Frauen-Bundesliga:"Jetzt sind sie die Jäger und werden uns jagen"

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Wolfsburg gegen Bayern: Diese Rivalität prägt die Bundesliga der Frauen - jetzt gibt es Ärger vor der WM. (Foto: Adam Pretty/Getty)

Verkehrte Welt: Zum ersten Mal seit November 2020 besiegt der FC Bayern den VfL Wolfsburg - und erobert damit die Tabellenführung. Aber für wen ist das nun wirklich ein Vorteil?

Von Anna Dreher

Als die erste Runde dröhnende Musik abgeklungen war, machte sich Lea Schüller im Kabinengang des Münchner Campus-Stadions auf den Weg zur anderen Seite. In ihrer Bewegung lag etwas Zurückhaltendes. Im benachbarten Trakt waren keine fröhlichen Lieder zu hören gewesen, erst recht nicht Songs mit Zeilen wie "ob Bundesliga, im Pokal oder Champions League, ja, gibt es denn was Schöneres als einen Bayern-Sieg?"

Gegenüber waren für den Samstagabend die Fußballerinnen des VfL Wolfsburg eingezogen, und die mussten gerade eine Umkehr der gewohnten Hierarchie verdauen: Sie hatten soeben die Tabellenführung an die Dauerkonkurrentinnen aus München verloren, die dank eines von Georgia Stanway in der 84. Minute verwandelten Handelfmeters nun mit 43 Punkten einen Zähler mehr auf dem Konto haben als der VfL. Am Mittwoch in der Champions League hatten die Wolfsburgerinnen von einer solchen Strafstoß-Entscheidung beim 1:0 gegen Paris Saint-Germain noch profitiert, nun, im Spitzenspiel der Bundesliga, waren es die Gegnerinnen.

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Aus dem Stadion von Anna Dreher

Die Münchnerin Lea Schüller - später kam auch Lina Magull dazu - wollte aber weniger Trost spenden als mit der Wolfsburgerin Lena Oberdorf eine jener Szenen besprechen, an der abzulesen gewesen war, welche Bedeutung diese Partie für alle hatte. Auf ein Foul an Felicitas Rauch Ende der ersten Halbzeit folgte ein harter Zweikampf von Oberdorf und Sydney Lohmann, die danach (zusammen mit Magull) aufgebracht auf Oberdorf zurauschte - was in einem Schubser sowie in einer gelben Karte für Oberdorf und Magull gipfelte. Es geht in diesem Dauerduell eben immer auch um Prestige, um die Frage: Wer ist die Nummer eins in Deutschland? "Das bringt ganz viele Emotionen mit sich, manchmal auch zu viel Aggressivität, aber im Spiel gehört das halt dazu", sagte Magull. Im Kabinengang konnte die Angelegenheit dann ohne weiteren Schubser geklärt werden.

Das Timing für den Sieg gegen Wolfsburg hätte besser nicht sein können

Für Bayern-Trainer Alexander Straus konnte sowieso keine Szene trüben, was er und die 2500 Zuschauer - darunter Bayern-Präsident Herbert Hainer - im ausverkauften Stadion gesehen hatten. Für ihn gehörte jede Emotion zu einem wunderbaren Gesamtpaket. "Für die Bundesliga war das eine fantastische Show von beiden Teams", sagte der Norweger beschwingt, bevor er mahnte: "Wir haben einiges zu lernen von Wolfsburg. Es ist wichtig, bescheiden zu bleiben und Respekt vor dem zu haben, was sie erreicht haben und was wir von der Kultur des Gewinnens lernen können. Wir müssen wachsam bleiben, jetzt sind sie die Jäger und werden uns jagen."

Eine von vielen Rettungsaktionen: Wolfsburgs Dominique Janssen (2. v. r.) tritt den Ball aus der Gefahrenzone, nachdem VfL-Torhüterin Merle Frohms (rechts) ihn zuvor an die Latte gelenkt hatte. (Foto: Ulrich Gamel/Kolbert/Imago)

In den vergangenen zehn Jahren waren die Rollen ja überwiegend anders verteilt gewesen, siebenmal wurden die Wolfsburgerinnen Meister, dreimal die Münchnerinnen. Nun sind diese dem Titel wieder so nah, wie sie es vor ein paar Wochen nicht mehr für möglich gehalten hatten. Stimmt schon, es brauchte einen Standard für den ersten Sieg gegen den VfL seit November 2020. Aber es war auch so, dass die Bayern sich mit viel Ruhe am Ball mehr Chancen erarbeiteten, und dass es letztlich am Aluminium sowie an der grandios parierenden Merle Frohms lag, dass sie nicht schon früher führten. "Ich glaube, das war unser bestes Spiel, seit ich hierher gekommen bin, besser als das 3:1 gegen Barcelona", sagte Straus, der seit Sommer 2022 beim FC Bayern angestellt ist. "Das war ein massiver Sieg."

Das Timing hätte außerdem kaum besser sein können. Am Mittwoch (21 Uhr, Dazn) steht das Rückspiel im Champions-League-Viertelfinale gegen Arsenal an, vergangene Woche hatten die Münchnerinnen vor 20 000 Zuschauern in der Arena 1:0 gewonnen. "In der Verfassung, in der wir gerade sind, habe ich richtig Lust auf dieses Spiel", sagte Klara Bühl zur bevorstehenden Reise nach London. "Mit dieser Stimmung, mit dieser Euphorie und mit dieser Leidenschaft wollen wir unseren Weg weitergehen." Das Selbstbewusstsein der Münchnerinnen ist nun erst recht enorm nach 14 Pflichtspielsiegen in Serie - was dem VfL wohl mehr Sorgen bereitet als dieser eine Punkt Rückstand in der Tabelle.

Das direkte Duell mag in der Liga abgehakt sein, das letzte Wiedersehen aber war das in dieser Saison noch nicht: Am 15. April gibt es im Pokal-Halbfinale das nächste Aufeinandertreffen - und dann womöglich noch einmal im Königsklassen-Halbfinale am 22. und 29. April.

Welchen Wert auch eine Niederlage zum richtigen Zeitpunkt haben kann, wird sich auf der anderen Seite zeigen. Nach der äußerst intensiven Partie stellten sich für den VfL Wolfsburg keine schwerwiegenden Grundsatzfragen, aber Alexandra Popp regte durchaus an, die Herangehensweise anzupassen. "Wir haben wieder viel zu defensiv gestanden. Wenn wir in die Balleroberung kamen, haben wir den Ball zu schnell abgegeben und waren vorne auch nicht so schnell besetzt, weil wir so tief standen", analysierte die VfL- und DFB-Kapitänin, die ihre Angriffsstärke erst nach einer taktischen Umstellung in der zweiten Hälfte besser einbringen konnte. "Ich stand gegen Paris schon extrem tief, schon da war es schwierig aus der Balleroberung in Torgefahr zu kommen." Das Hinspiel hatte der VfL Wolfsburg bei Paris Saint-Germain dennoch 1:0 gewonnen, am Donnerstag (18.45 Uhr, Dazn) kommen die Französinnen in die Wolfsburger Arena.

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