Süddeutsche Zeitung

Upamecano zum FC Bayern:Am Ende der Nahrungskette

Der Transfer von Dayot Upamecano folgt dem alten Muster, wonach der FC Bayern gern beim direkten Konkurrenten einkauft. Doch Empörung löst das nicht mehr aus.

Kommentar von Martin Schneider

Es wäre eine schöne Kneipen-Diskussion, wenn man denn in eine Kneipe dürfte: Welcher Spieler aus der Bundesliga würde die Bayern noch verstärken? Gar nicht so einfach, darauf eine Antwort zu finden. Klar, Erling Haaland hätte sicher Bayern-Niveau, aber sie haben halt auf der Position den aktuellen Weltfußballer. Vielleicht muss man ein bisschen spezieller werden, Raphael Guerreiro vielleicht, aber der spielt Linksverteidiger und da haben sie in München schon Alphonso Davies. Einen Rechtsverteidiger könnten sie gebrauchen und da gäbe es in der Bundesliga ... mal nachschauen ... Ridle Baku vom VfL Wolfsburg, 22 Jahre, aufstrebender deutscher Nationalspieler. Warum eigentlich nicht?

Einzelspielerbewertungen sind immer subjektiv und Geschmackssache. Aber der These, dass die Top-Elf der Bundesliga nahezu identisch mit der ersten Elf des FC Bayern ist, lässt sich schwer widersprechen. Gerade haben sie in München die Verpflichtung von Dayot Upamecano verkündet. Es ist ein ganz altes Muster: Der FC Bayern kauft den besten Spieler des Zweiten, aktuell ist das Leipzig.

Die Empörung hält sich trotzdem in Grenzen, man hat es zu oft gesehen und mittlerweile kennt jeder, der sich ein bisschen mit Fußball beschäftigt, die Mechanismen und die Systeme. Der FC Bayern verliert einen Weltklasse-Abwehrspieler (David Alaba), also brauchen sie einen neuen Weltklasse-Abwehrspieler, und wenn einer dann auch noch eine bezahlbare Ausstiegsklausel hat und in der gleichen Liga spielt - dann müsste man es der sportlichen Planung des FC Bayern fast vorwerfen, wenn sie die Chance nicht ergreift. Dass Sportvorstand Hasan Salihamidzic den Transfer ausgerechnet ein paar Stunden vor einem Leipzig-Spiel verkünden muss - das hätte er sich natürlich verkneifen können.

Aber die Münchner stehen schon so lange am Ende der Nahrungskette, man nimmt solche Wechsel nur noch mit einem Schulterzucken zur Kenntnis. Auch, weil klar war, dass Upamecano nicht in Leipzig bleiben würde. Kai Havertz und Timo Werner haben die Bayern zum Beispiel nicht verpflichtet, trotzdem spielen sie nicht mehr bei den direkten Konkurrenten. Und die Nahrungskette gilt ja auch für andere Vereine. Borussia Dortmund hat drei Stammspieler aus Gladbach im aktuellen Kader, wäre nur logisch, wenn jetzt auch noch der Trainer nachkommt, witzeln manche schon.

Die zwei Welten des FC Bayern

Am Transfer von Upamecano zeigen sich auch die zwei Welten der Bayern. Auf der einen Seite brauchen sie solche Spieler, um mit der europäischen Spitze mithalten zu können, auf der anderen Seite sind sie in der Bundesliga über 34 Spieltage überhaupt nur noch dann angreifbar, wenn sie grobe Fehler machen. Sogar die Mühen der Pandemie-Saison scheint Trainer Flick nun im Griff zu haben. Gerade steuern sie auf ihre ... mal nachschauen ... neunte Meisterschaft in Serie zu.

Das Dilemma ist nicht aufzulösen, da man dem FC Bayern ja nicht verbieten kann, mit dem ganzen Geld, das sie haben, die ihrer Meinung nach sinnvollsten Dinge anzustellen. Die Frage ist vielmehr, ab welcher Meister-Serienzahl die Bayern selbst erkennen, dass ihre eigene Dominanz zum Problem für die Liga geworden ist. Ab der elften? Ab der 15.? Aktuell scheint das nicht der Fall zu sein, bei der Verteilung der Fernsehgelder hat sich zum Beispiel nicht sonderlich viel getan.

Es ist also weiter alles möglich und im zentralen Mittelfeld ist Javi Martínez ja nicht mehr der Jüngste. Wer könnte denn da ... mal nachschauen ... Florian Neuhaus soll bei Gladbach eine Ausstiegsklausel besitzen und ist auch noch gebürtiger Oberbayer.

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