Süddeutsche Zeitung

Bayern-Verteidiger Holger Badstuber:Chefchens Forderung

Weil die beiden Linksverteidiger Alaba und Contento verletzt sind und Dante als linker Innenverteidiger eine kompetente Alternative ist, muss Holger Badstuber nach außen rutschen - wohl auch in der Champions League gegen Valencia. Badstuber nimmt das mit einem Zähneknirschen hin, das kaum zu überhören ist.

Benedikt Warmbrunn

Bis zum ersten Badstuber-Moment sind es fünf Schritte. Holger Badstuber kommt zur Tür herein, er geht die paar Meter bis zu dem für ihn reservierten Stuhl, er setzt sich. Dann zuckt sein linker Mundwinkel nach oben. Eine kleine Schnute nur, aber sie erzeugt einen dieser Momente, in denen Badstuber so wirkt, als habe er die Welt mit all ihren Ungerechtigkeiten ganz besonders satt.

Die noch junge Saison zum Beispiel: eine einzige Ungerechtigkeit. Da fallen in David Alaba und Diego Contento zwei potenzielle Linksverteidiger verletzt aus, in Dante gehört ein zweiter kompetenter linker Innenverteidiger zum Kader des FC Bayern, und plötzlich spielt Badstuber auf der linken Seite der Abwehrkette. Da er seine Launen nur schwer verbergen kann, ist zu spüren: Die Sache mit der Linksverteidigerposition empfindet er als eine ganz besonders unverschämte Ungerechtigkeit.

Badstuber sagt das so natürlich nicht, sondern er hebt hervor, "dass das heißt, dass ich variabel bin". Er betont aber auch: "Ich sehe mich als Innenverteidiger."

Auf dieser Position hat Badstuber, 23, in den vergangenen beiden Jahren eine beachtliche Entwicklung genommen. Noch für die WM 2010 wurde er ja als Linksverteidiger nominiert, als ein solcher hatte er auch seine ersten Spiele für den FC Bayern gemacht. Er war ein guter linker Verteidiger, aber er war eben auch nur einer in der Kette. Im Zentrum dagegen wurde Badstuber zwar nicht direkt zum Anführer, aber ein Chefchen, das war er schon.

Er sorgte mit seinem Stellungsspiel für Ruhe, seine halbhoch geschlagenen Bälle waren mit die kreativsten Pässe im Ballgeschiebe der Mannschaft; neben ihm verteidigte zudem Jérôme Boateng, was Badstubers Spiel noch ruhiger und übersichtlicher erscheinen ließ. Auch in der Nationalmannschaft wurde er als kleiner Führungsspieler unersetzlich. "Als Innenverteidiger kann ich mich besser einbringen, kann ich das Spiel führen und von hinten eröffnen", sagt er.

Badstuber, das ist ja der Gipfel der Ungerechtigkeit, ist aber weiter auch ein ziemlich guter Linksverteidiger. Er spiele auf der Außenposition "cleverer" und "mehr mit Auge" als vor zwei Jahren, sagt Badstuber selbst, am Samstag zum Beispiel hat er beim 3:1 gegen Mainz das Tor von Bastian Schweinsteiger mit einer wunderbar geschnittenen Flanke vorbereitet.

Vor allem aber sichert er hinter den unberechenbaren Künstlern ab, gegen Mainz hinter Xherdan Shaqiri, beim Champions-League-Auftakt an diesem Mittwoch gegen Valencia wohl hinter Franck Ribéry. Der Franzose trainierte am Montag genauso wie Arjen Robben wieder mit der Mannschaft, beide hatten gegen Mainz aufgrund muskulärer Beschwerden gefehlt.

Auch Contento kehrte nach einem Haarriss im linken Fuß für eine halbe Stunde ins Mannschaftstraining zurück, und dennoch wird Badstuber bis zu Alabas Genesung nicht zurück in die Mitte rücken. Alaba ist nach einem Ermüdungsbruch im Aufbautraining, er wird noch ein paar Wochen lang ausfallen. "Die Situation ist zurzeit eben anders", sagt Badstuber, "aber langfristig will ich wieder dorthin, wo ich mich am wohlsten fühle. Und das ist nun einmal die Innenverteidigerposition."

Am Montag redete Badstuber auch über die größte Ungerechtigkeit der vergangenen Monate: das verlorene Champions-League-Finale im Mai, in dem er gesperrt fehlte. Die Partie gegen Valencia ist die erste im europäischen Wettbewerb seit dieser Nacht, sie wird aufgeladen mit Emotionen und Erinnerungen. Badstuber findet, dass die Aussicht, erst in dieser Saison den Titel gewinnen zu können, "uns pushen muss und nicht hemmen darf".

In der Gruppe sieht er seinen Klub als Favoriten, "diese Selbstsicherheit müssen wir auch ausstrahlen". Dann geht Badstuber zur Tür raus, zuvor klopft er noch mal kräftig auf den Tisch. Für einen Moment war er wieder das Chefchen.

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SZ vom 18.09.2012/jüsc
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