Beachvolleyball:Noch mehr Sand im Getriebe

Beachvolleyball: Müssen sich strecken: Svenja Müller und ihre Beach-Partnerin Cinja Tillmann (im Bild) waren bei der EM in München chancenlos - auch wegen der Querelen im Verband, sagen manche Experten.

Müssen sich strecken: Svenja Müller und ihre Beach-Partnerin Cinja Tillmann (im Bild) waren bei der EM in München chancenlos - auch wegen der Querelen im Verband, sagen manche Experten.

(Foto: Roger Bürke/Eibner/Imago)

Die erfolgsverwöhnten Beachvolleyballer verlieren einen der größten Architekten ihres Aufschwungs: Jürgen Wagner zieht sich aus der Sparte zurück. Das wirft erneut ein Licht auf die desolaten Zustände im Dachverband.

Von Felix Meininghaus

Jürgen Wagner ist Westfale. Ein Mann, der das, was er zu sagen hat, sorgsam abwägt, bevor er es eloquent ausspricht. Eine Persönlichkeit mit diesem Selbstverständnis und dieser Vita lässt sich nicht so leicht aus der Ruhe bringen. Doch während der am Sonntag zu Ende gegangenen Europameisterschaften der Beachvolleyballer saß Wagner, der 2012 das Duo Julius Brink und Jonas Reckermann sowie vier Jahre später Laura Ludwig und Kira Walkenhorst auf den olympischen Gipfel geführt hatte, auf einem Bänkchen neben dem Spielerbereich am Münchner Königsplatz und rang bereits nach den richtigen Worten.

Mittlerweile ist klar: Der 66-Jährige will nicht mehr für den Deutschen Volleyball-Verband (DVV) arbeiten, der das Aushängeschild vor zwei Jahren verpflichtet hatte, als sogenannter Head of Beach, um eine eigens für Wagner eingerichtete Stelle am Hamburger Bundesstützpunkt mit Leben zu füllen. Und nun? Für Beachvolleyball in Deutschland sei Wagners Ausstieg "ein Verlust an Qualität, der nicht zu beziffern ist", sagt Brink, der seine Sportart inzwischen als Experte für diverse Medien begleitet.

In einer Erklärung, die auf dem Portal "volleyball.de" verbreitet wurde, führt Wagner seine Beweggründe öffentlich aus: "In den letzten Monaten hat sich bei mir immer mehr die Überzeugung verstärkt, dass die Unterstützung für den Höchstleistungsbereich Beachvolleyball nicht im Fokus des DVV liegt." Stein des Anstoßes war demnach die Entmachtung von Sportdirektor Niclas Hildebrand, der von seinem Arbeitgeber nach internen Querelen freigestellt wurde.

Wagner und Hildebrand verstanden sich als Team, das im konzeptionellen Bereich eng verzahnt war. Nun, so Wagners Überzeugung, sei diesem Austausch der Nährboden entzogen worden. "Aus meiner Sicht hat Niclas einen hervorragenden Job gemacht. Die Trennung ist nicht nachvollziehbar und eine deutliche Schwächung unserer Sportart", teilte er mit.

Erfolgreich waren oft jene Teams, die unabhängig vom Verband agierten

Die in der Vergangenheit so erfolgsverwöhnte Sandabteilung des deutschen Volleyballs liegt also in Scherben. Dabei waren Svenja Müller und Cinja Tillmann noch vor zwei Monaten gefeiert worden, als sie bei der WM in Rom Bronze gewannen. Beim kontinentalen Gipfeltreffen in München schmetterten die neun Teams, die der Gastgeber ins Rennen schickte, weit an einer Medaille vorbei. Für die in Europa mit Abstand erfolgreichste Beachvolleyball-Nation war das eine desaströse Bilanz.

Es ist hypothetisch - und doch naheliegend -, diese Leistungen mit dem desolaten Zustand eines Dachverbandes in Verbindung zu bringen, der sich gerade nach allen Regeln der Kunst selbst zerlegt. Wagner stellte diesen Zusammenhang zumindest her: "Der Zeitpunkt der Beurlaubung von Niclas war vom DVV super ungeschickt gewählt. Das zwischen WM und EM zu machen, geht gar nicht. Spieler und Spielerinnen diskutieren darüber und verlieren ihren Fokus." Namentlich gemeint sind bei der Wagner'schen Generalabrechnung Verbandspräsident René Hecht sowie Julia Frauendorf, die als hauptamtliches Vorstandsmitglied dafür sorgen soll, dass die Abläufe in der Sport-Sparte reibungslos ineinandergreifen.

Stattdessen wehte es den Beachvolleyballern jede Menge Sand ins Getriebe. Wagner bemängelt, es sei kontraproduktiv, die Arbeit des Sportdirektors auf die Köpfe von Julia Frauendorf, Wagner selbst sowie die Bundestrainer umzuverteilen - während der Mann, der die strategische Richtlinienkompetenz innehaben sollte, nun bei vollen Bezügen zu Hause sitzt und sich ausrechnet, wie hoch seine Abfindung ausfallen könnte.

Auch die Außenwirkung, die Wagners Kündigung hinterlässt, ist verheerend. Ob und in welcher Form der 66-Jährige dem Sport, dem er so viel gegeben hat, erhalten bleibt, ließ er offen. In der Vergangenheit kamen die großen deutschen Erfolge stets dann zustande, wenn Athleten und ihr Umfeld eine sogenannte Insellösung wählten, sich gewissermaßen selbst aufstellten. Weitgehend unabhängig von einem Verband also, dessen Vermarktungsagentur pleitegegangen ist und der sich nun wieder einmal als wenig kompetent erwiesen hat.

Das eigene Ding zu machen, könnte auch dieses Mal den Ausweg aus der Malaise weisen. Schließlich hat sich Olympiasiegerin Laura Ludwig vor Kurzem mit der ehemals besten Hallenspielerin Louisa Lippmann zusammengetan, um mit dieser nach Beendigung von Ludwigs Babypause den Weg zu den Olympischen Spielen in Paris anzutreten. In einer solchen Konstellation könnte der Stratege Wagner, der beide Athletinnen bestens kennt, durchaus eine führende Rolle übernehmen.

Zur SZ-Startseite

Beachvolleyball
:"Mich ekelt das richtig an"

Karla Borger äußert sich nach ihrem verlorenen EM-Viertelfinale zu den Missbrauchsvorwürfen des früheren Weltklasse-Wasserspringers Jan Hempel - und kritisiert die Beachvolleyball-Weltserie für ihre schlechten Bedingungen.

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: