FC Bayerns 0:4 gegen Real Madrid:Chancenlos gegen weiße Bestien

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Geschlagen: Bayern-Torhüter Manuel Neuer (Foto: AFP)

Aus der Traum vom Doppel-Triple: Der FC Bayern erlebt beim 0:4 im Rückspiel des Champions-League-Halbfinals gegen Real Madrid einen der frustrierendsten Abende der Klubgeschichte. Am Ende ist es sogar eine Demütigung.

Der Trainer, der weltweit geachtet wird für seine Ideen, stand regungslos am Spielfeldrand. Die Hände in den Hosentaschen, die Augenbrauen zusammengekniffen. Dennoch sah er genau, dass er nichts mehr machen konnte. Machen musste. Weil er, Carlo Ancelotti, alles richtig entschieden hatte. Es ging in diesem Spiel des FC Bayern gegen Real Madrid um das Erreichen des Champions-League-Finales, es ging aber auch um mehr.

Um Grundsätzliches. Um Pep Guardiolas Vorliebe. Um Ballbesitz. Auch die Zuschauer des FC Bayern erkannten die Größe dieser Partie, der Dachverband der Fanklubs hatte eine Choreografie organisiert, eine äußerst eindrucksvolle. Aus vielen bunten Fetzen ergab sich ein klares Bild, das Logo des FC Bayern war zu sehen, die Champions-League-Trophäe. Und ein Spruch: "Immer weiter".

Und so war es dann ja auch. Trainer Pep Guardiola vertraute immer weiter dem Ballbesitz. Obwohl diese Taktik im Hinspiel nicht aufgegangen war. Da hatte der FC Bayern zwar oft den Ball, aber kaum Chancen. Real Madrid hatte nicht viel mehr Chancen, nutzte aber eine. Guardiola passte seine Aufstellung dennoch nur sachte an, Philipp Lahm spielte als Rechtsverteidiger, dafür rückte Thomas Müller ins Mittelfeld. Es war die einzige Änderung. Es war eine Aufstellung, mit der Guardiola demonstrieren wollte, dass er, der Ballbesitz-Denker, schon im Hinspiel die richtige Strategie gewählt hatte. Es war eine Aufstellung voller Überzeugung in die eigenen Ideen, in deren überlegenen Wert.

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Die Reaktionen im Überblick

Guardiola irrte sich. 0:4 (0:3) verlor der FC Bayern das Rückspiel, die Mannschaft steht also nicht im Finale, erstmals seit 2011. Die Mannschaft wird nicht das Triple wiederholen können, sie wird auch nicht als erste den Champions-League-Titel verteidigen. Und Pep Guardiola musste erkennen, dass er in den zwei Spielen vielleicht eine kluge, mutige Taktik gewählt hatte. Dass ihn aber jemand durchschaut hatte. Reals Trainer Carlo Ancelotti stellte den zuletzt erkälteten Supersprinter Gareth Bale in die Startelf, in der Defensive zog sich dieser weit nach hinten zurück in ein Bollwerk, zusammengesetzt aus zwei Viererketten.

In der Offensive hatte Real nun wieder drei Supersprinter, hungrige, schnelle, weiße Bestien. Und Ancelotti ließ sie suchen, seine Mannschaft spielte offensiver als im Hinspiel. Der Trainer hatte ihnen eine recht simple Idee mitgegeben, um die weit aufgerückten, eng aneinander gereihten Spieler des FC Bayern zu überwinden: Real schlug lange, hohe Bälle, über alle Bayern-Spieler hinweg. Einer von ihnen landete bei Karim Benzema, Dante klärte zur Ecke. Luka Modric trat an, alle Bayern-Spieler bündelten sich am Fünfmeterraum, und niemand stand bei Sergio Ramos. Kopfball, 1:0 für Real (15.).

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Die Gastgeber waren geschockt. Real blieb angriffslustig. Freistoß Ángel di Maria, Pepe verlängerte mit dem Kopf, wieder stand niemand bei Ramos. Kopfball, 0:2 (20.). "Wenn du nicht gut spielst, verteidigst du Standards nun einmal schlecht", sagte Guardiola. Und gestand, dass seine Tatkik nicht aufgegangen war: "Im Hinspiel hatten wir die Kontrolle. Heute nicht. Wenn die Mannschaft den Ball nicht hat, geht das nicht. Wir haben mit dem Ball heute schlecht gespielt."

Vier Tore hätte der FC Bayern zu diesem Zeitpunkt schießen müssen, um noch das Finale in Lissabon zu erreichen. Vier Tore, gegen eine Mannschaft, die zu diesem Zeitpunkt in den bis dahin gegeneinander gespielten 110 Minuten nicht einmal zwei gute Gelegenheiten zugelassen hatte. Vier Tore, das wäre eine Demonstration der Stärke dieses Guardiola-FC-Bayern geworden.

Es wurde eine Demütigung. Real Madrid lauerte weiter, entspannt. Und der FC Bayern spielte wie eine Ansammlung von zehn roten Fetzen, die kein klares Bild ergaben. Das Team spielte in einem Einheitstempo, ohne Dynamik, ohne Ideen, dafür mit viel negativer Theatralik. Die Spieler hatten den Ball, wie im Hinspiel, aber sie wussten diesen Vorteil nicht zu nutzen. Noch weniger als im Hinspiel.

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Aus dem Stadion von Jonas Beckenkamp

Gelegentlich spielte sich der FC Bayern dann doch an den Strafraum der Gäste, gefährlich wurde es nicht. Allenfalls nach einem Ballverlust. So wie in der 34. Minute. Real konterte. Unaufhaltsam. Di Maria passte zu Benzema, der schickte Bale. Und Bale ist schnell. Verdammt schnell. Der Waliser lief Jérôme Boateng davon, legte den Ball quer zu Cristiano Ronaldo. Der Portugiese stand frei vor Neuer, Direktabnahme, 3:0 für die Gäste. Ronaldo jubelte euphorisch. Nicht nur, weil der FC Bayern jetzt fünf Tore erzielten musste. Sondern vor allem, weil der Treffer sein 15. in dieser Champions-League-Saison war. Rekord.

Das Finale war für den FC Bayern nun also fünf Tore entfernt. Und so wurden die Spieler aggressiver, die roten Fetzen vereinten sich, aber meist nur, um Spielertrauben zu bilden. Besonders frustriert war Franck Ribéry. Ein paar Schritte in den Strafraum, dann klatschte seine Hand an die Backe von Daniel Carvajal. Eine Tätlichkeit. Doch Schiedsrichter Pedro Proenca sah sie nicht. Nach der Pause wechselte Guardiola für den allenfalls in Spielertrauben auffälligen Stürmer Mario Mandzukic seinen Abfangjäger Javier Martínez ein, der Raumschleicher Müller war nun der offensivste Spieler.

So drängte der FC Bayern seinen Gegner auch weiter nach hinten, doch wirklich gefährlich wurde das nur selten. Nach einem Schuss von Ribéry musste Real-Torwart Iker Casillas erstmals eingreifen. Er fing den Ball (60.). 20 Minuten vor dem Abpfiff wechselte Guardiola noch Mario Götze und Claudio Pizarro ein. Zwei Spieler, die sich wendig auf engem Raum bewegen können. Eigentlich eine gute Idee. Sie kam zu spät. Stattdessen traf erneut Ronaldo (90.). Mit einem Freistoß, unter die aus roten Fetzen bestehende Mauer.

© SZ vom 30.04.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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