Beachvolleyball-WM:Welttournee statt One-Hit-Wonder

Beachvolleyball-WM: Gut aufgelegt in der Hitze von Rom: Blockerin Svenja Müller (li.) und Abwehrspielerin Cinja Tillmann.

Gut aufgelegt in der Hitze von Rom: Blockerin Svenja Müller (li.) und Abwehrspielerin Cinja Tillmann.

(Foto: Alfredo Falcone/LaPresse/Imago)

Cinja Tillmann und Svenja Müller gewinnen in Rom bei der Beachvolleyball-Weltmeisterschaft Bronze. Über ein Duo, das in kürzester Zeit zur Einheit geworden ist - und zum Schrecken der Weltspitze.

Von Sebastian Winter

Svenja Müller musste sich in Roms Foro Romanico, wo die Beachvolleyball-Weltmeisterschaft an diesem Wochenende auf die Zielgerade einbog, vorgekommen sein wie in einem flirrenden Traum. Es ist ihre erste WM überhaupt, die Blockerin spielt erst seit dieser Saison auf der World Tour - und dann war sie plötzlich mit ihrer Partnerin Cinja Tillmann das einzige verbliebene von fünf deutschen Teams. Die Hitze hatte Müller, 21, und Tillmann, 30, außerdem mächtig zugesetzt, auch die Gegnerinnen hatten es ihnen nicht leicht gemacht, nur zwei Beispiele: In der ersten K.-o.-Runde rangen sie die Finninnen Lahti/Ahtiainen 2:1 (21:18, 20:22, 18:16) nieder, im Viertelfinale die australischen Olympiazweiten Taliqua Clancy/Mariafe Artacho Del Solar ebenso dramatisch 2:1 (21:23, 21:18, 16:14).

Nach dem knapp verlorenen Halbfinale gegen die Kanadierinnen Sophie Bukovec und Brandie Wilkerson (die zuvor die deutschen Nationalspielerinnen Karla Borger und Julia Sude aus dem Turnier geworfen hatten) gewannen Tillmann und Müller am Sonntag dann tatsächlich nach einem Sieg über die Schweizer Olympiadritten Joana Heidrich und Anouk Vergé-Dépré Bronze - das bislang drittbeste deutsche Frauenergebnis in der 25-jährigen WM-Geschichte. Zuletzt waren Laura Ludwig und Kira Walkenhorst 2017 in Wien Weltmeisterinnen geworden, 2013 hatten Karla Borger und Britta Büthe Silber erreicht.

Das Edelmetall kam allerdings unter dramatischen Umständen zustande. Heidrich war im zweiten Satz nach eigenem Aufschlag schreiend zusammengebrochen und musste behandelt werden, um sie herum waren Planen gespannt. Später wurde sie auf einer Trage ins Krankenhaus gebracht. Erste Diagnose, wie DVV-Sportdirektor Niclas Hildebrand der SZ sagte: ausgekugelte Schulter.

Nach dem schwachen Abschneiden des einzigen deutschen Männer-Duos Nils Ehlers und Clemens Wickler (13.) sowie der anderen Frauen um Borger und Sude (9.) hatten alle Hoffnungen des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV) auf Müller und Tillmann geruht, ausgerechnet. Immerhin spielen sie erst seit eineinhalb Jahren zusammen - beide zogen damals auf Anraten des DVV an den Bundesstützpunkt in Hamburg, als neuformiertes Nationalteam.

"Dass das so schnell so gut wird, damit hätten wir auch nicht gerechnet", sagt DVV-Sportdirektor Niclas Hildebrand

Ihr Perspektiv-Plan ist eigentlich klar auf Paris 2024 ausgerichtet, noch stärker auf Los Angeles 2028. "Dass das so schnell so gut wird, damit hätten wir auch nicht gerechnet", sagte DVV-Sportdirektor Niclas Hildebrand bereits ein paar Stunden vor dem Halbfinale der SZ. Das Duo profitiert jedenfalls enorm voneinander, und endlich, so scheint es, hat die begnadete, über eine herausragende Antizipation und Athletik verfügende Abwehrspielerin Tillmann eine Partnerin gefunden, mit der sie nahezu perfekt harmoniert.

Bislang, so erzählt es Hildebrand, hatte sie "keine klare Blockerin" an ihrer Seite - gewann aber mit Kim Behrens (die heute van der Velde heißt) ohne Nationalteam-Status trotzdem bei der Europameisterschaft 2020 in Lettland Silber. Außerdem machten Behrens und Tillmann auf sich aufmerksam, weil sie in jener Zeit jahrelang gegen den Verband prozessierten. Sie monierten, dass der DVV seine Nationalteams bei der Nominierung für internationale Turniere bevorzuge, obwohl diese in der Weltrangliste mitunter schlechter positioniert gewesen seien als sie selbst. In letzter Instanz verloren die Beachvolleyballerinnen, die sich Ende 2020 trennten, den Prozess, in dem es um eine finanzielle Entschädigung in fünfstelliger Höhe gegangen war.

Ein Aufstieg in irrwitziger Geschwindigkeit

Sportlich blieben die Fähigkeiten Tillmanns auch für den Verband unumstritten - und in Müller hat Tillmann, die schon "einige Lebenserfahrung mehr besitzt und auch mehr Word-Tour-Turniere gespielt hat", wie Hildebrand sagt, nun eine 1,92 Meter große Blockerin vorne am Netz, die in Rom ihre fehlende Erfahrung äußerlich ziemlich cool kaschiert.

Beachvolleyball-WM: "Eine klare Blockerin": Svenja Müller (links) versucht ihre kanadische Gegnerin Brandie Wilkerson am Punkterfolg zu hindern.

"Eine klare Blockerin": Svenja Müller (links) versucht ihre kanadische Gegnerin Brandie Wilkerson am Punkterfolg zu hindern.

(Foto: Andrew Medichini/AP)

Schon im Frühjahr deutete sich an, dass sich da in irrwitziger Geschwindigkeit ein neues deutsches Frauen-Duo Richtung Weltspitze aufmacht. Sie wurden Neunte in Rosarito, Fünfte in Doha, Fünfte in der Türkei, Siegerinnen in Ostrava bei einem Weltserienturnier der höchsten Kategorie. Als Weltranglistendritte waren sie nach Rom gereist, was ihnen selbst ein wenig unheimlich vorgekommen sein dürfte - auch wegen einiger Partnerwechsel bei anderen Teams waren sie im Ranking nach oben gespült worden.

Mentales Training ist für Tillmann und Müller ein Schlüssel zum Erfolg

Aber ihr Erfolg ist gut vorbereitet. Mit dem Neuseeländer Kirk Pitman und der von vielen Spielerinnen verehrten Trainerin Helke Claaßen, die aus ihrer Babypause zurückkehrt, haben sie renommierte Coaches an ihrer Seite - die auch viel Mental Coaching betreiben. Wie das Thema "F wie fears", also keine Ängste auf dem Feld zu zeigen, und dort auch möglichst wenig auf den Spielstand zu schauen, sondern auf sich selbst. Vielleicht waren Tillmann und Müller, die beide keine extrovertierten Spielerinnen sind, auch deshalb so abgebrüht in den vielen knappen Situationen.

Der Verband nimmt ihr hervorragendes Ergebnis nach dieser für die Deutschen insgesamt schwierigen WM nun auch mit zum Gespräch nächste Woche mit dem Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB). Es ist ein wichtiger Termin, bislang bekommt Volleyball - Halle und Beach zusammen - laut Hildebrand einen kleinen siebenstelligen Betrag jährlich für das Spitzensportpersonal. Das ist nicht allzu üppig für diese beiden gänzlich verschiedene Sportarten.

"Das ist kein One-Hit-Wonder", sagte Hildebrand noch in Richtung Tillmann und Müller. Sie wirken auch eher wie eine kleine Band, die gerade mit Verve und viel Spaß ihre erste große Welttournee bestreitet. Nächste Station: Die Europameisterschaft im August auf dem Münchner Königsplatz.

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