Süddeutsche Zeitung

Bayern-Trainer Kovac:Woche der Ratlosigkeit

  • Nur 1:1 gegen Ajax, seit drei Spielen ohne Sieg: Dem gut gestarteten FC Bayern fehlen plötzlich Kraft, Esprit und personelle Optionen.
  • Der bislang erfolgreiche Trainer Niko Kovac spürt früher als gedacht, auf welch große Aufgabe er sich eingelassen hat.
  • Hier geht es zu den Ergebnissen der Champions League.

Von Benedikt Warmbrunn

Der Trainer, der auch einmal das Versprechen auf eine grandiose Zukunft des FC Bayern war, sah prächtig aus. Breitbeinig, breitschultrig, im Gesicht ein fettes Lächeln, in dem allein schon genug Ansatz für ein donnerndes Gelächter steckte. Wo er auch stand, um ihn herum waren die Menschen glücklich und erheitert. An diesem Abend machte es auch nichts aus, dass er längst nicht mehr dieses Versprechen ist. Als Besucher im Stadion des Vereins, den er von 2009 bis 2011 trainiert hatte, sah Aloysius Paulus Maria van Gaal prächtig aus, und er wusste das auch.

Und dann war er auch noch so unverschämt, alle an seiner guten Laune teilhaben zu lassen. Ein paar Sätze zum Spiel? "Ich bin nur Gast, ich bin in Rente", sagte Louis van Gaal. Ein paar Sätze zu Uli Hoeneß, mit dem er sich damals so wunderbar hatte streiten können? Herzlich und "sehr warm" sei das Wiedersehen gewesen, sagte van Gaal, nicht nur das: Sie hätten sich umarmt. "Ohne Uli wäre der Klub nicht so erfolgreich. Das weiß ich auch", sagte van Gaal: "Dass wir nicht miteinander konnten - okay, das ist das Leben." Dann verschwand van Gaal in der Münchner Nacht.

Es war kurz vor Mitternacht an diesem kalten Dienstagabend, als jener Trainer kam, der aktuell als das Versprechen auf eine grandiose Zukunft des FC Bayern gilt. Niko Kovac sah nicht prächtig aus, er wirkte erschöpft und müde und angespannt. Nach gerade einmal drei Monaten in München beginnt für ihn erstmals eine Phase, in der er zeigen muss, ob er das Versprechen halten kann.

Kovac hat in dieser einen Woche nicht auf einmal alles falsch gemacht

Nur 1:1 (1:1) hatte der FC Bayern zuvor gegen Ajax Amsterdam gespielt, es war das dritte sieglose Spiel in Serie, nach dem 1:1 gegen Augsburg und dem 0:2 in Berlin. Anfang Oktober ist die Mannschaft Tabellenzweiter in der Bundesliga und Tabellenzweiter in der Gruppe in der Champions League. Drei Partien ohne Sieg, nach zuvor sieben verlustfreien Begegnungen. Eine Woche im Herbst - und schon sieht es so aus, als ob sich die Mannschaft und ihr Trainer wieder neu finden müssten.

In seinen ersten Wochen in München wirkte Kovac immer wie der Meister jedes einzelnen Moments. Er brachte den Bayern das Kontern bei, er trainierte gezielt lang und intensiv. Und er wechselte das Personal so durch, dass jeder spielen durfte, und zwar dann, wenn es diesem Spieler viel bedeutete, Renato Sanches etwa in Lissabon oder Leon Goretzka auf Schalke.

In diesen ersten Wochen war Kovac auch in seinen Analysen geschmeidig. Er lächelte viel, zwinkerte mit den Augen, sagte zu allem etwas Wahres. Am Dienstagabend lächelte Kovac nicht, er zwinkerte nicht, er blickte meistens ins Leere hinein. Einmal presste er die Lippen zusammen, als könne er nur so all den Frust in sich gefangen halten. Und wenn er die Lippen öffnete, entkamen selbst einem gewitzten Trainer wie ihm nur schlaffe Sätze: "Ich muss das auch erst einmal verarbeiten", sagte Kovac. Oder: "Nicht nur ich bin überrascht, viele sind überrascht." Es waren die Sätze eines Trainers, der sich nicht erklären kann, was im Moment geschieht.

Kovac hat in dieser einen Woche nicht auf einmal alles falsch gemacht, so wie auch die ersten sieben Siege nicht ausschließlich sein Verdienst waren. Doch bei diesem Unentschieden gegen Ajax, das für den FC Bayern sogar noch ein glückliches war, wurde so deutlich wie nie zuvor in den vergangenen drei Monaten, wie groß diese Aufgabe ist, auf die sich Niko Kovac in München eingelassen hat.

Zehn Minuten lang hatte seine Mannschaft die Partie dominiert und durch Mats Hummels das 1:0 erzielt (4.), in diesen ersten Minuten wirkte die Mannschaft frisch und energisch. Dann aber führte Ajax Amsterdam konsequent vor, woran es dem FC Bayern im Herbst 2018 mangelt. Für das Team des früheren Münchner U23-Trainers Erik ten Hag reichten meist wenige Ballkontakte, um die gesamte Defensive der Bayern zu knacken.

Es reichte an diesem Abend, dass Ajax schnell und direkt nach vorn spielte, wie beim 1:1 durch Noussair Mazraoui (22.): "Wir haben den Gegner aufgebaut und uns abgebaut. Ja, und dann geht's um die Basics. Und die Basics sind Anlaufen, Ansprinten, Zweikampfverhalten", sagte Kovac.

Der Trainer spürt in diesen Wochen, dass er einen dünnen Kader hat, trotz der Rotation fehlten gegen Ajax auch die Kräfte. Javier Martínez im defensiven Mittelfeld rannte oft hinterher. Jérôme Boateng kämpfte in der Innenverteidigung meist damit, sich nicht noch eine Unkonzentriertheit mehr zu leisten. David Alaba war schnell unterwegs, oft aber auch zu schnell für sich selbst. Arjen Robben und Franck Ribéry fehlte auf den Flügeln der Esprit. In der Summe ergab das eine Mannschaft, der die innere Verbindung fehlte, um gemeinschaftlich Schwung zu erzeugen.

Kovac hat sich gegen diesen ausgedünnten Kader nicht gewehrt, er hat auch durch die Verletzungen von Kingsley Coman und Corentin Tolisso das Pech, dass ihm potenziell wichtige Stützen weggebrochen sind. Doch zumindest am Dienstag war nicht zu erkennen, was genau er mit den verbliebenen Kräften vorhat. "Ich muss mir das Spiel mit meinem Trainerteam noch mal anschauen, muss die Gedanken sortieren, um zu verstehen, warum die Leistung in den letzten drei Spielen so ist, wie sie ist", sagte der Trainer. Er klang in diesem Moment ziemlich ratlos. Kurz bevor er ging, sagte Kovac: "Wir müssen versuchen, diese drei Spiele zu vergessen." Schließlich wünschte er einen "schönen Abend".

Dann verließ Niko Kovac aufrichtig bekümmert die Arena.

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SZ vom 04.10.2018/ebc
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