Bayers Touré erlebt Terrorattacke:Im Schockzustand

Wegen der WM im Juni in Südafrika schauen nicht nur Leverkusens Profis bestürzt auf das Schicksal Togos. Auch andere Bundesliga-Klubs sorgen sich um die Sicherheit ihrer Angestellten.

Ulrich Hartmann

Am Sonntag um 12.43 Uhr rollte der Bus des Fußball-Bundesligisten Bayer 04 Leverkusen vor die Arena am Rhein. Das einzige kleine Problem auf den 48 Kilometern nach Düsseldorf ist der Schneematsch gewesen. Es war eine ruhige Fahrt, und Busfahren ist ja nicht gerade gefährlich in Deutschland und ungeliebte Routine für Fußballer. Sie vertreiben sich die Zeit im Bus mit Musik oder Kartenspielen.

Bayers Touré erlebt Terrorattacke: "Ein sehr beliebter Spieler": Bayer Leverkusens Trainer Jupp Heynckes über Assimiou Touré, der beim Angriff auf Togos Team mit im Bus saß.

"Ein sehr beliebter Spieler": Bayer Leverkusens Trainer Jupp Heynckes über Assimiou Touré, der beim Angriff auf Togos Team mit im Bus saß.

(Foto: Foto: dpa)

Auch am Sonntag auf der Fahrt zum Fußballturnier namens "Wintercup" hatten einige im Bus wieder ihre Kopfhörer auf, aber andere diskutierten auch, denn seit Freitag hat das Busfahren für die Profis eine neue, eine erschreckende Dimension; auch wenn sie selbst nicht dabei waren, als im nördlichen Angola, 6.500 Kilometer südlich von Leverkusen, der Mannschaftsbus der Nationalmannschaft von Togo auf der Fahrt zum Afrika-Cup in einem Waldstück der umkämpften angolanischen Exklave Cabinda von Rebellen minutenlang beschossen worden war.

Touré kam mit zwölf zu Bayer

Aber dort im Bus saß, in der vorletzten Reihe, ein Bayer-Profi, der 22 Jahre alte Verteidiger Assimiou Touré, der als kleiner Bub mit seiner Mutter aus Togo ins Rheinland gekommen war und mit zwölf Jahren für Leverkusen zu kicken begann. Leverkusens Chefcoach Jupp Heynckes sagt über ihn: "Assimiou ist ein sehr beliebter Spieler bei uns."

Jetzt machen sich die Leverkusener nicht nur Sorgen um ihren Teamkameraden, sondern auch um die Sicherheit bei der Weltmeisterschaft in Südafrika im Juni. "Ein bisschen Angst ist da jetzt wahrscheinlich normal", sagte der deutsche Nationalstürmer Stefan Kießling am Sonntag. Der Münchner Nationalelf-Kollege Bastian Schweinsteiger sagte: "Wenn man die Meldungen liest, zuckt man ein bisschen zusammen."

Am Freitagabend testeten die Leverkusener beim niederländischen Tabellenführer Twente Enschede (2:1), und hinterher, in der Kabine, wurden sie über die Schüsse auf Togos Bus informiert. Über Tourés Schicksal wurde zunächst nichts bekannt. Erst Stunden später erhielt Tourés Mutter im Rheinland einen erlösenden Anruf von ihrem aufgelösten Sohn, der im Kugelhagel unverletzt geblieben war; wohl weil er hinten gesessen und sich auf den Boden geworfen hatte.

Schock und Trauma

Am Samstag konnte auch Trainer Heynckes mit seinem meist in der Amateurmannschaft eingesetzten Mann telefonieren und beruhigte danach seine Spieler beim Training zwar mit der Nachricht von Tourés Unversehrtheit, berichtete aber: "Er ist in einem Schockzustand und traumatisiert." Heynckes war froh, als Togos Ministerpräsident verfügte, das Team werde nicht am Turnier teilnehmen. "Wir werden definitiv nicht beim Afrika-Cup spielen, wir werden aus Angola ausgeflogen. Die Maschine des Staatspräsidenten holt uns ab. In Togo werden wir alle bei der Beisetzung der Toten dabei sein", berichtete Touré.

An diesem Montagabend hätte Togo in Cabinda gegen Ghana spielen sollen, das im Juni auch deutscher Gegner bei der WM ist. Für Ghana spielt Hans Sarpei, ein weiterer Leverkusener beim Afrika-Cup. Ghana, Burkina Faso und die Elfenbeinküste sind die anderen drei Nationen, die in Cabinda ihre Spiele austragen, und außer Sarpei, müssen diese Woche sechs weitere in Deutschland aktive Profis im Krisengebiet Cabinda Gruppenspiele absolvieren: der für Burkina Faso spielende Jonathan Pitroipa (HSV), Wilfried Sanou (Köln), Moussa Outtara (Kaiserslautern), Patrick Zoundi (Düsseldorf) sowie Guy Demel (HSV) und Arthur Boka (Stuttgart).

Zusammen 15 Spieler haben die Erstligaklubs zu Nationalteams abgestellt und sorgen sich jetzt um ihre Fußballer, denn beim brutalen Attentat waren Togos Assistenztrainer Abolo Amelete, Pressesprecher Stanislas Ocloo und der angolanischen Busfahrer getötet worden; Trainer Hubert Velud, Torwart Obilale Kossi und Verteidiger Serge Akakpo wurden verwundet. "Man hätte angesichts von drei Toten den kompletten Afrika-Cup absagen müssen", findet Wolfsburgs Trainer Armin Veh, der zwei Spieler abstellte, Karim Ziani (Algerien) und Obafemi Martins (Nigeria).

"Mulmiges Gefühl"

"Wir haben es für einen Witz gehalten, als es vorübergehend hieß, Togo spiele trotzdem beim Afrika-Cup", sagte Rudi Völler. Panik bezüglich Südafrika hält Bayers Sportdirektor allerdings nicht für angemessen: "So eine Weltmeisterschaft ist ganz anders organisiert als ein Afrika-Cup." Sein Teamkapitän Simon Rolfes äußerte dennoch angesichts den Vorfalls, den er "bestürzend und traurig" bezeichnete, mit Blick auf die WM, er habe ein "mulmiges Gefühl".

Rolfes und die anderen waren dann beim Blitzturnier in Düsseldorf im Halbfinale gegen Gastgeber Fortuna nicht gut aufgelegt; dass der Schreck nachwirkte, mochte aber niemand vermuten. Sie verloren das 45-minütige Duell 0:1, gewannen dafür das Spiel um Platz drei gegen Wolfsburg 1:0. Später fuhren sie wieder heim und kamen wohl gut in Leverkusen an. Und das war diesmal irgendwie die Hauptsache.

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