Süddeutsche Zeitung

Basketballer Jordan Crawford:Nun zeigt er es der Welt

Der Basketballer Jordan Crawford hat in seiner Karriere einige Knicks durchgemacht. Seit kurzem spielt der 31-Jährige bei Bamberg - und dank ihm ist das Team kaum wiederzuerkennen.

Aus der Halle von Joachim Mölter

Mit Alba Berlin wird der Basketballer Jordan Crawford vermutlich für den Rest seines Lebens keine guten Erinnerungen mehr verbinden, so oft wie er in den zurückliegenden anderthalb Jahren unter diesem Klub gelitten hat. Im November 2018 hatte der Amerikaner bereits einen Vertrag bei Alba unterschrieben, war dann aber noch durch den obligatorischen Medizin-Check gerasselt und wieder weggeschickt worden. Für den damals 30-Jährigen war das ein heftiger Karriereknick, fast sogar das Ende: Obwohl er ein paar Jahre NBA-Erfahrung im Lebenslauf stehen hat, schreckten danach die meisten Klubs vor einer Verpflichtung zurück. Als Crawford im Februar doch noch in der Basketball-Bundesliga (BBL) landete, kassierte er mit seinem neuen Klub gleich die nächste Klatsche von Alba: Mit Brose Bamberg unterlag er in Berlin 70:107.

Trotzdem waren die Verantwortlichen von Brose so angetan von dem 1,93 Meter großen Mann, dass sie ihn sofort zurückholten, als die Saison nach der Corona-Unterbrechung fortgesetzt werden sollte, damit er ihnen beim Finalturnier in München hilft. Dort trafen die Bamberger am Dienstag in ihrem ersten Spiel erneut auf Berlin - und Jordan Crawford hatte erneut ein traumatisches Erlebnis.

Anderthalb Minuten vor Schluss lagen die Bamberger knapp zurück, 89:93, da mopste Crawford den Berlinern den Ball und dribbelte auf deren Korb zu - wo er jedoch kurz vor dem erfolgreichen Abschluss mit dem Alba-Profi Luke Sikma kollidierte. Statt auf zwei Punkte für Bamberg plus zusätzlichem Freiwurf für Crawford entschieden die Schiedsrichter auf Offensivfoul. Und weil Crawford damit sein Foullimit überschritten hatte, musste er vom Parkett. Ohne ihren besten Korbjäger unterlagen die Bamberger in der Schlussphase 91:98 (56:55).

Brose-Trainer Roel Moors war dennoch zufrieden mit dem Auftritt: "Wenn wir diese Leistung wiederholen können, haben wir in jedem Spiel eine Chance." Im Zwei-Tages-Rhythmus treffen die Bamberger nun auf Ludwigsburg (Donnerstag), Frankfurt (Samstag) und Vechta (Montag); für die ersten Vier dieser Fünfer-Gruppe geht es danach im Viertelfinale weiter. Der Auftakt gegen einen der Titelfavoriten gibt den Bambergern Zuversicht, dass sie zu den vier Vorrückern gehören.

Brose liefert Alba einen harten Kampf

Die knappe Niederlage wollte Trainer Moors nicht auf diese eine Szene mit Crawford am Schluss zurückführen (obwohl die Bamberger durchaus mit einigem Recht der Meinung waren, dass es ein womöglich spielentscheidender Fehler der Schiedsrichter war). "Wir haben uns gute Würfe herausgearbeitet", resümierte der Belgier, "aber wir haben nur sieben von dreißig aus der Distanz verwandelt. Das hat uns den Sieg gekostet." Für Marvin Heckel, den jungen Spielgestalter, lag es eher an den Defensiv-Rebounds: "Das war ein großes Thema", fand er angesichts von 14 zusätzlichen Wurfchancen, welche die Bamberger den Berlinern gestatteten.

Wie auch immer man es dreht und wendet: Brose lieferte Alba einen harten Kampf, so wie es zwar der Papierform entspricht, wenn ein neunmaliger Meister auf einen achtmaligen trifft, wie es aber in der Praxis nicht zu erwarten war, wenn man sich an die Situation vor der Corona-Pause erinnert. Da hatten die Bamberger schon vor der Abreibung in Berlin Mühe gehabt, sich in den Playoff-Rängen zu halten. "Wir hatten das Problem, dass wir viele Spiele unnötig am Ende verloren haben", resümierte Moors, bevor seine Bamberger als letztes der zehn teilnehmenden Teams in das Turnier startete: "Wir hatten keinen Spieler, der am Ende den Ball wollte. Mit Jordan Crawford haben wir jetzt einen."

Dumm nur, dass der Mann aus Detroit, Michigan, am Ende der Partie gegen Berlin nicht mehr auf dem Feld stand.

Bis dahin war Jordan Crawford der beste Werfer gewesen mit 20 Punkten. Er hatte aus jeder Lage und jeder Entfernung getroffen und somit genau das gemacht, was Moors sich vorgestellt hatte: "Seine Rolle ist einfach - er muss scoren." Crawfords Präsenz strahlte zudem wie erhofft auf seine Nebenleute aus, die selbstbewusst und aggressiv den Berliner Korb attackierten, allen voran Kapitän Elias Harris (16 Punkte) und Spiellenker Retin Obasohan (13). Gegenüber den letzten Auftritten vor der Corona-Pause waren die Bamberger kaum wiederzuerkennen, "wir hatten einen guten Rhythmus, viel Energie und Enthusiasmus", lobte Moors.

Das hat viel mit Jordan Crawford zu tun, der sichtlich bemüht ist, bei seinem neuen Arbeitgeber eine positive Atmosphäre zu verbreiten. "Ich denke, wir können gewinnen, und das sollten wir probieren. Das hat sich auch die Mannschaft vorgenommen", sagte er der Lokalzeitung Fränkischer Tag vor dem Turnier. Brose-Sportdirektor Leo De Rycke sagt: "Seine Karriere ist nicht immer so gut gelaufen, in Bamberg hat er vielleicht die letzte Chance, der Welt zu zeigen, wer der wahre Jordan Crawford ist." Dem ist das durchaus bewusst: "Wir sind die einzigen Basketballer auf der Welt, die zurzeit spielen", erinnert der Profi an die außergewöhnliche Situation der BBL: "Das sollte Spaß machen."

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