Beachvolleyball:Der Deal der Brüder

Deutsche Meisterschaft Beachvolleyball

Kurzer Austausch: Jonas (li.) und Benedikt Sagstetter sind meist einer Meinung, keiner will auf die Saison im Sand verzichten.

(Foto: Frank Molter/dpa)

Jonas und Benedikt Sagstetter werden Vierte bei der Beach-DM. Zeit fürs Feiern bleibt keine, die Vorbereitung auf die Hallensaison mit dem TSV Haching München läuft bereits.

Von Katrin Freiburghaus

Den Abend im Anschluss an das beste Resultat der bisherigen Karriere verbringen wohl die meisten Sportler so: den Moment genießen, sacken lassen, feiern. Jonas und Benedikt Sagstetter fehlte dafür die Zeit. Nach ihrem starken vierten Platz bei den deutschen Beachvolleyball-Meisterschaften in Timmendorfer Strand stiegen die Brüder noch am Abend ins Flugzeug nach Bayern, denn dort beginnt für sie bereits drei Tage später die gemeinsame Vorbereitung auf die Bundesliga-Hallensaison in Unterhaching. Die gute Platzierung kam unerwartet; sie waren bei ihrer zweiten Endrunden-Teilnahme mit dem Anspruch angetreten, "mindestens ein Spiel zu gewinnen, damit wir unter die Top Ten kommen", wie Jonas, der mit 22 Jahren Ältere, sagt. "Dann standen wir auf einmal im Halbfinale und wussten eigentlich nicht mehr, wo vorne und hinten ist", fügt sein 20-jähriger Bruder hinzu.

Das Duo scheiterte erst dort an den neuen Meistern Alexander Walkenhorst und Sven Winter; das Spiel um Platz drei ging gegen die Titelverteidiger Julius Thole und Clemens Wickler verloren. Was die Brüder vom Großteil der Konkurrenten abhob, ist die anstehende Erstliga-Saison in der Halle, wo Jonas Hachings erfahrenster Mann in der Außenannahme ist und Benedikt zuspielt. "Sie werden ein paar Wochen brauchen, um sich wieder an die Halle zu gewöhnen", mutmaßt Hachings Geschäftsführer Mihai Paduretu. Diese Zeitspanne ist einer der Gründe dafür, dass es kaum Volleyballer gibt, die sowohl in der Halle als auch im Sand gleichermaßen hochklassig spielen. Wer in beiden Bereichen talentiert ist, hat irgendwann die Qual der Wahl.

Die Qual der Wahl im Volleyball: Sand oder Halle? Die Sagstetters wollen auf keines verzichten

Die Sagstetters ersparen sich diese Qual bislang, indem sie die Sache mit der Spezialisierung seit Jahren auf ihre ganz eigene Art lösen: gar nicht. "Das ist meine Hassfrage", sagt Benedikt, wenn man ihn bittet, eine Tendenz zu verraten, er klingt allerdings nicht sonderlich verärgert dabei. Es scheint, als pralle die implizite Botschaft, sich vielleicht doch mal zu entscheiden, mittlerweile an ihm ab wie ein schlecht getimter Angriff des Gegners an seinen Händen. "Es ist wahrscheinlich deutlich schlauer, sich zu spezialisieren", sagt sein Bruder, "aber uns macht einfach beides unglaublich viel Spaß, und wir fahren im Moment gut damit."

Die Frage, wie lange sich der Körper die Doppelbelastung gefallen lässt, haben sich beide schon gestellt. "Man denkt schon manchmal, dass man ein bisschen Pause brauchen könnte", gibt Jonas zu. Andererseits glaubt er, "dass wir es den ganzen Sommer ohne Sport sowieso nicht aushalten könnten - außerdem kommen wir super fit in die Hallen-Vorbereitung".

Man muss vielleicht bis zum Anfang zurückgehen, um zu verstehen, warum der Spaß trotz des immensen Trainingsaufwands eine mögliche Ergebnis-Optimierung sticht. Volleyball war im Hause Sagstetter nie ein gewöhnliches Hobby. Obwohl die Eltern keine Profi-Karriere für ihre Söhne anstrebten, prägte Volleyball den Alltag, seit die Brüder denken können. Der Ball ist gewissermaßen Familienmitglied.

Als kleine Kinder saßen sie mit ihrer älteren Schwester Lina, die ebenfalls in der Halle und im Sand aktiv war, neben dem Feld, wenn die Eltern bei Turnieren spielten, und kullerten Bälle hin und her. Heute ist es umgekehrt: Vater Reiner saß in Timmendorfer Strand daneben und coachte seine Söhne. Obwohl die Brüder auf Sand und in der Halle Jugend-Meistertitel sammelten und Jonas das Volleyball-Internat in Frankfurt besuchte, paart sich bei den Sagstetters gewaltiger sportlicher Ehrgeiz mit einer eigentümlichen Gelassenheit in Bezug auf konkrete Ziele.Der Leistungssport war nichts, was die Eltern forderten; sie förderten ihn erst, als er sich ergab.

Mit Unterhaching haben sie einen Deal: Sie bleiben trotz anderer Angebote, dürfen dafür Beachvolleyball spielen

Diese entspannte Haltung haben längst nicht alle aus dem Umfeld der Brüder, ihr Alleinstellungsmerkmal wird durchaus kritisch beäugt. Es sei immer wieder "relativ stark darauf gedrängt worden", sich festzulegen, sagt Benedikt, bei Lehrgängen des Verbands wurde er "des Öfteren darauf hingewiesen". Denn während Zweigleisigkeit in der frühen Ausbildung ausdrücklich begrüßt und forciert wird, gilt sie ab der Schwelle zum Erwachsenenbereich eher als Ressourcenverschwendung. Es gibt viele Hallen-Profis, die im Sommer in den Sand steigen, die Prioritäten sind aber klar und verhindern in der Regel Top-Platzierungen.

Paduretu rechnet deshalb damit, dass sich selbst die Sagstetters in nicht allzu ferner Zukunft festlegen. Druck werden sie von ihm diesbezüglich nicht bekommen - das ist der Deal. Beide Brüder hatten nach der vergangenen Saison, die Haching als kaum konkurrenzfähiger Tabellenletzter abschloss, Angebote anderer Klubs. Die Studenten entschieden sich dennoch, eine weitere Saison bei den in TSV Haching München umbenannten Oberbayern zu bleiben. "Wir sind am Wiederaufbau", sagt Paduretu, "da können wir den Spielern schlecht sagen: Wir geben euch zwar keinen Profi-Vertrag, verbieten euch aber das Beachen." Dass die Sagstetters durch den Sand hechteten, während ihre Team-Kollegen bereits in der Bundesliga-Vorbereitung steckten, sei "ein Kompromiss". Oder, so nennt es Jonas Sagstetter: "Luxus".

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