Bayerns neuer Trainer Pep Guardiola:Strahlkraft bis ins Strandcafé

Stilsicher an der Seitenlinie, bescheiden in allen Lebenslagen: Bayerns kommender Coach Pep Guardiola hat den FC Barcelona in seiner beeindruckend erfolgreichen Zeit nachhaltig verändert. Seiner Philosophie liegt gar eine Haltung in allen Lebenslagen zugrunde - in Spanien haben sie dafür einen Begriff geschaffen: den "Pepismus".

Von Oliver Meiler, Barcelona

Im Fokus der Kameras machte Josep Guardiola immer eine ausnehmend gute Figur. Die Körpersprache und die modischen Bekenntnisse passten zum Gesamtmodell des besten FC Barcelona der Vereinsgeschichte. Wenn "Pep" am Spielfeldrand stand und seinen Spielern bei der Arbeit zusah, lehnte er sich meist lässig zurück, als wüsste er, dass es nur gut kommen konnte. Dass sie es schon richten würden, wieder und wieder.

Die Hände vergrub Guardiola dazu lässig in den Taschen eng geschnittener Hosen, die dünne Krawatte hing auf dem flach bewahrten Bauch. Der "Pepismus", wie ihn die Katalanen von 2008 bis 2012 erfuhren und mit viel Pathos feierten, war eben etwas mehr als nur eine fußballerische Stilrichtung - er war auch eine Haltung, gewissermaßen eine Kultur.

Zur Illustration eine kleine Begebenheit aus dem vergangenen Frühjahr, aus einem Strandrestaurant in Gavà Mar bei Barcelona. Am Nebentisch saßen Barças Stürmer David Villa und Pedro mit ihren Familien und Freunden. Das Lokal war voll, die Aufregung der Kinder groß, die Sonne brannte. Doch niemand störte die beiden Herren mit den viel zu großen Sonnenbrillen. Erst zum Café winkte der Kellner. Villa und Pedro nahmen sich Zeit, posierten mit den Kindern, machten Sprüche, waren sehr nahbar, nachgerade normal.

Eine solche Szene kann ja schnell im Chaos enden, gerade im Süden Europas. Hier nicht. Auch das ist "Pepismus": Während Guardiola Chefcoach war, gab es einen stillen Deal zwischen der Stadt und den Spielern. Die durften ein erstaunlich öffentliches Leben leben, in Bars und Restaurants gehen. Man ließ sie in Ruhe, und sie dankten es mit Geduld beim Autogrammschreiben. Wenn sie es mal nicht taten, so erzählt man sich in Barcelona, wurden sie vom Verein abgestraft. So wollte es offenbar Pep, selbst Katalane, aus der kleinen Stadt Santpedor im Hinterland Barcelonas, 7000 Einwohner.

Als Guardiola im vergangenen Sommer aufhörte, um ein Sabbatical einzulegen und mit seiner Frau, seiner Jugendliebe Cristina, und seinen drei Kindern im Alter zwischen vier und elf Jahren zwölf Monate in New York zu verbringen, sagte Guardiola: "Ich war hier nicht Trainer, um in die Geschichte einzugehen. Ich wollte nur meine eigene Geschichte schreiben, meine Arbeit möglichst gut machen, wie jeder andere Mensch auch. Ich dachte nie an Hommagen." Aufhalten ließen sie sich dennoch natürlich nicht.

Das ganze Nou Camp singt

Die Lokalzeitungen widmeten Guardiola Sondernummern mit Bildern vieler Trophäen, mit Elogen von Schriftstellern, mit Verklärungen, wie sie nur Volkshelden zuteil werden. In Büchern wurden schnell seine besten Zitate gesammelt, auch die lapidarsten. Man nannte ihn schließlich "El Filósofo", den Philosophen.

Im Stadion Camp Nou sangen sie bei seinen letzten Spielen in vorauseilender Nostalgie nur noch seinen Namen, als ereigne sich eine kulturelle Zäsur mit unabsehbaren Folgen. Beruhigt waren die Barcelonistas erst, als der Verein Guardiolas Vize Tito Vilanova zum Cheftrainer berief. Von dem hieß es, er sei "noch mehr Pep als Pep selber".

Natürlich schien Guardiolas Stern umso heller, weil sein großer Gegenspieler im spanischen Fußball immer wieder recht grobschlächtig auftrat: José Mourinho, Trainer von Real Madrid. Der selbst erklärte "Special One" gab mal den Blasierten, mal das Opfer einer angeblichen Konspiration, war jedenfalls immer ganz die Antithese von Guardiola. Mou verzweifelte fast an Pep, verlor Clásico um Clásico.

Erst am Schluss gelang ihm dann doch noch ein großer Sieg, ausgerechnet im Camp Nou, Wegbereiter der letzten Meisterschaft. Es war auch eine kleine Entzauberung des "Pepismus". Sportlich zumindest. Guardiola ging trotzdem groß, obwohl er am Ende auch etwas müde und stumpf wirkte. Wie auch seine Mannschaft zuletzt monoton und ausgereizt auftrat und für manche Gegner plötzlich gut zu lesen war.

Pep konnte offen zu seinem Burn-out stehen. Er brauche jetzt viel Zeit für sich und seine Familie, sagte er. Und Abstand vom Fußball brauche er auch, Fußball sei nicht alles. Mit 41 Jahren hörte sich das etwas seltsam an. Doch es passte gut zu dem Groove dieses Barça: Da stand einer vier Jahre lang ganz vorne, im Fokus der Kameras, gefeiert und beneidet - ohne Ausraster, ohne Stilbruch. Das zehrte. Die Lust an der Arbeit kehrte bei Pep aber schnell zurück.

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