Beachvolleyball:Nach ihnen die Sintflut

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Chancenlos: Im August 2022 hatte Wickler mit seinem Partner Nils Ehlers (im Bild) bei der Europameisterschaft auf dem Münchner Königsplatz bereits ein Heimspiel - verlor aber im Viertelfinale gegen Norwegen. (Foto: Soeren Stache/dpa)

Clemens Wickler und Nils Ehlers scheiden bei der Europameisterschaft als letztes deutsches Duo im Viertelfinale aus. Die Athleten ärgern sich über die schlechteste Bilanz seit Jahren - die passt zum desolaten Bild, das der Verband derzeit abgibt.

Von Sebastian Winter

Als der Himmel seine Schleusen öffnete und es am Münchner Königsplatz am Samstagnachmittag heftig schüttete, waren Clemens Wickler und Nils Ehlers bereits im Trockenen. Glücklich aber waren sie dort nicht. Ihr Viertelfinalspiel hatte viel zu kurz gedauert, 0:2 (15:21, 14:21) hatten sie gegen Anders Mol und Christian Sorum verloren. Die Norweger waren favorisiert, das schon, sie gelten seit Jahren als bestes Beachvolleyball-Duo der Welt. Die aktuellen Olympiasieger und Weltmeister schieden allerdings am Sonntag selbst in einem spektakulären Halbfinale gegen die jungen Schweden David Ahman und Jonatan Hellvig aus, die später Europameister wurden. Im Viertelfinale hatte vor allem Ehlers viel zu viele Fehler im Angriff und in der Annahme gemacht, um Mol und Sorum standhalten zu können. "Wir haben es nicht geschafft, das zu spielen, was wir uns vorgenommen haben. Heute haben wir eine Klatsche bekommen", sagte Wickler selbstkritisch.

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Auch in München zeigte sich, dass das derzeit beste deutsche Männer-Duo noch zu inkonstant ist für die Weltspitze. Es hatte sich ja erst in dieser Saison neu formiert, weil Wicklers Partner Julius Thole, mit dem er 2019 WM-Zweiter geworden war, im vergangenen Herbst überraschend vom Leistungssport zurückgetreten war. Thole wollte kein Spitzensportler mehr sein, sondern sich mehr seinem Jurastudium widmen.

In Ehlers und dem Starnberger Lokalmatadoren Wickler ist bei dieser EM nun das letzte von insgesamt neun angetretenen deutschen Duos im Viertelfinale ausgeschieden, noch vor der Medaillenvergabe. Bei den Frauen hatten Karla Borger und Julia Sude sowie Chantal Laboureur und Sarah Schulz am Freitag das Halbfinale verpasst. Die WM-Dritten von Rom, Svenja Müller und Cinja Tillmann, waren bereits in der Zwischenrunde gescheitert, wie auch Olympiasiegerin Kira Walkenhorst bei ihrem internationalen Comeback mit der früheren Hallen-Nationalspielerin Louisa Lippmann. Und so fällt die EM-Bilanz der deutschen Beachvolleyball-Duos so schlecht aus wie seit vielen Jahren nicht.

Etwas ratlos im Sand: Cinja Tillmann, die mit ihrer Partnerin Svenja Müller im Juni WM-Dritte in Rom wurde, schied bei der EM in München bereits in der Zwischenrunde aus. (Foto: Eibner/Memmler/Imago)

2012, vor zehn Jahren also, sind Julius Brink und Jonas Reckermann Europameister geworden. Es war zugleich das letzte Edelmetall für ein deutsches Männer-Duo bei einer EM. Bei den Frauen ist der Blick in die Historie weitaus weniger bedrohlich, auch weil sie im vergangenen Jahrzehnt so erfolgsverwöhnt waren, nicht nur wegen des Olympiasiegs von Walkenhorst und Laura Ludwig 2016 in Rio. In der Zehnjahresbilanz bei Europameisterschaften hechteten sie nur 2012, 2018 und 2019 an einer Medaille vorbei - und 2022.

"Insgesamt ist eine Europameisterschaft ohne Halbfinal-Teilnahme, auch rückblickend, für Deutschland enttäuschend", sagte Julius Brink, der mit Jonas Reckermann 2012 in London Olympiasieger wurde und in München als TV-Experte tätig ist. Das Fazit passt jedenfalls zum recht desolaten Bild, das auch der Deutsche Volleyball-Verband (DVV) in seiner erfolgreichsten Sparte zurzeit abgibt. Beachvolleyball-Sportdirektor Niclas Hildebrand wurde kürzlich freigestellt. Jürgen Wagner, der noch als "Head of Beachvolleyball" für den DVV arbeitet, und unter dessen Trainerführung Brink/Reckermann sowie Ludwig/Walkenhorst Olympiagold gewannen, droht mit seinem Abschied, falls Hildebrands Demission bestehen bleibt.

Dusche: Der Starkregen räumte die Tribünen am Königsplatz für kurze Zeit leer. (Foto: Tobias Schwarz/AFP)

Nach der Europameisterschaft in München will Wagner seine Entscheidung bekannt geben. Die Vorständin Sport beim DVV, Julia Frauendorf, die erst seit wenigen Monaten im Amt ist, sagt: "Wir werden definitiv noch mal das Gespräch suchen." Doch auch Brink zeichnet ein recht düsteres Bild der derzeitigen Lage: "In Sachen sportlicher Führung sieht es gerade danach aus, dass alles in Scherben liegt. Der Weg, ,Wie führe ich junge Talente in den Leistungssport hinein', wird ja nicht besser, wenn man handelnde Personen freistellt", sagt Brink.

Die besten deutschen Beachvolley-Duos hatte eigentlich immer ausgezeichnet, dass sie als selbständige Minifirmen funktionierten, mit einem kleinen Team drumherum, sie zogen für ihr ganzheitliches Training die besten Fachleute des Landes zusammen. Diese "kleinen Zellen", wie Brink sie nennt, gibt es immer noch, auch Müller/Tillmann oder Wickler/Ehlers funktionieren so. "Bei uns damals hat sich der Verband aber komplett herausgehalten", sagt Brink.

Wickler, der in München auch deshalb so enttäuscht war, weil er vor den Augen seiner Familie nicht seine beste Leistung zeigen konnte, richtet seine Ziele mit Ehlers trotz allem auch weiterhin auf die Olympischen Spiele 2024 in Paris aus. Aber zunächst einmal wollte er mit den Eltern und seiner Schwester noch essen gehen. Nach der Sintflut.

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