Beach-Duo Reckermann/Brink im Finale:Die Wand und das Wiesel

Jonas Reckermann und Julius Brink stehen im Finale in London und jubeln über den größten Erfolg des deutschen Beachvolleyballs. Im Halbfinale gegen das niederländische Duo Reinder Nummerdor und Richard Schuil gewinnen sie souverän und haben nun die Silbermedaille sicher. Ihre Spiel-Philosophie könnte auch im Finale gegen die Nummer eins der Welt helfen.

Thomas Hummel

Ein Beachvolleyball-Halbfinale bei Olympischen Spielen stellt man sich eigentlich anders vor. London, Horse Guards Parade, 23 Uhr Ortszeit Spielbeginn, die Zuschauer saßen in rosa und hellblauen Plastiküberzügen auf der Tribüne, weil es schon den ganzen Tag regnete und immer noch kleinere Tropfen vom Himmel kamen. Gefühlte Temperatur: um die 13 Grad.

Beckermann und Brink im Finale, Olympics Day 11 - Beach Volleyball

Moment des Sieges: Jonas Reckermann sinkt in den Sand, Julius Brink jubelt mit - den Beachvolleyballern ist Silber sicher.

(Foto: Getty Images)

"Wenn wir verloren hätten, hätten wir uns sicher aufgeregt", sagte Julius Brink, als es schon nach Mitternacht war. Aufgeregt über die Bedingungen und auch über die kurzfristigen Ansetzungen der Organisatoren. "Aber jetzt ist es scheißegal." Denn Brink und sein Partner Jonas Reckermann haben das Halbfinale gewonnen, mit 21:14, 21:16 total souverän gegen die Niederländer Reinder Nummerdor und Richard Schuil. Zum ersten Mal in der olympischen Geschichte des Beachvolleyballs steht ein deutsches Paar im Finale. Am Donnerstag treffen die beiden aus Köln und Leverkusen auf die Nummer eins der Welt: Emanuel Rego und Alison Cerutti aus Brasilien.

Doch das Spiel um Gold war in dieser Nacht zum Mittwoch noch weit weg. Als der letzte Punkt gewonnen war in diesem recht einseitigen Duell gegen die dreimaligen Europameister aus den Niederlanden, sank Jonas Reckermann auf den Sand, er streckte sich lang aus, Brink fiel auf ihn. Sie hatten es geschafft, sie fahren nun mit einer Medaille nach Hause. "Hätte ich bei der Heimreise nur die Akkreditierung um den Hals gehabt, hätte ich zu Hause was zerstört", bekannte Brink die Ansprüche des Paares. Dabei sah es in dieser Saison eigentlich nicht danach aus, als würden Brink und Reckermann zu den Besten in London zählen können.

2009 hatten sich die beiden zusammengetan mit dem Ziel Olympische Spiele in London. Doch der große ruhige Reckermann und der etwas kleinere emotionale Brink bildeten gleich ein derart ideales Duo, dass schon die erste Saison nie dagewesene Erfolge brachte. Sie wurden Weltmeister, blieben auf der Welttour in 25 aufeinander folgenden Partien ungeschlagen - Weltrekord. Sie beendeten als erstes europäisches Paar die Saison auf Weltranglistenplatz eins.

Dieser Erfolg ließ sich bis dato nicht wiederholen. Doch sie blieben ein Spitzenpaar im Welt-Beachvolleyball, gewannen zweimal die Europameisterschaft. Dann verletzte sich Jonas Reckermann im Training an der Schulter, das war im April, und die Mission Olympische Spiele schien in Gefahr. Noch im Juli verloren sie beim Grand-Slam-Turnier in Berlin gegen das nicht für Olympia qualifizierte Paar David Klemperer und Eric Koreng, nach jedem Training legt Reckermann einen Beutel Eis auf seine Schulter.

Im Finale: keine Emotionen!

Die Brasilianer Ricardo Santos und Pedro Cunha wollten das im Viertelfinale noch als Schwäche erkannt haben und schlugen reihenweise auf den 33-Jährigen auf. Doch Reckermann blieb unbeeindruckt und stabil, der Erfolg gegen die Brasilianer war der entscheidende auf dem Weg zu einer Medaille.

Die Niederländer Nummerdor und Schuil blieben im Halbfinale ohne Chance. Im ersten Ballwechsel gab Reckermann den Weg vor, indem er Reinder Nummerdor gleich fürchterlich blockte. Reckermann ist an guten Tagen eine Wand am Netz - er hat in London viele gute Tage. In beiden Sätzen führten die Deutschen schnell und deutlich und mussten den Vorsprung anschließend nur noch verwalten. 11:5 stand es zwischendurch im ersten Durchgang, am Ende 21:14. Danach brachen die beiden mit 7:2 den Widerstand der Niederländer fast schon in den ersten zehn Minuten - der Satz endete mit 21:16. "Das ist unfassbar. Wir haben immer von einer Medaille geträumt, jetzt haben wir sie sicher. Ich bin so stolz, dass wir das geschafft haben", sagte Reckermann.

Im Matchball verdichteten sich die Qualitäten des Julius Brink. Er wieselt hinten in der Feldabwehr, mit einer irrwitzigen Reaktion wehrte er den ersten Angriffsball ab, beim zweiten ahnte er den Schlag kurz hinters Netz und baggerte den Ball aus dem Sand, um anschließend mit einem überlegten Heber das Spiel zu beenden. Die Niederländer waren entnervt: Es sei unglaublich gewesen, die Deutschen hätten keinen Fehler gemacht, erklärte Reinder Nummerdor nachher.

Julius Brink sprach anschließend davon, dass sie nicht nur gewinnen, sondern vor allem mit gebändigten Emotionen zum Erfolg kommen wollen. "Unsere Philosophie ist in diesem Turnier voll aufgegangen." Gerade gegen die Brasilianer im Viertelfinale hätten sie den emotionalen Gegnern keine Gelegenheit gegeben, sich zu sehr zu pushen. Nur ja keine Schwächen zeigen, nur ja nicht beeindruckt zeigen nach guten Aktionen des Gegners - das hat die Südamerikaner am Ende zermürbt. Kein schlechtes Zeichen für das Finale, in dem es ja wieder gegen Brasilianer geht.

Für den Mittwoch nahmen sich Brink und Reckermann vor, frei zu machen und sich das Viertelfinale der deutschen Hallen-Volleyballer gegen Bulgarien anzuschauen. Gegen Rego und Cerutti hätten sie "zwei Jahre nicht mehr gewonnen, aber beim Turnier in Moskau lagen wir lange vorne und haben das Spiel noch aus der Hand gegeben", erzählte Reckermann. Dass die Deutschen nach einer schwierigen Saison nun in London derart in Form sind und von Spiel zu Spiel besser werden, dürfte aber auch den Brasilianern nicht entgangen sein.

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