FC Bayern:Noch eine Woche Zeit zum Shoppen

FC Bayern: Brauchen weitere Teamkollegen: Jérôme Boateng, David Alaba, Thomas Müller und Joshua Kimmich.

Brauchen weitere Teamkollegen: Jérôme Boateng, David Alaba, Thomas Müller und Joshua Kimmich.

(Foto: AFP)

Das 1:4 in Hoffenheim beweist endgültig, dass der Kader des Triple-Siegers zu klein ist. In den letzten Transfertagen müssen nun gleich mehrere Profis kommen.

Von Christof Kneer

Hansi Flick, 55, ist in Heidelberg geboren, er spielte als Jugendlicher für den BSC Mückenloch, die SpVgg Neckargemünd und den SV Sandhausen. Jeder dieser Orte liegt sehr nah an Hoffenheim, wo ein Bundesligaklub beheimatet ist, auch nah an Sinsheim, wo die Arena dieses Bundesligisten steht, und ebenfalls nah an Zuzenhausen, wo dieser Bundesligaklub inzwischen ein schickes Trainingszentrum hingestellt hat. Sehr nah an Hoffenheim/Sinsheim/Zuzenhausen liegt auch Bammental, dort steht das Haus der Familie Flick, man kann es sehen, wenn man mit der Bahn von Heidelberg nach Zuzenhausen fährt. Hansi Flick hat die TSG Hoffenheim natürlich auch mal trainiert, er war auch schon Geschäftsführer.

Sebastian Hoeneß, 38, ist in München geboren, sein erster Verein war der TSV Ottobrunn. Er kickte später beim VfB Stuttgart und bei Hertha BSC, immer da, wo sein Vater Dieter gerade Manager war, aber wie sich das für einen Hoeneß gehört, kehrte er später wieder nach München zurück. Er trainierte erst die U19-Junioren des FC Bayern, dann wurde er Drittliga-Meister mit der zweiten Mannschaft.

Als die Bayern am Sonntag in Hoffenheim ein Tor nach dem anderen kassierten, jubelte der Münchner Hoeneß. Und der Hoffenheimer Flick ärgerte sich.

Rotation ist nicht förderlich für den Bayern-Flow

Ja, es war eine verkehrte Welt in Hoffenheim, und auch das war wirklich kurios: Dass die Münchner ihre erste Inventur der neuen Saison ausgerechnet in Hoffenheim machten. Hoffenheim ist für die Bayern ein bisschen wie eine Inventur im eigenen Betrieb. Nicht nur, dass Bayerns Cheftrainer von dort kommt; auch Hoffenheims Mäzen Dietmar Hopp gilt in München als Freund des Hauses, und auch auf der Spieler-Handelsroute München/Hoffenheim herrscht seit Jahren stabiler Verkehr.

Es musste am Ende also ein junger Hoeneß kommen, um dem Verein des alten Hoeneß eine erste Bilanz zu präsentieren. Sie lautet: Das war's noch nicht! Der FC Bayern, der in diese Saison gestartet ist, ist auf keinen Fall fertig. "Darüber mache ich mir keine Gedanken", sagte Flick zwar, als er nach dem 1:4 auf neue Spieler angesprochen wurde. Aber was soll er sonst sagen? Hey Verein, hallo Brazzo, los, los, schnell her damit? So ähnlich hat Flick das ja im Winter gesagt, im Training in Katar, so was kann man nicht ständig bringen. Außerdem weiß der Trainer: Verein und Sportvorstand Hasan Salihamidzic arbeiten daran.

"Angstgegner" Gladbach

Bundesliga-Niederlagen des FC Bayern sind selten geworden - das 1:4 am Sonntag war die erste verlorene Partie in diesem Kalenderjahr, die 25. seit Sommer 2012, als Jupp Heynckes Trainer war. Hoffenheim ist mit vier Siegen gegen den FC Bayern einer der Angstgegner in dieser Zeit: hinter Gladbach (5), gleichauf mit Bayer Leverkusen, aber noch vor Borussia Dortmund (3).

Der FC Bayern ist zuletzt zu Recht für seine Mannschaft gepriesen worden, aber bei all den Hymnen ist etwas untergegangen: Die Hymnen galten im Grunde nur der ersten Elf. Die Geschäftsfreunde aus Hoffenheim haben nun mit ihrem scharfen und giftigen Spiel den Blick auf Bayerns hintere Kaderränge gelenkt - mit folgender vorläufiger Erkenntnis: Zwar finden sich auch dort gute Spieler wie Joshua Zirkzee oder sehr gute wie Corentin Tolisso, aber es sind erstens nicht sehr viele, und zweitens befinden sie sich nicht in jenem selbstverständlichen Flow, in den Flick seine Champions-League-Sieger-Elf in den vergangenen Monaten versetzt hat.

Der Trainer coacht gerade auf einem schmalen Grat, nicht nur, weil er seine Elf im Moment jeden dritten Tag in ein Spiel hetzen muss, das bei den Bayern immer mindestens das wichtigste der Saison ist. Vor allem aber muss er, ohne den Rhythmus seines Siegerteams zu gefährden, auch jene Spieler zum Spielen bringen, die diesen Rhythmus erst suchen.

Die Vakanz auf der Rechtsverteidigerposition ist schon lange bekannt

In Hoffenheim war gut zu sehen, dass die Bayern-Decke zwar teuer und edel, aber doch deutlich zu kurz ist. An welcher Ecke der Decke Flick auch zieht, immer schaut irgendwo ein Fuß heraus. Schont er etwa den müde gelaufenen zentralen Mittelfeldspieler Leon Goretzka, dann muss er im Laufe des Spiels feststellen, dass der Rechtsverteidiger Benjamin Pavard nach seiner Verletzung noch nicht im Vollbesitz von Form und Fitness ist - und weil Flick aktuell über keinen zweiten Rechtsverteidiger verfügt, muss er im Laufe des Spiels also den zentralen Mittelfeldspieler Joshua Kimmich nach rechts hinten schicken. Und weil er aktuell auch über keinen weiteren zentralen Mittelfeldspieler verfügt, muss er den müden Goretzka eben doch einwechseln. So wie er auch den leicht am Zeh verletzten Robert Lewandowski einwechseln musste, um einen Rückstand aufzuholen, der dann doch nicht mehr aufzuholen war.

Spätestens in Hoffenheim dürften Bayerns Verantwortliche also end-, end-, endgültig gemerkt haben, dass es an unterlassene Hilfeleistung grenzen würde, ihrem Trainer und übrigens auch ihren stark beanspruchten Spielern weitere Hilfe vorzuenthalten - zumal weiterhin auch Javi Martínez (Bilbao) und womöglich auch Mickaël Cuisance (Leeds United?) vor ihrem Abschied in München stehen. Eine Woche hat der Spielermarkt noch geöffnet, und man darf mit erheblicher Neugier verfolgen, ob in den paar Tagen wirklich noch die drei oder vier Spieler (u. a. Rechtsverteidiger, zentraler Mittelfeldspieler, Flügelspieler) kommen, die Flick für dringend nötig hält.

Zwar finden sich in der bayerischen Historie einige späte Transfers, die ein Segen für den Klub waren, so kamen etwa Arjen Robben oder Xabi Alonso erst kurz vor Transferschluss. Dass aber so kurz vor Schluss noch so viele Spieler auf einmal fehlen, ist mindestens ungewöhnlich und hat das Potenzial zu ein paar innerbetrieblichen Debatten. So könnte Flick etwa darauf verweisen, dass die Rechtsverteidiger-Vakanz seit mehreren Ewigkeiten bekannt ist; und dass es ihm die Arbeit als Trainer nicht erleichtert, wenn er gleich drei oder vier Spieler im laufenden Hochbetrieb und auf Höchstniveau integrieren muss.

Das wird die Geschichte dieser Woche werden: Dass die großen Bayern tatsächlich zum Spätkauf gehen müssen, um sich noch schnell mit ein paar Notwendigkeiten einzudecken. Aber wenigstens ist es inzwischen unwahrscheinlich geworden, dass sie im Späti auch noch einen Ersatz für David Alaba suchen müssen. Es deutet sich an, dass der Verteidiger zumindest noch das eine Vertragsjahr in München bleibt.

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