Beachvolleyball: EM in Berlin:So weit die Knie tragen

Die Weltmeister Jonas Reckermann und Julius Brink werden bei der EM in Berlin alle Blicke auf sich ziehen. Dabei ist es nicht lange her, da haben sie sich in einem Spiel beide schwer verletzt.

Thomas Hummel

Bevor Jonas Reckermann wieder zum Flughafen fuhr, hatte er immerhin ein paar Stunden Pause. Am Montag war er mit dem Flieger aus Polen zu Hause in Köln angekommen, "einmal schlafen, einmal Sachen waschen, packen und dann weiter", erzählte er. Am Dienstagnachmittag flog er zum nächsten Turnier. Das ist der Rhythmus, in dem ein Beachvolleyballer während der Saison lebt. "Zumindest wenn es ein erfolgreiches Wochenende war", erzählte der 31-Jährige. Seit er sich 2009 mit Julius Brink zusammengetan hat, erlebt Jonas Reckermann fast nur noch erfolgreiche Wochenenden.

Beachvolleyball Jonas Reckermann Julius Brink

Siege, Siege, Siege: Im Jahr 2009 gewannen die Beachvolleyballer Jonas Reckermann, r., und Julius Brink praktisch alles, was es zu gewinnen gab. Unter anderem das Weltturnier in Moskau.

(Foto: imago sportfotodienst)

Reckermann klang müde. Auch im polnischen Stare Jablonki hatte er mit seinem Partner ein großartiges Welt-Turnier gespielt, mal wieder blieben sie bis zum Schluss im Wettbewerb. Erst im Finale unterlagen die Deutschen den Weltranglisten-Ersten Todd Rogers und Philip Dalhausser aus den USA.

Weil sie so unverschämt gut sind, blieb den beiden also wieder nur eine Nacht in den eigenen Wohnungen in Köln und Leverkusen, Reckermann sagt: " Wenn ich die Wahl hätte, würde ich gerne das nächste Turnier um zwei, drei Tage verschieben, um mal länger zu Hause zu verbringen." Doch Reckermann hat keine Wahl. Und nach allem, was man von ihm weiß, wird sich seine Müdigkeit schnell wieder legen. Denn nun steht der Saisonhöhepunkt an.

Reckermann und Brink starten am Donnerstag in die Europameisterschaft in Berlin und werden vor der Mehrzweckhalle am Ostbahnhof alle Blicke auf sich ziehen. Denn dieses deutsche Paar hat im vergangenen Jahr die Beachvolley-Szene auf den Kopf gestellt. Reckermann und Brink waren im Jahr 2009 die besten Beachvolleyballer der Welt: Weltmeister, Erster der Weltrangliste, neuer Weltrekord mit 25 Siegen in Folge auf der Welt-Tour. Diese Sportart wurde seit ihrer Erfindung von Brasilianern und Amerikanern dominiert und dann kamen zwei Jungs aus dem Rheinland und räumten alles ab. In Berlin gelten die beiden nicht nur für Bundestrainer Jörg Ahmann als "klare Favoriten". Dabei lief diese Saison lange nicht so glatt.

Es begann damit, dass Trainer Jürgen Wagner aus beruflichen Gründen seine Zusammenarbeit mit Reckermann/Brink beendete. Das Paar wird in diesem Sommer von den bisherigen Spezialtrainern Markus Dieckmann und Hans Voigt betreut. Reckermann bezeichnet die Umstellung kurzfristig als "kein größeres Problem". Langfristig, vor allem im Hinblick auf das große Ziel Olympia 2012 in London, sucht das Team aber einen neuen Hauptcoach.

Dieser Tag in Prag

Gefahr, dass Brink und Reckermann bei der EM in Berlin fehlen würden, bestand wegen Wagners Demission nicht. Die kam von zwei anderen Seiten: Erstens streiten alle Spieler mit dem europäischen Verband CEV und einem insolventen Schweizer Vermarkter um jede Menge Preisgelder aus der vergangenen Saison. Bei Brink und Reckermann handelt es sich um mehr als 15.000 Euro, insgesamt wurden rund 300.000 Euro nicht ausbezahlt. Ein Boykott der EM stand im Raum, bis der CEV zumindest einen Teil der versprochenen Gelder ausbezahlte.

Und dann war da noch dieser Tag in Prag. Am 24. Juni spielten Reckermann und Brink bei den Czech Open gegen die Chinesen Xu und Wu um Platz drei - sie gewannen, waren aber danach beide schwer am Knie verletzt. Reckermann war schon beim Aufwärmen unsauber gelandet und hatte einen Stich im Knie gespürt, er konnte nur mit einer Schmerztablette antreten. Brink verdrehte sich sein Knie drei Ballwechsel vor dem Ende bei einer Rettungsaktion. Die Diagnosen: Meniskus-Absplitterung bei Reckermann, Innenbandriss bei Brink. "Kurioserweise bekamen wir beide die Vorhersage, nach vier bis sechs Wochen wieder voll belastbar zu sein", erzählte Reckermann und schloss daraus: "Wir sind eben ein Team."

In den Wochen danach kam ihnen besonders zugute, dass sie einen schier unerschöpflichen Ehrgeiz mitbringen. "Sie haben eine gute Portion Talent, aber der dauerhafte Erfolg erklärt sich vor allem durch ihre harte Arbeit", erzählt Trainer Markus Dieckmann, "das leben die beiden konsequent." Und so gingen sie auch mit Elan in ihr Reha-Training, schon nach einer Woche übten sie wieder mit dem Ball.

In Stare Jablonki gaben die Weltmeister ihr Comeback, die Skepsis nach sechs Wochen Pause überwog. In der Vorrunde gab es eine Niederlage gegen die Russen Igor Kolodinsky und Jaroslav Koschkarew, doch es reichte für die K.-o.-Runde und dort "sah es schon fast wieder nach Beachvolleyball aus, was wir gespielt haben", sagte Reckermann. Im Halbfinale besiegte das Duo wie so oft die deutschen Konkurrenten David Klemperer und Eric Koreng aus Kiel in zwei knappen Sätzen. Im Endspiel siegten Rogers und Dalhausser in zwei Sätzen knapp mit jeweils 21:19.

"Wir nehmen aus Polen natürlich sehr viel Selbstvertrauen mit", kündigte Reckermann an. Halten die Knie weiterhin den Belastungen stand und reicht die Kraft, möchte er in Berlin "um den Titel mitspielen". Auch andere europäische Paare haben in diesem Jahr auf der Welt-Tour Erfolge gefeiert, Klemperer/Koreng gewannen erstmals ein Turnier, die Spanier Herrera/Gavira stehen auf Rang drei der Weltrangliste, einen Platz vor Reckermann und Brink. Doch bei aller Vorsicht und Respekt vor der Konkurrenz: Auch Jonas Reckermann glaubt wohl nicht daran, an diesem Wochenende früh nach Köln reisen zu können.

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