidt hat die Schweizer Bundesanwaltschaft mit der zeitgleichen Hausdurchsuchung an acht Orten sowie der Vernehmung verschiedener Beschuldigter neue Bewegung in die bislang unaufgeklärte Affäre um das WM-Sommermärchen 2006 gebracht.

Wie die Bundesanwaltschaft mitteilte, hat sie das Strafverfahren bereits am 6. November 2015 "insbesondere wegen des Verdachts des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsbesorgung, der Geldwäscherei sowie der Veruntreuung eröffnet". Geschädigter ist der Staatsanwaltschaft zufolge der Deutsche Fußball-Bund (DFB).

Die Affäre begann im Oktober 2015 mit einem Bericht des Magazins Der Spiegel - seitdem wurde viel spekuliert, versprochen und dementiert. Die Affäre in Zitaten:

15. Juli 2012: "Gekaufte WM ... Da erinnere ich mich an die WM-Vergabe für 2006, wo im letzten Moment jemand den Raum verließ." (Sepp Blatter in einem Interview mit der Schweizer Boulevardzeitung Blick)

17. Oktober 2015: Robert Louis-Dreyfus "lieh dem deutschen Bewerbungskomitee vor der WM-Vergabe 10,3 Millionen Schweizer Franken, damals 13 Millionen Mark. Wieder als Privatmann. Im offiziellen 20-Millionen-Mark-Haushalt des Komitees tauchte das Geld nicht auf, eine schwarze Kasse, die Spur des Geldes verlor sich." (Auszug mit dem Kernvorwurf der Ermittler aus dem ersten Bericht im Magazin Der Spiegel am 17. Oktober 2015)

18. Oktober 2015: "Ich kann versichern, dass es im Zusammenhang mit der Bewerbung und Vergabe der WM 2006 definitiv keine Schwarzen Kassen beim DFB, dem Bewerbungskomitee noch dem späteren Organisationskomitee gegeben hat."(Wolfgang Niersbach am 18. Oktober als Reaktion auf den Artikel)

"Wir werden Unterlassung fordern, wir werden Gegendarstellung fordern, und sollte dem Deutschen Fußball-Bund durch diese Berichterstattung ein wirtschaftlicher Schaden entstehen, werden wir den Spiegel-Verlag dafür auch haftbar machen." (DFB-Anwalt Christian Schertz als Reaktion auf den Spiegel-Artikel)

19. Oktober 2015: "Ich habe niemandem Geld zukommen lassen, um Stimmen für die Vergabe der Fußballweltmeisterschaft 2006 nach Deutschland zu akquirieren. Und ich bin sicher, dass dies auch kein anderes Mitglied des Bewerbungskomitees getan hat." (Franz Beckenbauer in einer ersten Reaktion, die sein Management verbreitete)

22. Oktober 2015: Wolfgang Niersbach gibt zu, er habe "schon mitbekommen, dass da irgendetwas war, was mit Robert Louis-Dreyfus zu tun hatte. Dass da mal intensiver drüber gesprochen worden ist, kann ich nicht ausschließen. Das liegt jetzt zehn, elf, zwölf Jahre zurück." Und weiter: "Das entzieht sich meiner Kenntnis. (...) "Das kann ich ihnen nicht sagen." (...) "Da bin ich überfragt." (...) "Wenn Sie mich nach meinem exakten Wissen fragen muss ich passen." (Wolfgang Niersbach kann auf der Pressekonferenz am 22. Oktober kaum eine Nachfrage zu dem Sachverhalt beantworten.)

23. Oktober 2015: "Es ist eindeutig, dass es eine schwarze Kasse in der deutschen WM-Bewerbung gab. Es ist ebenso klar, dass der heutige DFB-Präsident davon nicht erst seit ein paar Wochen weiß, wie er behauptet, sondern schon seit mindestens 2005." (Ex-DFB-Präsident Theo Zwanziger zu den Reaktionen von Niersbach und Beckenbauer)

26. Oktober 2015: "Um einen Finanzierungszuschuss der Fifa zu erhalten, wurde auf einen Vorschlag seitens der Fifa-Finanzkommission eingegangen, den die Beteiligten aus heutiger Sicht hätten zurückweisen sollen". (Franz Beckenbauer gesteht in einer Mitteilung erstmals Fehler ein)

9. November 2015: "Ich habe am heutigen Tage die Entscheidung getroffen, mit sofortiger Wirkung vom Amt des DFB-Präsidenten zurückzutreten. Nicht, weil das Präsidium des DFB oder auch die Versammlung der Regional- und Landesverbände mir das Vertrauen entzogen hätten, sondern weil ich für mich erkannt habe, dass der Punkt gekommen ist, die politische Verantwortung zu übernehmen für Ereignisse rund um die WM 2006, wo ich mich selber in der Verantwortung fühle und auch selber bis heute sage, ich habe dort absolut sauber und gewissenhaft gearbeitet." (Rücktrittserklärung von Wolfgang Niersbach)

13. November 2015: Der frühere Generalsekretär Horst R. Schmidt räumt in der Bild-Zeitung ein: "Ich kann bestätigen, das Papier im Jahr 2000 gesehen zu haben. Und ich glaube auch, dass ich nicht der einzige war, der es gesehen hat." Zuvor berichtete die Süddeutsche Zeitung, dass der DFB die WM-Affäre 15 Jahre lang verschwieg.

20. November 2015: "Ich habe immer alles einfach unterschrieben, ich habe sogar blanko unterschrieben.". Und weiter: "Aus heutiger Sicht sieht manches komisch aus, und einiges würde man heute auch nicht mehr so machen. Aber damals haben wir es einfach gut gemeint." ( Franz Beckenbauer im Interview mit der Süddeutschen Zeitung.

4. März 2016: "Nach unserer Untersuchung bleibt offen, ob die Zahlung der CHF 10 Mio. nur der Sicherung des Finanzierungszuschusses der Fifa an das OK WM 2006 in Höhe von CHF 250 Mio. dienen sollte oder ob zumindest auch ein weiterer, dahinterliegender Zweck mit der Zahlung verfolgt wurde." (Aus dem Freshfields-Bericht, der keine Beweise für einen Stimmenkauf fand, aber auch nicht endgültig klären konnte, was mit den zehn Millionen Schweizer Franken passierte)

1. September 2016: "Franz Beckenbauer hat die Ermittlungen der Schweizer Bundesanwaltschaft unterstützt, seit er davon Kenntnis hatte, und an der heutigen Durchsuchung konstruktiv mitgewirkt. Er kooperiert auch weiterhin mit allen beteiligten Behörden." (Franz Beckenbauers Anwälte in einer Erklärung nach Bekanntwerden des Strafverfahrens der Bundesanwaltschaft)

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