Beachvolleyball:Gegner im eigenen Haus

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Das Beachvolleyball-Duo Borger/Kozuch zählt zu den besten deutschen Teams - der Verband stellt es trotzdem nicht auf.

Von Felix Meininghaus, Münster

Am Montagabend sind Karla Borger und Margareta Kozuch ins Flugzeug gestiegen und nach Rio de Janeiro geflogen. Business as usual für zwei Athletinnen, die ihr Geld als Beachvolleyballerinnen an den Stränden dieser Welt verdienen. Sollte man meinen, doch die Welt der beiden Profis ist aus den Fugen geraten. Das Duo Borger/Kozuch wird an der Copacabana nach Lage der Dinge nur trainieren, aber nicht beim Turnier antreten.

Die größten Gegner dieses Teams stehen nämlich derzeit nicht auf der anderen Seite des Netzes, sondern sitzen in der Führungsetage des Deutschen Volleyball-Verbandes (DVV). Die Funktionäre haben das Team Borger/Kozuch in Brasilien abgemeldet, obwohl es genügend Weltranglistenpunkte für eine Startberechtigung auf seinem Konto hat. Es ist ein Politikum, das die Szene der Sandwühler in Atem hält. "Die Dinge sind nicht nur kurz davor, zu eskalieren, sie eskalieren schon", sagt Reiner Marwitz, der im Team Borger/Kozuch als Projektmanager fungiert.

Mit der Zurückweisung erreicht ein Streit seinen vorläufigen Höhepunkt, der seit Monaten mit viel Vehemenz und wenig Niveau ausgetragen wird. Entzündet hat er sich an der Weigerung von Borger/Kozuch, nach Hamburg zu ziehen und am neuen Bundesstützpunkt zu trainieren. Die Abwehrspielerin Karla Borger, WM-Zweite von 2013, und Margareta Kozuch, ehemalige Spielführerin der Hallen-Nationalmannschaft, bilden seit Ende des vergangenen Jahres ein Team und haben ihr Umfeld so aufgestellt, dass sie die meiste Trainingszeit in Teneriffa verbringen.

Das ist nicht im Sinne des DVV, dessen neues Konzept vorsieht, alle Nationalduos und die Perspektivspieler in der Hansestadt zu konzentrieren. Eine Ausnahmeregelung wurde lediglich den Olympiasiegerinnen Laura Ludwig und Kira Walkenhorst eingeräumt. Diese sogenannte "Insellösung" reklamieren jedoch auch Borger/Kozuch für sich, worauf sich die Funktionäre nicht einlassen wollen. Andreas Künkler, Vizepräsident Sport beim DVV, wirft Borger/Kozuch "eine gewisse Bequemlichkeit" vor: "Sie sind nicht bereit, ihre Komfortzone zu verlassen." Dagegen verwahrt sich Borger: "Das Urteil ist krass, Ich arbeite seit Jahren professionell und habe das mehr als einmal nachgewiesen."

Die Verbandspolitik, Athleten zu zwingen, an einem Standort zu trainieren, kritisiert Kay Matysik. Der WM-Dritte von 2013, bis 2016 Sprecher der deutschen Beachvolleyballer, sagt: "Du kannst nicht Athleten, die sich jahrelang selbstverantwortlich organisiert haben, ein solches System mit der Brechstange aufpfropfen." Das Konzept wurde den Athleten zwar vorgestellt, die Vorzüge des Standorts Hamburg aber nicht entsprechend dargelegt. In der Kritik steht vor allem DVV-Präsident Thomas Krohne. Der Geschäftsmann aus München herrscht seit fünf Jahren mit kaltem Pragmatismus über die Geschicke der Volleyballer, die Athleten werfen ihm fehlendes Einfühlungsvermögen vor.

Wegen eines verweigerten Umzugs nicht zur World Tour? Das Duo prüft nun Schadenersatz

Inzwischen sind die Fronten verhärtet. Zunächst verweigerte der DVV dem Duo Borger/Kozuch den Status als Nationalteam, nun folgte der nächste Schritt. "Wir haben nun mal nur vier Spots", betont Jörg Ziegler, Generalsekretär des DVV: "Und die vergeben wir bevorzugt an unsere Nationalteams." Ein rechtlich fragwürdiges Vorgehen, findet Matysik, der betont: "Die Regularien des Weltverbandes FIVB besagen eindeutig, dass die nationalen Verbände ihre punktbesten Teams nominieren müssen." Ganz so klar liegen die Dinge allerdings nicht, in seinen Einführungsbestimmungen behält sich die FIVB bei Härtefällen vor, am Ende selbst zu entscheiden, welchen Teams es eine Starterlaubnis erteilt.

Einen Präzedenzfall mit der Klage einer Athletin gab es bereits in Italien. Dort setzte die Beachvolleyballerin Greta Cicolari vor Gericht Schadenersatzansprüche durch, weil der nationale Verband sie nicht für internationale Turniere nominiert hatte. Ein ähnliches Szenario droht nun auch. "Wir prüfen rechtliche Schritte gegen den DVV", sagt Marwitz. Die nächste Eskalationsstufe steht also bevor, längst färbt die schlechte Stimmung auf die gesamte Szene ab. Beim Saisonauftakt der deutschen Tour in Münster empfand Beachprofi Alexander Walkenhorst die Atmosphäre als "angespannt und belastet wie noch nie". Der Bruder von Olympiasiegerin Walkenhorst spricht von einer "tickenden Zeitbombe".

Doch bis zur Explosion muss es nicht kommen: "Die Tür ist nicht zu", gab DVV-Generalsekretär Ziegler Karla Borger in Münster mit auf den Weg. Das klingt zumindest nach dem Versuch einer Annäherung. Allerdings ist in den letzten Monaten so viel Porzellan zerschlagen worden, dass es viel Mühe kosten wird, die Scherben aufzulesen.

© SZ vom 10.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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