Süddeutsche Zeitung

Beachvolleyball:Die Konsole bleibt aus

Clemens Wickler und Julius Thole erleben ihre ersten Olympischen Spiele trotz schwerer Vorbereitung mit positiven Gefühlen - nach dem ersten Sieg im Turnier wahren sie die Chance aufs Achtelfinale.

Von Saskia Aleythe

Für sie ist alles groß und aufregend. Es kommt immer darauf an, was man schon erlebt hat, und für Clemens Wickler und Julius Thole gehörten Olympische Spiele bisher nicht dazu. Dass sie sich in Tokio wohl fühlen, dafür sorgen auch die freiwilligen Helfer an der Beachvolleyball-Arena, sie sind reichlich verteilt, um ihnen die nötigen Wege vom Sand in die Interviewzonen zu zeigen. Doch nicht nur bei der Orientierung helfen sie, sondern auch bei der Stimmung: Tauchen die Athleten auf, wird eifrig geklatscht, nur unterbrochen von den Gesprächen ins Mikrofon. Beim Abmarsch dann schon der nächste Applaus, sie können sich hier fühlen wie Stars.

2019 sind die beiden Weltmeisterschafts-Zweite geworden, sie haben in ihrem Sport schon ein paar Duftmarken gesetzt, aber Olympia - das ist was anderes. Die Nervosität hat das Duo erwischt, bevor es zum ersten Mal aufschlagen durfte im Shiokaze Park. "Die ersten Tage dachte ich noch: So groß ist das Ganze ja nicht", sagt Thole, "aber zwei Tage vorher ging das Kribbeln schon richtig los, ich habe eine hohe Anspannung gehabt." Zum Auftakt gab es eine Niederlage gegen die Olympia-Zweiten von Rio, die Italiener Paolo Nicolai/Daniele Lupo, es war gleich eine Riesenaufgabe. Bei ihrer zweiten Partie schlugen sie die Polen Piotr Kantor/Bartosz Losiak mit 2:0 (22:20, 21:16). "Mental mussten wir uns ein bisschen aufrappeln, umso glücklicher bin ich über den Sieg heute", sagt Thole. Der 24-Jährige und Wickler, 26, sind nun richtig im Turnier angekommen.

Wenn sie es sich hätten aussuchen können, hätten sie diese Olympischen Spiele wohl gerne noch mal um ein Jahr verlegt, allzu fit sind sie nicht nach Tokio gereist: Wickler musste nach einer Blinddarm-Operation Ende März wieder auf die Beine kommen, Thole erwischte danach ein Bänderriss. "Man merkt es ein bisschen, dass die Eingespieltheit noch fehlt, aber das kommt über die Zeit", sagt Wickler, "heute lief es schon sehr gut". Gegen die Polen hatten sie in der Vergangenheit oft enge Spiele bestritten und immer verloren. Ein Umstand, über den sie sich wenig Gedanken gemacht hätten. "Wir mussten uns in beiden Sätzen zurückkämpfen und haben gezeigt, dass wir mental und körperlich auf der Höhe sind", sagt Thole, "es hat richtig Spaß gemacht. Wir haben gegen sie immer enge Spiele, aber sie sind einfach extrem stark."

Als sie ihren ersten Satz mit 22:20 gewinnen, schreit Laura Ludwig "geile Sau" durch die Arena

Und diesmal kam auch ein anderer Faktor hinzu: Auf der Tribüne wurden sie von den deutschen Betreuern angefeuert, "sie waren lauter als die Polen", sagte Wickler. Als sie ihren ersten Satz mit 22:20 gewannen, schrie Laura Ludwig "geile Sau" durch die Arena, und sowas hört man auf den leeren Rängen sehr deutlich.

Wer gerade seine Olympia-Premiere bestreitet, dem wird oft Mitleid entgegengebracht ob der mauen Bedingungen ohne Zuschauer und begrenzter Ausgelassenheit im olympischen Dorf. Doch die beiden deutschen Männer erleben trotzdem eine aufregende Zeit. "Vermutlich ist es ohne Corona ein bisschen schöner", sagt Wickler, "aber auch so ist es ein Riesen-Erlebnis. In der Mensa kommt trotz der Corona-Maßnahmen das olympische Feeling auf." Bei der WM vor zwei Jahren in Hamburg saßen 12 000 Zuschauer auf den Tribünen, "das haben wir geliebt", sagt er auch und manchmal lässt er einfach die Phantasie aufleben hier in Japan: "Sich das Stadion voll vorzustellen, ist unglaublich."

Durch ihren Sieg am Dienstagabend haben sie die Chance auf das Erreichen des Achtelfinals gewahrt. Laura Ludwig und Margareta Kozuch sind bereits eine Runde weiter, Karla Borger und Julia Sude hoffen am Donnerstag noch aufs Weiterkommen. Sie sind nach zwei Niederlagen aber erheblich unter Druck.

Am Samstag treffen die beiden Männer auf die Japaner Yusuke Ishijima/Katsuhiro Shiratori, bis dahin wird es laut Thole auch "richtungsweisend" sein, wie sie ihre Zeit im gemeinsamen Zimmer gestalten. Wickler wollte unbedingt seine Spielekonsole mitbringen nach Japan - er fürchtete die Langeweile ob der Pandemie-Umstände. Deswegen wurde ihr Raum mit einem Fernseher ausgestattet statt mit einem Kühlschrank, was Thole bevorzugt hätte, sie mussten sich entscheiden. "Bisher kommt der Clemens gar nicht zum Zocken", verriet Thole nun. Training, Mensa, Spielen - für sie ist jetzt richtig Olympia.

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